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Die Ausstellung im Berlin Story-Bunker sucht nach Antworten auf die Frage: Warum?

© Thilo Rückeis

„Hitler“ im Logo zu präsent: Stadtplan muss ins Altpapier

Ein Stadtplan von Berlin wird eingestampft, weil der Name des Diktators draufsteht. Darf man mit dem Unsäglichen Werbung machen?

Sex sells. Und Hitler natürlich auch. Der schlimmste Tyrann und Massenmörder, den die neuere Geschichte kennt. Das Berlin Story Museum im Bunker am Anhalter Bahnhof nennt seine Dauerausstellung zur NS-Geschichte „Hitler – wie konnte es geschehen“.

Dazu gibt es auch ein Logo, das den Namenszug des Diktators in Großbuchstaben zeigt, darunter deutlich kleiner die Zeile: „Wie konnte es geschehen“.

Weil die Ausstellung genau auf diese Frage und die Rolle Hitlers eingeht, nahm bislang niemand daran Anstoß. Doch nun gibt es Zweifel, ob der Name „HITLER“ zu Werbezwecken so prominent herausgestellt werden darf.

Burkhard Kieker, der Chef des Tourismus-Marketing-Unternehmens Visit Berlin, hat diese Frage in einem konkreten Fall mit Nein beantwortet – und damit für einigen Wirbel gesorgt. Den wollte er eigentlich vermeiden.

Die Geschichte beginnt mit einem einfachen Stadtplan zum Auffalten, den Visit Berlin für kleines Geld an Touristen verkauft. Um einen Teil der Kosten wieder hereinzuholen, werden Werbeflächen auf dem Stadtplan verkauft.

Der Betreiber des Berlin Story Museums, Enno Lenze, kaufte in der englischsprachigen Version des Plans eine äußere Seite, in allen anderen Versionen eine kleinere Fläche auf dem eigentlichen Stadtplan. Dort passte nur das Logo der Hitler-Ausstellung hinein, mit dem Namenszug in Großbuchstaben auf gelbem Grund.

[Krach um Hitler: Die Geschichte nahm im Tagesspiegel-Checkpoint ihren Anfang - hier ist sie zum Nachlesen]

Die Pläne wurden gedruckt, Gesamtauflage laut Lenze 250.000 Stück. Visit Berlin machte am Mittwoch keine Angaben zu Auflagen.

Am Dienstag entschied Burkhard Kieker, die Auflage aller nicht-englischen Stadtpläne einzustampfen. Zunächst hieß es, Visit-Mitarbeiter hätten Bedenken geäußert, das Logo könne falsch verstanden werden.

Auf Nachfrage erklärte Kieker, er habe selbst „den Finger gehoben“. Das habe nichts mit Enno Lenze oder seiner Ausstellung zu tun, erklärte Kieker, die sei „extrem eindrucksvoll und bedrückend“. Visit empfehle Touristen, den Berlin Story-Bunker zu besuchen. Hitlers Name in großen Lettern auf dem Stadtplan von Berlin, das könne allerdings missverstanden werden, „als wollte man mit Hitler Aufmerksamkeit generieren“. Kieker befürchtete negative Reaktionen. Aus welcher Community, wollte er am Mittwoch nicht mutmaßen. „Irgendjemand regt sich immer auf. Wir leben in einer Empörungsgesellschaft.“

Verärgerung über Entscheidung

Empört vielleicht nicht, aber verärgert äußerte sich Enno Lenze auf Twitter – zuvor hatte der Checkpoint-Newsletter das Einstampfen der Stadtpläne gemeldet: „Leute fühlen sich von der Aufklärung über den Nazi-Terror gestört und der Anbieter knickt ein.“ Lenze vermutet, jemand wolle ihm schaden. „Nicht alle sind mit meiner Arbeit gegen Rechts zufrieden. Ich kenne das.“ Lenze erhält nach eigenen Angaben seit Jahren Morddrohungen.

Dass sich Juden an der Optik der Werbeanzeige stören könnten, weist Lenze mit Nachdruck zurück. „Rechte beschweren sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Nicht Juden. Rechte haben ein Problem mit der Aufklärungsarbeit, die ich leiste. Nicht Juden.“

Nur deutscher Plan betroffen

In der englischsprachigen Fassung des Stadtplans, die Kieker freigeben will, ist der Name Hitler kleiner gedruckt, es dominiert die Zeile „How could it happen“. Am Donnerstag werde er sich mit Lenze zusammensetzen und eine alternative Optik der Anzeige besprechen, sagte Kieker.

Mit dem Namen „Hitler“ Büchern, Ausstellungen oder Filmen über die NS-Zeit zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, ist nicht verboten. Anders wäre es, wenn jemand mit dem Namen Werbung für eine verfassungsfeindliche Organisation machen würde. Hitler erzeugt zwar Aufmerksamkeit, was viele Hitler-Vergleiche von Politikern belegen, schadet aber in der Regel nachhaltig dem Verursacher.

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Wie sensibel das Thema ist, zeigt der Fall eines persiflierten Werbespots für einen Mercedes. In dem Spot bremst das Auto automatisch, als zwei Mädchen über die Straße laufen. Als der junge Hitler auftaucht, fährt das Auto weiter. Das Stuttgarter Unternehmen distanzierte sich von dem preisgekrönten Spot, den Filmstudenten gemacht hatten. Immerhin nutzte Hitler die Nobelmarke als Staatskarosse.

Die Hitler-Ausstellung im Bunker wurde 2017 eröffnet. „Wir sind außer der Topografie des Terrors hiermit die Einzigen, die die komplexe Geschichte des Nationalsozialismus im Dritten Reich so ausführlich darstellen“, sagte der Kurator und Historiker Wieland Giebel damals. Er hatte die Hitler-Schau mit Enno Lenze in nur vier Monaten realisiert. Sie reisten durch die halbe Welt, um seltene, noch nie gezeigte Fotos und Dokumente zu beschaffen. Anders als viele prophezeiten, blieben Verrisse von professionellen Historikern aus.

Der Stadtplan mit dem Hitler-Schriftzug liegt dem Tagesspiegel vor, auf Bitte von Visit Berlin zeigen wir ihn allerdings nicht.

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