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Bei der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung 1928 in den Ausstellungshallen am Kaiserdamm präsentierte Opel seinen neuen Opel 24/110 PS Regent, ein Luxusgefährt mit acht Zylinder-Motor.

© Bundesarchiv/Georg Pahl

IAA Mobility: Schon am Anfang fuhr man elektrisch

Mit nur acht Autos hatte die Geschichte der IAA 1897 in Berlin begonnen - in einem Hotel Unter den Linden

Auch Theodor Fontane kannte das Bristol. Seine Romanfigur Dubslaw von Stechlin war von dem Hotel Unter den Linden begeistert, „alles ersten Ranges“, machte sich aber über den in der damaligen Hotelbranche beliebten, höchste Exklusivität signalisierenden Namen lustig: „Bristol ist doch am Ende nur ein Ort zweiten Ranges, aber Hotel Bristol ist immer prima.“

Wie auch immer: Zur Präsentation eines absoluten Luxusobjekts, wie es das Auto Ende des 19. Jahrhunderts darstellte, war das Bristol in Berlin - heute steht dort die Russische Botschaft - genau die richtige Adresse. Man kann sich leicht vorstellen, wie hochvornehm es zugegangen sein muss, als in dem Hotel am 30. September 1897 der Mitteleuropäische Motorwagenverein gegründet wurde, nebst einer Ausstellung der Produkte der Mitglieder. Die eintägige Veranstaltung, genannt „Automobil-Revue“, gilt als die erste Autoausstellung in Deutschland und damit als IAA Nr. 1 - jedenfalls nach der Zählung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), der mit der IAA Mobility in München nun einen Neustart der in die Jahre gekommenen, mit seiner Fokussierung auf den Pkw nicht mehr ganz zeitgemäßen Ausstellungsreihe versucht. So neu, dass nicht mal mehr die Nummer der aktuellen Fahrzeugshow genannt wird. Es wäre die 69.

Dabei ist es selbst in diesen Zeiten des automobilen Umbruchs leicht, einen Bogen von den Anfängen in die Gegenwart zu schlagen. Quantitativ ist die erste IAA mit der aktuellen nicht zu vergleichen, nur acht Auto waren zu besichtigen. Aber neben sieben Benzinern - vier Benz, ein Daimler, zwei Lutzmann - gab es das noch stark an eine Pferdekutsche erinnernde, doch mit dem heute so gefeierten Elektroantrieb ausgestattete Gefährt der Charlottenburger Karosserie- und Autoschmiede Kühlstein Wagenbau.

Massenpublikum wird davon nicht angelockt worden sein, hätte ohnehin kaum Zutritt erhalten. Die Ausstellungsorte der folgenden Jahre aber ließen schon bald größere Besucherströme zu. Mal war es der Landesausstellungspark, das spätere Ulap-Gelände nahe dem heutigen Hauptbahnhof, mal die Exerzierhalle des II. Garderegiments zu Fuß in der heutigen Reinhardtstraße, mal eine Reihe von Stadtbahnbögen nahe der Friedrichstraße oder auch die Vergnügungsstätte Flora östlich von Schloss Charlottenburg.

Huldigungsfahrt für den Kaiser

Bald wurde auch die Nähe zum kaiserlichen Hof gesucht und gefunden: Die IAA von 1903 - als Veranstalter fungierte wie erstmals im Vorjahr der VDA-Vorgänger Verein Deutscher Motorfahrzeug-Industrieller - eröffnete der autovernarrte Prinz Heinrich von Preußen. Sie gipfelte in der „Huldigungsfahrt“ von 300 Autos zu Ehren Wilhelms II. Der revanchierte sich zwei Jahre später, indem nunmehr er die längst auch von internationalen Herstellern bespielte Autoshow eröffnete.

Nach der Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg war mit der Internationalität und überhaupt mit der IAA erst mal Schluss. Erst 1921 ging es weiter, nun immerhin in einer neuen prachtvollen Ausstellungsdoppelhalle am Kaiserdamm, wo die Ausstellung - Köln 1927 bildete die Ausnahme - bis 1939 bleiben sollte. Die Sensation war der Rumpler-Tropfenwagen, bei dessen aerodynamisch geformter Karosserie der Hersteller auf Erfahrungen im Flugzeugbau zurückgreifen konnte. Und erstmals gab es eine Straße nur für Autos: Während der Ausstellung wurde am 24./25. September die Avus eröffnet.

Bi der Eröffnung der großen Berliner Automobil-Ausstellung am Kaiserdamm im Dezember 1924 wurden auch Luxusautos der Firma Maybach gezeigt.
Bi der Eröffnung der großen Berliner Automobil-Ausstellung am Kaiserdamm im Dezember 1924 wurden auch Luxusautos der Firma Maybach gezeigt.

© Bundesarchiv/Georg Pahl

Ein Auto für die große oder zumindest eine größere Masse war der Tropfenwagen noch nicht. Das wurde in gleich doppelter Ausführung erst bei der 16. Deutschen Automobilausstellung 1924 präsentiert, mit dem sperrholzverkleideten, „Kommissbrot“ genannten Hanomag 2/10 PS („Zwei Kilo Blech, ein Kilo Lack - fertig ist der Hanomag!“) und dem Opel 4/12 PS, Deutschlands erstem Fließbandauto, das seiner grünen Farbe wegen despektierlich „Laubfrosch“ hieß.

Obwohl beide Autos bald in großer Stückzahl produziert wurden, blieb der Grad der Motorisierung in Deutschland vorerst bescheiden, und wegen der Weltwirtschaftskrise fiel die Automesse gleich zweimal aus. Doch das steigende Interesse an dem besonders in Privathaushalten noch seltenen Transportmittel ließ sich an der Begeisterung über die 1931 wieder einsetzenden Avus-Rennen leicht ablesen.

