zum Hauptinhalt
Aminata Belli, Moderatorin und Influencerin beim Spaziergang am Schlachtensee in Berlin-Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

„Ich war wie Pippi Langstrumpf“: Ein Spaziergang am Schlachtensee mit der Influencerin Aminata Belli

Sie ist Schaustellerkind, Influencerin und Moderatorin. Beim gemeinsamen Spaziergang spricht sie über eine spannende Kindheit und wie es ist, hervorzustechen.

Aminata Belli kommt ein bisschen zu spät, entschuldigt sich wortreich, sie sei zwei Stationen zu weit gefahren, bis Wannsee. In dicker Daunenjacke und weißen Sneakern spaziert sie am Ufer des Schlachtensees, gestikuliert, erzählt. Sie sprüht vor guter Laune. In den Baumwipfeln hängt der Dunst, auf der Wasseroberfläche haben sich Eiskristalle gebildet.

[Mehr aus dem Berliner Südwesten? Immer donnerstags, immer im Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf - persönlich, kiezig, kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de]

„Diese Ruhe hier. Das ist so toll“, schwärmt sie. Belli ist im vergangenen Jahr nach Berlin gezogen, sie lebt im Osten der Stadt. Den Schlachtensee habe sie zufällig gefunden, als sie eigentlich auf einem Festival in Brandenburg sein sollte, aber nicht mehr wollte. Sie sei einfach losgelaufen, getrampt und irgendwo hier am S-Bahnhof gelandet. Dann habe sie sich ans Ufer gesetzt und gepicknickt. Und das Für-sich-Sein genossen.

Sie ist studierte Modejournalistin

Beruflich macht Aminata Belli das Gegenteil: Sie ist unter Leuten. Für das Webformat „follow me.reports“ des ARD-Jugendportals Funk ist sie als Reporterin im Einsatz und begleitet mal einen Gehörlosen, mal einen orthodoxen Juden, mal eine Reiseleiterin für Party-Urlauber auf Lloret de Mar. Und sie moderiert, Musikformate bei MTV, Politik- und Gesellschaftssendungen im ZDF.

Studiert hat Belli Modejournalismus in Hamburg. 2019 kürte das Mediummagazin sie als freie Journalistin zu einer der „Top 30 bis 30“. Belli ist 27 Jahre alt. Geboren ist sie in Bad Oldesloe – „aber nur, weil da gerade Jahrmarkt war“. Konfirmiert wurde sie um Mitternacht auf dem Autoscooter.

„Jeden Tag am gleichen Ort? Das ist langweilig!“

Die Bellis, die Familie ihrer Mutter, seien seit jeher Schausteller, vor mehreren Hundert Jahren aus Italien nach Deutschland gekommen. Und seitdem unterwegs, auf Jahrmärkten, Rummeln, Kirmessen. Aufgewachsen ist Aminata Belli in einem Wohnwagen. „Das war eine Traumkindheit. Ich dachte immer, es muss für alle anderen so langweilig sein, so eintönig, jeden Tag am gleichen Ort zu sein.“

Bellis Vater stammt aus Gambia. Er floh, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa, und kam nach Deutschland. Als ihre Mutter mit einem schwarzen Flüchtling ankam, habe das in der Familie alles auf den Kopf gestellt. Als Aminata Belli ein kleines Kind war, verließ der Vater die junge Familie und kehrte später nach Gambia zurück.

Bei ihr wird nicht gemeckert

Und seine Tochter musste sich erklären, sagt sie, für ihr Leben im Wohnwagen und für ihr Schwarzsein. Nicht nur die Jahrmarktszene sei wenig vielfältig, sondern eigentlich ganz Schleswig-Holstein: „Da gibt’s nicht so viel andere.“ Immer wenn sie in eine neue Schule gekommen sei, und bei Schaustellerkindern könne das wöchentlich der Fall sein, habe sie sich erst einmal vor die Klasse gestellt und alle Fragen beantwortet, mehr oder weniger ernst.

„Ich war wie Pippi Langstrumpf. Ich habe mal erzählt, mein Vater sei ein afrikanischer König. Die haben mir ja alles geglaubt.“ Auch eine Traumkindheit ist nicht immer leicht. Doch Belli ist überzeugt, dass ihr das Aufwachsen zwischen Buden und Fahrgeschäften wertvolle Dinge mitgegeben hat: ihr Arbeitsethos, ihre Professionalität. „Da bist Du nicht einfach mal krank oder hast einen schlechten Tag. Das geht als Schausteller nicht. Da wird nicht gemeckert. So ist das bei mir jetzt auch.“

Ein Faible für Tiere

Und: Sie sei es gewöhnt, nie wirklich Alltag zu haben. Die Frage, wie eine typische Arbeitswoche für sie aussieht, kann sie nicht beantworten. In einer kleinen Bucht dümpeln Enten im Wasser. Ein paar Tiere sind besonders farbenprächtig: Auf dem Scheitel glänzt ihr Gefieder grün-blau, in der Kehle sind die Federn rostbraun, das Schnäbelchen rot. Wie zwei Segel ragen links und rechts an ihren Rücken orangefarbene Flügelfedern hoch.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

„Was ist das denn für ’ne Ente?!“, ruft Belli, „So ’ne Hübsche!“. Sie zückt ihr Smartphone für ein Foto. „Ich bin mir ziemlich sicher, zu Hause in Schleswig-Holstein haben wir die nicht. Das ist die Diversität in Berlin, die ich so liebe!“ Aminata Belli ist selbstständig. Und sie arbeite so viel, sagt sie, dass sie sich die Pausen verordnen müsse.

