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Berlin: Höchste Zeit für ein Parteibuch

Die Neuwahl-Aussicht lässt Sympathisanten Flagge zeigen. SPD, Grüne und CDU registrieren einen unverhofften Mitgliederzuwachs

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen und dem politischen Erdbeben im Bund wollen offenbar viele Menschen in eine Partei eintreten. Davon profitieren in Berlin die SPD, aber auch die Grünen und die CDU. Die Sozialdemokraten haben seit dem 22. Mai über 100 neue Mitglieder gewonnen. Das ist fast doppelt so viel wie sonst in ganzen Monaten. Vor allem Männer unter 35 Jahren hätten einen Aufnahmeantrag gestellt.

Insofern ist die 48-jährige Ute Langnick eine Ausnahmeerscheinung. Sozialdemokratisch angehaucht war die allein erziehende Mutter schon immer. Schließlich kommt sie aus Nordrhein-Westfalen, und als vor zwei Wochen auch diese Hochburg fiel, trat sie in die SPD ein. „Damit wollte ich mich aktiv bekennen.“ Außerdem seien die Kinder schon größer, sie habe nun Zeit für Politik. Und obwohl Frau Langnick Arbeitslosengeld II bezieht, fühlt sie sich nicht als Opfer der Bundesregierung. „Ich komme mit dem Geld aus, das ist schon in Ordnung.“

Auch Tim Meyerdierks hat in diesen Tagen ein inneres Drängen gespürt. Der 25-jährige Volkswirtschaftsstudent, der aus Braunschweig nach Berlin zog, bekam das Gefühl, „dass ich etwas tun muss“. Er sei zwar nicht besonders links, aber für die SPD reicht es. „Die Kapitalismuskritik hat mich angesprochen.“ Und die politische Stimmung, die jetzt herrscht, habe seine Entscheidung befördert, in eine Partei einzutreten.

Jetzt erst recht. Das sagen sich offenbar auch die Anhänger der Grünen, denen ebenfalls droht, die Macht im Bund zu verlieren. Normalerweise zählen die Berliner Grünen 30 Eintritte pro Halbjahr. „Allein in den letzten eineinhalb Wochen gab es 20 Aufnahmeanträge“, sagt der Grünen-Landeschef Till Heyer-Stuffer. Sie wollten die Partei im bevorstehenden Wahlkampf unterstützen, gaben die Neumitglieder als Begründung an.

Auch die Berliner CDU freut sich seit der NRW-Wahl über „ungefähr 50 bis 100 zusätzliche Eintritte“, sagt der Landesgeschäftsführer der Union, Matthias Wambach. Und das Schöne daran sei: „Die haben sich von selbst gemeldet.“ Normalerweise werden Parteimitglieder angeworben. Von Freunden, Verwandten oder Arbeitskollegen. Ja, es gebe einen „Politik-Push“, bestätigt Wambach. Davon merken nur die PDS und die Liberalen in Berlin wenig.

Bei den Sozialisten sind seit dem 22. Mai nur 23 Berliner in den Landesverband eingetreten. Das ist kaum mehr als sonst. „Im Schnitt kommen zehn Leute pro Woche zu uns“, sagt der Landesgeschäftsführer Carsten Schatz. Viele Neumitglieder seien allerdings „besonders motiviert“, die PDS im Wahlkampf zu unterstützen. Die Berliner FDP hat im gesamten Monat Mai lediglich drei neue Mitglieder aufgenommen, sagt Landesgeschäftsführer Horst Krumpen. Er habe aber mehrere Anrufe von Bürgern bekommen, die wissen wollten, wie lange es bei der FDP dauere, Bundestagsabgeordneter oder Minister zu werden.

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