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Die Aktivisten befinden sich seit 17 Tagen im Hungerstreik für den Klimaschutz und wollen damit ein Treffen mit den drei Kanzlerkandidaten erreichen.

© Kay Nietfeld/dpa

Hungerstreik für radikale Klimapolitik: „Was ich erleide, ist nichts im Vergleich zu dem, was kommen wird“

Seit Ende August campieren Klimaaktivisten nahe dem Bundestag. Sechs befinden sich im Hungerstreik – und fordern ein Gespräch mit den Kanzlerkandidaten.

62 Schritte liegen zwischen dem Paul-Löbe-Haus und einer kleinen Ansammlung weißer und grüner Zelte am Ufer der Spree. 62 Schritte trennen die Abgeordneten des Bundestages von einer Gruppe junger Klimaaktivist:innen, die die Politik unter Druck setzen wollen. Seit dem 30. August befinden sich sechs von ihnen im Hungerstreik, direkt zu den Füßen der Bundespolitik.

So drastisch die Mittel, so simpel klingen ihre Forderungen: Sie wollen ein öffentliches Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) noch vor der Wahl – und direkt nach der Wahl den Einsatz eines Bürgerrates für die Klimapolitik. „Das Leben eurer Kinder ist nicht durch diesen Hungerstreik gefährdet, sondern durch den Status quo“,  heißt es in ihrem Manifest.

Wer die Zeltstadt betritt, ist sofort von wuselnden Menschen umgeben. Eine Aktivistin gießt Blumen, in einer Ecke spült jemand das Geschirr. Im Hintergrund fährt ein Touristenbus vorbei. Ein Fotograf portraitiert die Hungerstreikenden für die Social-Media-Plattformen der Gruppe, die sich selbst „Hungerstreik der letzten Generation“ nennt. Der Name soll darauf anspielen, dass sie die letzte Generation sei, die die Klimakrise noch beschränken kann.

„Wir haben uns als Gruppe zusammengefunden, weil wir alle schon sehr lange für Klimagerechtigkeit aktiv sind“, sagt Hannah Lübbert, die als Sprecherin fungiert. „Wir sind verzweifelt, weil alle anderen Arten des Engagements realpolitisch leider extrem wenig gebracht haben. „“Die Emissionen steigen einfach weiter.“ 

Einige seien zuvor bei Gruppen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion aktiv gewesen. Sie alle eint das Gefühl der Aussichtslosigkeit. „Hungerstreiks sind historisch gesehen immer das letzte Mittel gewesen, wenn man nicht mehr wusste, wie es weiter gehen sollte“, sagt Lübbert. „In dieser Lage befinden wir uns gerade.“

Geschwächt, die Haut fahl

Wer zwischen dem Gewusel im Camp die einzelnen Menschen genauer betrachtet, kann die Hungerstreikenden leicht identifizieren. Nach 17 Tagen ohne feste Nahrung wirken sie geschwächt, haben fahle Haut und taumeln mehr, als dass sie gehen. 

Die Hungernde Lina Eichler (rechts) steht neben ihrer Mitstreiterin Mephisto am Mittwochmorgen auf einer Waage.
Die Hungernde Lina Eichler (rechts) steht neben ihrer Mitstreiterin Mephisto am Mittwochmorgen auf einer Waage.

© Kay Nietfeld/dpa

Es gibt medizinische und psychologische Unterstützung  für die Hungernden und eine Liste mit Anzeichen, die auf einen medizinischen Notfall hindeuten. Zu diesem kam es am Dienstag, als einer der sechs, der 27-jährige Jacob Heinze im Camp zusammenbrach und in der Charité behandelt werden musste. Mittlerweile setzt er seinen Streik fort.

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel Plus: Zu viele Hürden – Klimaneutralität in Berlin bis 2040 nicht zu erreichen]

Ein weiterer der sechs ist der 22-jährige Student Simon Helmstedt. Der Hungerstreik mache keinen Spaß, sagt er. „Ich habe die ganze Zeit Lust auf Essen.“ Zugleich sei er „massiv enttäuscht“ von der Politik. „Dass hier sechs junge Leute jetzt 17 Tage hungern müssen und immer noch gesagt wird: Wir reden nicht mit euch.“

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Auch er merke, dass er immer schwächer werde, dass es ihm nicht gut gehe. „Aber das, was ich jetzt erleide, ist nichts im Gegensatz zu dem, was wir wegen der Klimakrise erleiden werden, was jetzt schon viele Menschen bei Hungersnöten erleiden müssen.“ Beenden wollen die sechs ihren Streik erst, wenn ihre Forderungen erfüllt werden.

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Auf eine politische Reaktion warten die Aktivist:innen weiter. Zwar hatten die Grünen, auch im Namen von SPD und CDU, am Dienstag in einem Brief „private Treffen“ mit den Kandidat:innen nach der Wahl angekündigt. Das reicht den Hungerstreikenden aber nicht. „Wir sehen darin den Versuch, das Thema aus dem Wahlkampf rauszuhalten“, sagt Sprecherin Lübbert. 

„Einfach weil die Parteien in Verlegenheit sind. In Verlegenheit sollten sie aber auch sein, weil sie keine Antworten haben auf die größte Krise, die die Jugend gerade umtreibt.“ Da bislang keine Terminvorschläge gekommen seien, haben die Aktivist:innen jetzt selbst einen Zeitpunkt gesetzt: Den 23. September, drei Tage vor der Wahl. Die Uhr tickt.

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