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Der 14-jährige Paul kämpft gegen den Tod. Nur eine passende Stammzellenspende kann ihn retten. 

© DKMS

Hoffen auf ein zweites Leben: Erst starb sein Bruder – jetzt braucht Paul eine Stammzellspende

Der 14-jährige Paul aus Lübben kämpft gegen den Tod. Nur eine passende Stammzellenspende kann ihn retten. Doch zurzeit lassen sich immer weniger Menschen registrieren.

Von Sandra Dassler

Das Jahr 2020 war für viele Menschen belastend, für eine Familie aus Lübben im Spreewald war es die Hölle. „Als mich die Mutter von Paul einen Tag vor Silvester anrief und von ihrem Schicksal berichtete, konnte ich es kaum glauben“, sagt Stefanie Doss von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). 

Die gemeinnützige Organisation registriert Stammzellenspender, um Menschen mit Blutkrebs und ähnlichen lebensbedrohlichen Krankheiten durch eine Stammzellentransplantation zu retten. Auf einen Retter, sprich: geeigneten Spender, hofft auch Pauls Mutter, die Tag und Nacht bei ihrem 14-jährigen Sohn in der Berliner Charité verbringt.

„Pauls Krankheit traf die Familie, als sie sich gerade halbwegs von einem furchtbaren Schicksalsschlag erholt hatte“, erzählt Stefanie Doss: „Im Sommer starb Gregor, der älteste Sohn, ganz plötzlich. Er lebte mit seiner Freundin in Potsdam, ging eines Abends wie immer zu Bett und wachte am anderen Morgen nicht mehr auf.“

Später stellte sich heraus, dass Gregor an einem schwerer Herzfehler litt, der nie entdeckt worden war.

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Die Eltern waren wie gelähmt, auch Gregors sechs Geschwister Natalie, Leon, Paul, Ole, Benno und Edda durchlebten eine schwere Zeit. Sie hatten ihren großen Bruder geliebt und verehrt. Er fehlte allen. Doch das Leben musste weitergehen …

Pauls Mutter, die selbst in der Pflege arbeitet, war anfangs nicht beunruhigt, als der 14-Jährige Anfang Dezember vergangenen Jahres plötzlich Husten und leichtes Fieber bekam. Als die vom Arzt verordneten Medikamente allerdings überhaupt nicht anschlugen und das Fieber bis auf 40 Grad stieg, brachte sie ihn in die Notaufnahme des Lübbener Krankenhauses. „Als ich Pauls Augen gesehen habe, die ganz gelb waren, wusste ich, dass es keine normale Grippe ist“, sagt die Mutter. Da die Blut- und Leberwerte miserabel waren, wurde der Junge mit dem Rettungswagen ins Cottbuser Thiem-Klinikum gebracht. 

Nur eine Stammzelltransplantation kann Paul retten

Nach zahlreichen Untersuchungen stand die furchtbare Diagnose fest: Paul leidet unter Hämophagozytischer Lymphohistiozytose (HLH), einer sehr seltenen und sehr schwer verlaufenden Erkrankung des Immunsystems, die nur mit einer Stammzellentransplantation zu heilen ist. Seither kämpft der Junge um sein Leben. „Die Lage ist gerade sehr ernst“, sagt Stefanie Doss: „Paul wurde in die Charité verlegt und zunächst ins künstliche Koma versetzt. Jetzt ist er wieder wach, musste allerdings vor zwei Tagen auf die Intensivstation gebracht werden. Wir hoffen alle so sehr, dass wir noch einen geeigneten Spender finden.“

Sich bei der DKMS zu registrieren geht, ohne das Haus zu verlassen.  
Sich bei der DKMS zu registrieren geht, ohne das Haus zu verlassen.  

