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Ein Menü für Auge und Ohr.

© M. Neumann

Hühnerkeulen und Rosenwasser: Berliner Gastronomin serviert historische Gerichte mit Podcast

Birgitt Claus bringt im Lockdown Esskultur in Berliner Wohnungen. Historische Menüs, mit Podcasts als Beilage. Ihre neueste Kreation: Ein Renaissance-„hörMahl“.

Forellenröllchen und Distelkuchen, kandierte Früchte, Konfekt und Marzipan – Speisen, unter anderem inspiriert von Bartolomeo Scappi. Der Italiener ist kein Sternekoch, kann aber auf ein beeindruckendes Portfolio verweisen. Unter anderem bekochte er fünf Päpste zwischen 1534 und 1576. Verewigt hat er sich in seinem Kochbuch „Opera“ (Werk), in dem seither rund 1000 Gerichte der Renaissance schlummern.

Fast ein halbes Jahrtausend später hat die Köchin und Unternehmerin Birgitt Claus eine Ausgabe des Buches in die Finger bekommen. Seitdem dürfen sich zeitgenössische Gaumen wieder an den deftig-süßen Renaissance-Speisen erfreuen.

Da die Gastronomie es in der Corona-Zeit schwer hat, musste Claus sich etwas einfallen lassen. Das hat sie auch, nämlich das sogenannte „hörMahl“, das die 56-Jährige mit ihrer Firma „eßkultur“ in Berlin-Dahlem anbietet. Birgitt Claus hat mit „eßkultur“ früher auch die Kantine des Tagesspiegel am Askanischen Platz betrieben.

Das Prinzip: Man holt sich die Humboldt-, Fürst-Pückler- oder eben Renaissance-Box ab, darin befinden sich entsprechende Gerichte, Tischdekoration und Anleitung. Neben dem Geschmacks- wird mit dem „hörMahl“ auch der Gehörsinn versorgt.

Denn zu jedem Menü, zu jedem Gang, wird auch ein Podcast mit passenden Geschichten aufgetischt. Gesprochen werden diese von Autor Tobias Roth, Tagesspiegel-Redakteurin Dorothee Nolte und Schauspieler Paul Sonderegger.

Möglichst viele Mitarbeiter sollten beschäftigt bleiben

„Nach diesem Jahr wollten wir einfach etwas Besonderes machen“, sagt Claus. „Und es ist eben eine Krise gerade. Da wollte ich natürlich auch, dass so viele Mitarbeiter wie möglich in Arbeit bleiben.“ Speziell das Renaissance-hörMahl Konzept passe wunderbar zur heutigen Zeit. Immerhin war man damals auch im Lockdown. Heute wegen Corona, damals aus Angst vor der Pest, so wird es in einer der Geschichten erzählt. „Unfassbar, diese Parallelität!“, findet Birgitt Claus.

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Die Box enthält neben Forellenröllchen und Distelkuchen auch „Maccheroni nach römischer Art“ und „Katalonisches Geflügel“. „Die Forellenröllchen sind wirklich lustig!“ sagt sie über ein Gericht der Renaissance-Box, die es mit Fisch, Fleisch oder vegetarisch gibt. „Da sind unter anderem Sauerkirschen drin und gehackte Mandeln, mit einer Kombination der damals in Italien neuen orientalischen Gewürze und dem, was man im Mittelmeerraum bereits kannte. Bartolomeo Scappi hat Oregano, Minze, Nelken und Muskat benutzt.“

[Online bis 17. Januar bestellen unter esskultur-berlin.de. Dem Autor wurde für die Recherche ein kostenloses „hörMahl“ zur Verfügung gestellt.]

Und wer es sich leisten konnte, verfeinerte alle Speisen mit Zimt, Zucker und Rosenwasser, um seinen Wohlstand zu zeigen. Beim „hörMahl“ kann jeder selbst entscheiden, wie mutig er mit dieser Geschmacksrichtung experimentieren möchte.

Das Renaissance-hörMahl gibt es noch bis Sonntag, 17. Januar. Die Mahlzeiten kommen freitags frisch vom Herd in die Kisten und können über das Wochenende abgeholt, zu Hause aufgewärmt und verspeist werden.

Das Enddatum der Renaissance-Box passt zum 17. Januar 1567, als zu Tische bei Papst Pius V. eine der größten Völlereien der Renaissance veranstaltet wurde. 130 Teller, zwei kalte und vier warme Gänge – das einzige Problem: Der Papst fastete.

Marian Schuth

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