Die Nationalsozialisten knüpften daran geschickt an. Als erster Reichskanzler eröffnete Adolf Hitler die IAA 1933 - und propagierte sogleich Straßenbau und Massenmotorisierung, man werde zur Messung der „Lebenshöhe von Völkern“ künftig „die Kilometerzahl der für den Kraftverkehr geeigneten Straßen anzulegen haben“. In der Folge wurde die IAA unter Aufsicht von Joseph Goebbels' Propagandaministerium zu einer Massenveranstaltung mit steigenden Publikumszahlen. Auf der von 825 000 Menschen besuchten IAA 1939, ein letztes Mal in der Doppelhalle am Kaiserdamm, wurde schließlich der von Hitler geforderte „Kraft-durch-Freude“-Wagen vorgestellt, auf den, gereift zum VW Käfer, Kunden freilich noch bis 1946 warten mussten.

Der Zweite Weltkrieg hatte die sich anbahnende Massenmotorisierung unterbrochen, ebenso die Erfolgsgeschichte der IAA, die 1947/49 nur als Anhängsel der Exportmesse Hannover stattfinden konnte. Erst 1950 veranstaltete der neu gegründete VDA wieder eine Automesse in Berlin, im Folgejahr gab es sogar zwei, im Frühjahr eine erste in Frankfurt am Main mit 570 000 und im Herbst eine zweite in West-Berlin mit nur 290 000 Besucherinnen und Besuchern.

Statt der IAA nur noch die AAA

Es sollte die letzte Berliner IAA bleiben. Die Insellage, die mühselige, von Schikanen der DDR-Grenzer behinderte An- und Abreise machten die Stadt für Aussteller und Publikum unattraktiv. Ersatzweise gab es von 1978 bis 2000 die kleinere AAA, von der AMK Berlin (heute Messe Berlin) ins Leben gerufen, zuletzt wegen Desinteresses der Hersteller abgewickelt.

Die automobile Seite des Wirtschaftswunders ging also an der Messestadt Berlin vorüber, deren Straßen sich gleichwohl mit den auf Massenmotorisierung zielenden Produkten der Autoindustrie füllten. Wieder gab es wie beim Tropfenwagen Anleihen beim Flugzeugbau, als Messerschmitt 1953 seinen Kabinenroller präsentierte, wieder wurde über Billigwagen gespottet („Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“). Der VW Käfer tat das, wozu er gedacht war, er lief und lief und lief, und die BMW Isetta erwies sich als prima Schlaglochsuchgerät: Wich man mit den Vorderrädern solch einem Loch noch aus - mit dem engeren Hinterräderpaar knallte man garantiert hinein.

Von "Bulli" bis "Barockengel"

Auch automobiler Luxus gewann schnell wieder Raum. Bereits auf der ersten Frankfurter IAA 1951 wurde von VW die Edelversion „Samba“ des seit dem Vorjahr verkauften und später als Hippie-Kutsche legendären Transporters T1 („Bulli“) vorgestellt. Und BMW, durch Zerstörung seines Münchners Hauptwerks, Demontagen und den Verlust der Eisenacher Produktionsstätte hart getroffen, kündigte im Vorfeld der Messe an, dass man die Autoproduktion wieder aufnehmen und in Frankfurt am Main den Prototyp des BMW 501 vorstellen werde, der als „Barockengel“ berühmt werden sollte.

Die Bundesrepublik wurde zum Autofahrerland, mit der IAA und ihren rasch steigenden Aussteller- und vor allem Besuchszahlen als Brennpunkt des allgemeinen Interesses am individuellen Kraftverkehr. Unzählige Neuheiten trafen dort zum ersten Mal auf ihre potentiellen Käuferschichten, 1959 der Mini, zwei Jahre später der Sicherheitsgurt und die Selbstbedienungs-Tanksäule, 1967 der NSU Ro 80 mit seiner damals fast futuristisch anmutenden keilförmigen Karosserie und dem sich dann doch nicht durchsetzenden Wankelmotor. Zwei Jahre zuvor war mit Honda zum ersten Mal ein japanischer Hersteller vertreten.

Mit den achtziger Jahren begannen Fahrzeugeigenschaften wie Langlebigkeit, Sicherheit und vor allem sinkende Verbrauchswerte an Bedeutung zu gewinnen, bei weiterhin steigendem Zuspruch: 1989 drängten sich fast 2000 Aussteller auf 252 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, die über 1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher anlockten. Eine Kapazitätsgrenze war erreicht, auf die der VDA mit einer Teilung der Autoshow reagierte. Personenwagen wurden nun alle zwei Jahre in Frankfurt präsentiert, Nutzfahrzeuge im Wechsel in Hannover.

Das bewährte sich, noch hatte die Frankfurter IAA nicht an Strahlkraft verloren, zog auch 1991 als erste reine Pkw-Messe über 935 000 Interessierte an. Erst im vergangenen Jahrzehnt hatte der VDA sinkende Besucherzahlen zu beklagen, von einer Million 2007 auf 560 000 im Jahr 2019. Proteste, zu denen Klimaschutz- und Umweltgruppen aufgerufen hatten, begleiteten diese letzte Frankfurter IAA. Ein neues Konzept, das wurde offenkundig, war dringend geboten, ein Neustart, den der VDA nun in München angeht.

Auch der Ursprungsort Berlin hatte zur Wahl gestanden und war gescheitert. Dass dort schon auf der ersten IAA von 1897 eines der acht ausgestellten Autos, also immerhin 12,5 Prozent, elektrisch und damit lokal emissionsfrei fuhren, hat nicht geholfen.

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