© Roland Weihrauch/dpa

Aus diesem Grund haben Pauls Eltern gemeinsam mit der DKMS einen Aufruf mit der Bitte gestartet, dass sich möglichst viele Menschen als Stammzellenspender registrieren lassen. Aufgeben sei keine Option, heißt es darin: „Deshalb bitten wir im Namen unserer ganzen Familie von Herzen: Registriert euch und schenkt Paul und anderen Betroffenen Hoffnung auf ein zweites Leben. Denn nur wer registriert ist, kann als passender Stammzellenspender gefunden werden.“

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Es wäre eigentlich ganz simpel, sagt Stefanie Doss: Man könne Leben retten und müsse dazu – was in Corona-Zeiten für viele nicht unwichtig sei – nicht einmal das Haus verlassen: „Unter dem Link www.dkms.de/pauli kann sich jeder registrieren lassen, der gesund und zwischen 17 und 55 Jahren alt ist“. Mit wenigen Klicks könne man die Registrierungsunterlagen anfordern und bekomme sie nach Hause geschickt. Das Set enthalte eine Einverständniserklärung sowie drei Wattestäbchen, mit denen man eine Minute lang die Wangeninnenseite abrubbeln müsse. Das tue nicht weh, und hinterher könne man die Stäbchen einfach in den Umschlag stecken und in den Briefkasten werfen – ohne etwas zu bezahlen. 

Wichtig sei nur, dass die Wattestäbchen nach dem Wangenschleimhautabstrich zeitnah zurückgesendet würden. Denn erst, wenn die Gewebemerkmale im Labor bestimmt wurden, werden die Daten ins Zentrale Knochenmarkspender-Register aufgenommen und stehen weltweit zur Verfügung.

Zahl der Registrierungen ging im vergangenen Jahr zurück

Doch obwohl das Prozedere so einfach ist, kommen nur etwa 60 Prozent der angeforderten Sets zurück, sagt Stefanie Doss. Außerdem sei die Zahl der Registrierungen im vergangenen Jahr um fast ein Drittel im Vergleich zu 2019 zurückgegangen. Bei der DKMS führt man das vor allem darauf zurück, dass die großen Typisierungsaktionen, die sonst meist im Umfeld von besonders betroffenen Patienten durchgeführt werden, wegen Corona nicht stattfinden konnten. 

„In der Heimatregion ist die Wahrscheinlichkeit, einen Spender zu finden, besonders groß“, sagt Stefanie Doss: „Bei solchen Aktionen kamen manchmal 1500 bis 2000 Leute, um sich registrieren zu lassen – jetzt sind wir darauf angewiesen, möglichst viele potenzielle Spender online zu erreichen.“ In Pauls Fall hat etwa sein Sportverein TSG 65 Lübben alle Mitglieder zur Hilfe aufgerufen. „Unser Paul, ein fröhlicher 14-jähriger Junge unserer B-Junioren ist schwer erkrankt und braucht dringend einen Stammzellenspender“, ist dort zu lesen.

Dass die DKMS in Berlin bislang nur 218.800 und in Brandenburg 151.200 registrierte Stammzellenspender hat, liegt sicher auch daran, dass die Organisation hier noch nicht so lange tätig ist. Außerdem kann man sich auch anderswo – etwa beim Deutschen Roten Kreuz – als Spender registrieren lassen. 

Benötigte Zellen werden aus dem Spenderblut entnommen

Und offenbar schrecken einige Menschen auch davor zurück, weil sie glauben, dass die Zellen stets aus dem Knochenmark des Spenders entnommen werden müssen. „Das ist aber nur noch bei etwa zehn bis 20 Prozent der Fall“, sagt Stefanie Doss: „Ansonsten werden sie aus dem Blut des Spenders gewonnen, wozu lediglich zwei venöse Zugänge gelegt werden müssen: Aus dem einen tritt Blut aus, und die Stammzellen werden für den Empfänger entnommen. Über den anderen Zugang fließt das Blut dann wieder in den Körper des Spenders zurück.“

Je besser Spender- und Empfängerzellen übereinstimmen, desto höher ist die Aussicht auf Erfolg der Transplantation. Im vergangenen Jahr konnten etwa die 50-jährige Susann aus dem Schliebener Land in Brandenburg oder Baby Wesley aus Neumünster in Schleswig-Holstein nach entsprechenden Aufrufen gerettet werden.

Auch Paul aus Lübben und seine Familie geben die Hoffnung nicht auf. Pauls vierjähriger Bruder Ole hat es für den Spendenaufruf ganz einfach ausgedrückt: „Mein Bruder Paul ist nicht da … Dabei habe ich immer so viel Spaß mit ihm und hab ihn ganz toll lieb … Mama sagt, Paul braucht einen Lebensretter …“.

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