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Frank Balzer (CDU), Bezirksbürgermeister von Reinickendorf, spricht im Rathaus von Reinickendorf bei einer Pressekonferenz Ende 2019

© Fabian Sommer/dpa

House of Reinickendorf: Wie Frank Balzer die Reinickendorfer CDU mit harter Hand umbaut

Im Nordwesten Berlins regiert Frank Balzer seit mehr als 10 Jahren, nun will er ins Abgeordnetenhaus. Seine Nachfolge ist ebenso umstritten wie seine Methoden.

Wenn sich SPD und Linkspartei um das Wohlergehen der CDU sorgen, muss es ordentlich brodeln. In Reinickendorf veröffentlichten die beiden Parteien kürzlich eine gemeinsame Pressemitteilung. Die Überschrift: „Sorge um Stabilität in der Kommunalpolitik in Reinickendorf“. Der Anlass ist ein massiver Umbruch in der Reinickendorfer CDU, die durch den Bezirksbürgermeister und Kreisvorsitzenden Frank Balzer betrieben wird. „Mit allerhärtesten Bandagen“, wie ein langjähriger Beobachter sagt.

Balzer selbst will nach mehr als zehn Jahren als Bürgermeister ins Abgeordnetenhaus wechseln – und räumt vorher im Heimatbezirk seine Kritiker beiseite, sagen: seine Kritiker. Auf dem Nominierungsparteitag seiner Partei am Freitag und Samstag kommt es deshalb zu einem „nie dagewesenen Paradigmenwechsel, einer Zäsur für die Partei“, sagt ein CDU-Mitglied. Namentlich genannt werden möchte es nicht.

So werden die beiden CDU-Abgeordneten Tim Christopher Zeelen und Jürn Jakob Schultze-Berndt nicht mehr für das Berliner Abgeordnetenhaus kandidieren, und auch die beiden CDU-Bezirksstadträte Katrin Schultze-Berndt und Tobias Dollase hören wohl auf. „Sie werden aufgehört“, sagt einer, der im Kreisverband gut vernetzt ist.

Die CDU-Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird in dieser Position wohl ebenfalls nicht wiedergewählt werden, heißt es aus Parteikreisen. Und der aktuelle Fraktionsvorsitzende steht nicht einmal mehr auf der Kandidatenliste der Partei. Dem Vorsitzenden des Ortsverbandes Tegel wurde nach Tagesspiegel-Informationen wenige Tage nach einer Herz-Operation mitgeteilt, dass seine politische Zeit vorbei sei.

Hintergrund des Konflikts soll noch immer die Ablösung des vorherigen Kreisvorsitzenden Frank Steffel im Jahr 2019 sein. Balzer hatte ihn verdrängt – auch für den Bundestag wird Steffel nicht mehr kandidieren. „Jetzt will er das Steffel-Lager politisch auslöschen“, sagt ein Beobachter. Andere sprechen davon, dass Balzer wie beim Boxen vorgehe: „Vor dem k.o. hört er nicht auf.“

Nach Tagesspiegel-Informationen hat der 55-Jährige allein im April und Juni rund 150 CDU-Mitglieder für seinen Ortsverband Hermsdorf geworben, sie wechselten aus anderen Reinickendorfer Ortsverbänden nach Hermsdorf und aus ganz Berlin plötzlich nach Reinickendorf. Im ganzen Bezirk gibt es nur 1800 CDU-Mitglieder, Balzer baut auf diese Weise seine Machtbasis aus. Denn pro 15 Mitglieder kann jeder Ortsverband einen stimmberechtigten Delegierten auf den Nominierungsparteitag entsenden. In Parteikreisen heißt es, der umtriebige Balzer wolle sich so eine noch größere Mehrheit organisieren.

[Keiner kennt Berlin-Reinickendorf besser: Im Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel analysiert Gerd Appenzeller den CDU-Krimi um die Macht im Berliner Norden. Hier gibt es den Text - und hier den kompletten und kostenlosen Newsletter: leute.tagesspiegel.de]

Bemerkenswert ist auch, dass sich Balzer im beschaulichen Hermsorf vor allem mit Mitarbeitern seines eigenen Bezirksamtes umgibt. Von 18 Mitgliedern seines Vorstands arbeiten – neben ihm – acht im Bezirksamt Reinickendorf. Balzer ist nicht nur ihr Ortsverbandsvorsitzender, sondern auch im Berufsleben ihr Chef. Parteiintern wird sogar spekuliert, er würde die Positionen seiner Mitarbeiter – etwa in der Aussiedlerberatung und im Bereich Senioren – dazu nutzen, Parteimitglieder zu werben.

Balzer selbst sagt dem Tagesspiegel zu den Vorwürfen: „Ich arbeite seit 23 Jahren im Bezirksamt, ich mache das gern – und ich bin sehr froh, wenn zu meinen Unterstützern auch Mitarbeiter zählen.“ Natürlich habe er auch für sich und die Partei geworben in den vergangenen Monaten, genau wie die anderen Mitglieder in seinem Vorstand. „Es sind viele junge Menschen in die CDU eingetreten, viele Mitglieder von Sportvereinen und Unternehmer“, sagt Balzer. Dem Eindruck eines zerstrittenen Kreisverbandes widerspricht Balzer. Er erwarte auf dem Parteitag „80-Prozent-Ergebnisse“ für die Kandidatenliste, die der Kreisvorstand vorgeschlagen hat. Dort sei die Liste ebenfalls mit elf zu zwei Stimmen durchgewunken worden. „Das zeigt eine große Geschlossenheit.“

Bei der politischen Konkurrenz fürchtet man derweil um die Arbeitsfähigkeit des Bezirksamtes. „Mitten in der Krise beunruhigen derzeit Pressemeldungen über heftige Querelen und Personalumbrüche in der CDU sowie die bislang bekannt gewordenen radikalen personellen Veränderungen im Bezirksamt die Reinickendorfer Kommunalpolitik“, schreiben die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Linken. Beide loben die Arbeit des bisherigen Bezirksamtes, auch explizit der CDU-Mitglieder. Auch der Bürgermeister selbst gilt als guter Verwalter.

Ganz freiwillig verlässt anscheinend nur Balzer selbst den Bezirk, um seine eigene Nachfolge hat er sich gut gekümmert. Anstelle der langjährigen Stadträtin Katrin Schultze-Berndt empfahl er den 62 Jahre alten Michael Wegner als nächsten Bezirksbürgermeister. Wegner war von 1999 bis 2006 Stadtrat im Bezirk und ist mit einem Honorarprofessorentitel einer rumänischen Universität ausgestattet. Ähnliche Titel kosten rund 20 000 Euro. Nach Tagesspiegel-Recherchen dürfte er ihn längst nicht mehr führen. Bei seiner Wahl dürfte trotzdem wenig schiefgehen – dafür wurde gesorgt.

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