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Ausnahmezustand. Ende der 90er Jahre feierten mehr als 1,5 Millionen Menschen auf der Straße des 17. Juni. 2006 fand die letzte Loveparade in Berlin statt.

© Wolfgang Kumm/dpa

Idee für neue Raver-Demo: Berlin soll wieder eine Loveparade bekommen

Wieder einmal will jemand die Loveparade neu erfinden. Doch diesmal soll alles werden wie früher: Aus Berlin, für Berlin, ohne Werbung und Alkohol. Und eine Techno-Größe wünscht schon mal viel Glück

Wir wollen eine Bewegung für die Liebe ins Leben rufen, sagt Jens Hohmann. Zusammen mit befreundeten DJs und Veranstaltern plant der 42-Jährige im Sommer eine Großdemonstration: Bis zu 10 Wagen mit elektronischer Musik sollen im Juli als „Zug der Liebe“ durch Berlin rollen; bis zu 15 000 Menschen möchten die Organisatoren so auf die Straße locken. Moment, ein Techno-Umzug im Namen der Liebe? War da nicht mal was? Ja, es gibt tatsächlich noch Menschen, die an eine Auferstehung der Loveparade glauben, die 1989 als Mini-Demo mit 150 Ravern auf dem Kudamm begann, zwischenzeitlich mehr als 1,5 Millionen Menschen auf die Straße des 17. Juni lockte und gut 20 Jahre später mit einer Katastrophe und 21 Toten in Duisburg endete.

Doch nicht nur deswegen ist der Name Loveparade für Jens Hohmann tabu. Hohmann ist Gründer der Internetplattform „theclubmap.com“, auf der er regelmäßig News aus der Berliner Clubszene veröffentlicht, seine Mitstreiter sind ebenfalls seit Langem als Veranstalter tätig. „Wir sind von der positiven Resonanz bisher wirklich sehr überrascht“, sagt Hohmann. Bei Facebook haben schon 6000 Menschen zugesagt; zahlreiche Clubs und DJs aus ganz Deutschland hätten sich gemeldet, um beim Zug der Liebe dabei zu sein, sagt Hohmann. Stattfinden soll das Ganze nach jetzigem Stand am 18. Juli.

Jens Hohmann will im Sommer einen "Zug der Liebe" organisieren.
Jens Hohmann will im Sommer einen "Zug der Liebe" organisieren.

© privat

Einer von ihnen ist Helge Baumberg, mit seinem Label „Zuckertütentraum“ ist der Berliner schon seit Jahren auch beim Karneval der Kulturen dabei. „Wir waren sofort begeistert“, erklärt Baumberg. Immerhin würden alle Menschen nonverbale elektronische Musik verstehen, das verbindet. Weltweit. Auch andere Veranstalter haben bereits zugesagt.

Bestrebungen, wieder eine Techno-Parade in Berlin zu etablieren, gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Zwischen 2006, dem Jahr der letzten Loveparade in Berlin, und 2011 wurde jährlich eine „B-Parade“ angekündigt – und jedes Mal kurzfristig wieder abgesagt. Hauptgrund ist wohl das mangelnde Interesse von Sponsoren. Nach dem Duisburger Loveparade-Unglück im Jahr 2010 mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten, möchte kaum noch jemand eine ähnliche Veranstaltung unterstützen. Zuletzt hatte Christian Gerneman versucht, einen „Love Convoy“ auf dem Lausitzring durchzuführen. Aus der fürs Vorjahr angekündigten Veranstaltung ist aber offenbar nichts geworden – auch er hatte Probleme, Sponsoren zu finden.

Loveparade-Gründer Matthias Roeingh, besser bekannt als Dr. Motte, distanzierte sich damals sehr deutlich von der B-Parade und dem kommerziellen Charakter der Veranstaltung. Auch beim Zug der Liebe gibt es keine Zusammenarbeit mit ihm. „Natürlich ist es gerade heute wichtig, für Frieden zu demonstrieren“, ließ der 54-Jährige auf Anfrage mitteilen. Allerdings wären Demonstrationen, auf denen elektronische Musik gespielt wird, heute fast Standard. Man müsse deshalb nicht immer alle gleich mit der Loveparade vergleichen. Trotzdem sei es toll, dass der Urgedanke der Loveparade auch in der neuen Generation weiterlebt und Blüten treibt. "Ich wünsche den Veranstaltern vie Erfolg", ließ er via Facebook wissen.

Dabei wollen es Hohmann und seine Mitstreiter ganz anders machen als die Macher der B-Parade: Einen Veranstalter mit kommerziellen Interessen gibt es nicht – die Berliner Szene wird nicht eingeplant, sie plant selbst. Und dennoch blockt auch Hohmann beim Loveparade-Vergleich sofort ab: „Wenn man uns mit der Loveparade vergleichen möchte, dann doch nur mit ihrer Präsentationsform, aber nicht mit der Aussagelosigkeit die sie zuletzt hatte.“ Der Charakter einer Demonstration soll beim Zug der Liebe, laut Hohmann, klar erkennbar sein – das muss es auch, denn der Loveparade war 2001 der Status einer Demonstration aberkannt worden, wodurch die Kosten für die Veranstalter zu groß wurden. Folglich sagt Hohmann, Transparente mit politischen Botschaften seien erwünscht, Sponsoren hingegen nicht: Werbung an den Wagen ist verboten.

Und, das wäre dann der größte Kontrast zur Loveparade: Die Veranstalter raten offiziell vom Konsum alkoholischer Getränke ab.

Anmerkung: In einer früheren Version schrieben wir im Teaser, dass der Loveparade-Miterfinder Dr. Motte von der Idee genervt sei. Nach seinem Einspruch auf unserer Facebook-Seite haben wir den Irrtum korrigiert.

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