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Polizeibeamte haben am Freitag an der Ausfahrt Beusselstraße der A100 Klimaaktivisten festgesetzt.

© Paul Zinken/dpa

Update

„Ich muss zur Arbeit, geht ihr bitte weg“: Aktivisten blockieren erneut Berliner Stadtautobahn – erboste Autofahrer

Die Polizei soll die Blockaden gezielt verhindern, hatte die Innensenatorin angekündigt. Am Freitag gelang das schon mal nicht. Es gab neun Kilometer Stau.

Trotz Kritik und Drohungen aus der Politik haben Klimaschutz-Demonstranten am Freitag erneut Teile der Berliner Stadtautobahn blockiert.

Einige Mitglieder der Initiative „Letzte Generation“ klebten sich an die Straße fest. Andere setzten sich in Charlottenburg und Mitte im Bereich der Ausfahrten Siemensdamm und Beusselstraße auf die Fahrbahn, wie die Polizei mitteilte. 22 Demonstranten seien vorläufig festgenommen worden und würden überprüft. Videos im Internet zeigten, dass Autofahrer zunehmend aggressiv reagierten.

Nach Angaben der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) bildete sich durch die Blockade im morgendlichen Berufsverkehr ein neun Kilometer langer Stau. Unweit der Blockadestelle liegt die Virchow-Klinik, die oft von Rettungswagen angefahren wird.

Im Internet kursierten erneut Videos von wütenden Autofahrern. Zu sehen ist bei Twitter etwa, wie ein Mann im Morgengrauen aus dem vordersten Auto im Stau steigt, ein paar Meter nach vorne läuft und einen auf der Straße knienden Blockierer heftig umstößt. Viele Twitter-Nutzer kritisieren die Demonstranten heftig und zum Teil mit Beschimpfungen, andere verteidigen sie.

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In einem anderen Video ruft ein Autofahrer mehrfach: „Hallo, ich arbeite“. Dann fährt er sehr langsam immer weiter vor, bis er den Rucksack eines Blockierers überfährt und der junge Mann den Weg frei geben muss. Andere Autofahrer hupen und rufen: „Ich muss zur Arbeit, ich habe keine Zeit für euch, geht ihr bitte weg.“

Staatsanwaltschaft: Beschleunigte Verfahren ungeeignet bei Aktivisten

Die Polizei wollte klären, ob erneut einige der Demonstranten in sogenannten Gewahrsam genommen werden sollten, um weitere Straftaten zu verhindern. Über dieses kurzzeitige Einsperren maximal bis zum nächsten Tag entscheidet ein Richter. Dies ist bislang nach Angaben einer Gerichtssprecherin seit 4. Februar in rund 25 Fällen geschehen, in denen sich Demonstranten bei den Blockaden auf Straßen festgeklebt hatten. Das wird von der Polizei als Tatbestand des Widerstandes gewertet, weil es die Polizeiarbeit gezielt erschwert.

Bis die Vorwürfe von Nötigung und Widerstand vor Gericht kommen, kann es dauern. Nach Justizangaben vergehen normalerweise durchschnittlich drei Monate bis auf die Anklageerhebung ein Prozess folgt. Durch die Corona-Pandemie komme es jedoch zu Verzögerungen. Zudem hätten Verfahren Vorrang, bei denen es um schwerwiegende Vorwürfe gehe und der Beschuldigte etwa in Untersuchungshaft sitze.

Die Straßenblockaden eignen sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft auch nicht für sogenannte beschleunigte Verfahren. „Diese sind für einfache Strafverfahren mit geständigen Tätern gedacht. Hier haben wir es mit durchaus komplexen Verfahren zu tun“, sagte Behördensprecher Martin Steltner.

Verfassungsschutz-Ausschuss befasst sich mit den Blockierern

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, die Polizei erweitere ihre Taktik, um Aktionen rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern, zum Beispiel durch gezielte frühzeitige Ansprachen von Demonstranten. Spranger sagte, die Blockaden würden Menschenleben gefährden. „Niemand steht über dem Gesetz, und sei das Anliegen auch noch so wichtig.“ Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Blockaden inakzeptabel.

Mehr zu den Berliner Autobahnblockaden auf Tagesspiegel Plus:

Die Demonstranten nennen ihre Kampagne „Essen Retten - Leben Retten“ und fordern ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung sowie eine sofortige Agrarwende, um Klimagase aus der Landwirtschaft zu mindern. In den vergangenen Wochen blockierten sie mehr als 30 Mal Straßen und Autobahnen.

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Die Initiative twitterte: „Wir haben nach wie vor mehr Angst vor dem Verlust unseres Landes & drohendem Hunger in DE als vor der Innenministerin.“ Direkte und indirekte Unterstützung erhielten sie von Politikern der Grünen und Linken. Der Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Kocak twitterte: „Protest muss manchmal provokant sein, manchmal muss er den sogenannten Normalbetrieb stören, denn sonst bleibt er letztlich unbeachtet und wirkungslos.“

Der Innenpolitik-Sprecher der Grünen, Vasili Franco, schrieb: „Übrigens: Das wirksamste Mittel im Umgang mit Klimaprotesten ist echter Klimaschutz. Am Montag befasst sich auch der Berliner Ausschuss für Verfassungsschutz auf Antrag der FDP mit den Blockierern. (dpa)

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