Sie habe den Schlachtensee zufällig nach einem Festival entdeckt, erzählt Aminata Belli.
Sie habe den Schlachtensee zufällig nach einem Festival entdeckt, erzählt Aminata Belli.

© Christoph Soeder/dpa

Im vergangenen Sommer, da habe sie so einen Moment gehabt. Sie wachte auf, irgendwo im Hotelzimmer, und wusste nicht, wo sie war. „Das war der Overload. Mir fällt es schwer, Nein zu sagen, und ich will auch immer alles machen. Aber das war zu viel. Es nervt, wenn man jeden Tag woanders ist, man will auch mal die Sachen waschen und nicht mehr aus dem Koffer leben. Ich versuche jetzt, eine bessere Balance zu wahren.“ Und, öfter mal an den See zu fahren.

Sie spaziert bis zur Fischerhütte, einem gelben Häuschen mit grünen Fensterrahmen, Gartenstühle und Tische stehen draußen auf dem Kies. In der Gaststube sind die Tische eingedeckt: weiße Decken, Besteck, Weingläser. Das Feuer im Kamin knistert. Um Belli herum sitzen ältere Herrschaften und essen Knödel.

Erfolgreiche Influencerin

Sie trinkt schwarzen Kaffee. Und lacht. „Ich finde es witzig, Räume einzunehmen, in die man eigentlich nicht reinpasst. Kommt hier eine schwarze Frau im Kapuzenpulli rein, das ist doch cool.“ Belli sagt: Sie habe das Gefühl, immer für etwas zu stehen, stellvertretend für eine Gruppe beurteilt zu werden. „Wenn ich in die Bahn steige und zum Beispiel laut telefoniere, denke ich in meinem Kopf, dass jetzt die anderen denken, ,Ach, die Schwarzen. Die telefonieren so laut‘.

Das ist Quatsch, aber davon kann man sich nicht hundertprozentig lösen.“ Für eine Gruppe sprechen zu können, habe aber auch eine gute Seite: Das zeige ihr der Austausch auf Twitter, Facebook, Instagram. „Ich bekomme Rückmeldung von Leuten, oft von schwarzen Frauen, weil die das Gefühl haben, endlich gesehen zu werden.

Die Leute reagieren auf das, was ich tue und sagen, das ist echt toll.“ Auf Instagram hat Belli mehr als 50 000 Follower. Und sie nutzt die Plattform, auch für ihren Kampf gegen Rassismus. Belli hat kürzlich eine Petition mitinitiiert, die fordert, das N-Wort als rassistisch anzuerkennen.

Politische Ansichten müssen diskutiert werden

Der Petition ging ein Urteil des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern voraus. Darin hieß es, es sei nicht eindeutig festzustellen, ob der Begriff in einem bestimmten Fall – dem Fall eines AfD-Abgeordneten – abwertend gemeint sei. Frustrierend, findet Belli: „Das Wort ,Neger‘ ist wirklich das allerschlimmste.

Ich kann nicht beschreiben, wie schlimm sich das für mich anfühlt.“ Am meisten ärgerten sie Unverständnis und vermeintliche Argumente wie „Ich meine das ja nicht böse“. Belli sagt: „Es steht Dir nicht zu, zu entscheiden, wie es bei mir ankommt. Egal, wie Du es vielleicht gemeint hast.“

Was hilft? Vielleicht die Diskussion: „Ich finde es total wichtig, miteinander über politische Ansichten zu diskutieren, auch wenn das anstrengend sein und weh tun kann.“ Das sei auch deshalb notwendig, sagt Belli, weil die Gesellschaft sich mehr und mehr spalte. Und ja, es gebe einen Rechtsruck – und gleichzeitig starke Gegenpositionen: „Viele Leute haben Dinge verstanden. Ich finde, es gibt ein wachsendes Bewusstsein für Rassismus oder Sexismus.“

Belli nimmt eine insgesamt zunehmende politische Wachheit wahr. „Wir sind alle politischer geworden. Durch Greta sind sogar Kinder politischer. Ich glaube, früher habe ich eher versucht, Anfeindungen zu umgehen und nichts zu sagen. Jetzt will ich viel mehr drüber sprechen.“

Der Konsequenzen sei sie sich bewusst: „Haltung schafft Angriffsfläche.“ Belli bekommt im Netz Hasskommentare. Wie kommt man damit klar? Belli sagt, sie habe ein dickes Fell. Und: „Ich bin ultra-positiv. Das habe ich von meinen Eltern. Am Ende wird eh alles gut.“ Vorher am Seeufer, am Fuß eines Baumes, hat Belli sich gebückt, um etwas aus der feuchten Erde aufzuheben. Sie hat einen Glückscent gefunden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false