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Michael Ballweg, Initiator von Querdenken, möchte Oberbürgermeister von Stuttgart werden.

© Christoph Schmidt/dpa

„Hier sind einige Falschspieler unterwegs“: Offener Streit im Lager der Corona-Querdenker

Persönliche Feindschaften und Differenzen über die Nähe zu Rechtsextremen setzen „Querdenken“ intern zu. Auch Initiator Michael Ballweg gerät in die Kritik.

Innerhalb der Querdenken-Bewegung ist offener Streit ausgebrochen. Neben persönlichen Befindlichkeiten wird vor allem um das weitere Vorgehen gezankt.

Der interne Konflikt hat bereits absurde Züge angenommen: Einem prominenten Querdenken-Redner wird vorgeworfen, einen anderen als „Satanisten“ bezeichnet zu haben. Ein Organisator soll einen weiteren Redner in einer SMS als „Idioten“ beschimpft haben.

Thorsten Schulte, mehrfacher Redner auf Querdenken-Versammlungen, beklagt öffentlich, es gebe „überhaupt keine Strategie“. Außerdem seien bei Querdenken „einige Falschspieler unterwegs“. Ein wichtiger Akteur der Bewegung sei ihm in den Rücken gefallen.

Querdenken-Initiator Michael Ballweg kritisierte daraufhin am Sonntag Thorsten Schulte und erklärte, es gebe keine „Dauerredeerlaubnis“ für Redner auf der Bühne. Schultes Verhalten beim ersten Berliner Aufmarsch Anfang August sei außerdem „zu theatralisch“ gewesen.

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Er werde intern mit „fadenscheinigen Argumenten“ angegriffen

Seinen Kontrahenten wirft Schulte vor, dass Querdenken die Dynamik der vergangenen Wochen nicht genutzt habe - ja dass sogar „alles unternommen wird, um Momentum rauszunehmen“. Er persönlich werde intern mit „fadenscheinigen Argumenten“ angegriffen: „Man hat mir vorgeworfen, ich hätte den Veranstalter bedroht, um den Auftritt von Kilez More durchzusetzen.“ Der Rapper Kilez More stand im August auf der Bühne im Tiergarten. Er behauptet, die Bevölkerung werde gezielt durch Kondensstreifen hinter Flugzeugen vergiftet, um die Menschheit zu dezimieren.

Auch der Verschwörungstheoretiker Heiko Schrang, der bei beiden Berliner Querdenken-Aufmärschen auf der Bühne stand, ist zur Bewegung auf Distanz gegangen. In seiner Telegram-Gruppe verkündete er, er ziehe sich „raus aus dieser Sache“. Ihn störe, dass die „eigene Szene völlig uneins" sei und dass Akteure nun übereinander herfielen und sich gegenseitig beschuldigten, von der Regierung gekauft oder gar Satanisten zu sein. Leider hätten viele noch immer nicht begriffen, dass wir „mächtige Lichtwesen sind“.

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In der Querdenken-Bewegung ist auch der Umgang mit dem rechtsextremen Holocaustverharmloser Nikolai Nerling alias „Volkslehrer“ umstritten. Gegenüber dem RBB stritt Initiator Michael Ballweg zunächst ab, sich je mit Nerling getroffen zu haben. Dem widersprechen allerdings Augenzeugenberichte sowie etliche Beweisbilder, die der Fotograf Björn Kietzmann gemacht hat und die Ballweg lachend an der Seite des Volkslehrers zeigen. Auch Nerling selbst hatte öffentlich über das Treffen berichtet. Später räumte Ballweg ein, er führe „mit allen Gespräche“.

Aufsehen erregt ein Interview, das ARD-Journalist Georg Restle mit Michael Ballweg führte. Darin behauptet der Querdenken-Initiator etwa, von der Bundesregierung gehe eine größere Gefahr für die Demokratie aus als von Rechtsextremisten. Auf die Frage, ob das Grundgesetz für ihn Verfassungsrang habe, antwortet Ballweg: „Gut, da kann man sich jetzt natürlich drüber streiten.“

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Ballweg bestreitet nun auch, gewusst zu haben, dass viele hochrangige AfD-Politiker für die Demonstration im Tiergarten geworben hatten. Er habe dies nur von „ein oder zweien“ gewusst.

Unkenntnis behauptet Ballweg noch in einem weiteren Fall. Bei seiner Rede Anfang August hatte der Querdenken-Gründer auf der Bühne den Slogan der antisemitischen QAnon-Bewegung zitiert: „Where We Go One, We Go All.“ Die Bewegung glaubt an eine Weltverschwörung durch geheime Eliten, laut derer Satanisten und Juden einen internationalen Kindermissbrauchsring betrieben. Auf die Frage, weshalb Ballweg den QAnon-Spruch auf der Bühne zitiere, erklärt dieser nun der ARD, er habe QAnon und die damit verbundenen Ideologien lediglich „oberflächlich“ gekannt.

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Distanziert hat sich Ballweg mittlerweile von dem Rechtsextremen Nikolai Nerling. Nicht trennen möchte er sich hingegen von seinem Sprecher Stephan Bergmann. Dieser hatte auf Facebook rassistische Inhalte verbreitet, unter anderem Warnungen vor einer drohenden „Vermischung der Rassen“. Ende August sprach Bergmann davon, das deutsche Grundgesetz sei lediglich „Besatzungsrecht“ und solle abgeschafft werden. Es gibt Aufnahmen, in denen Bergmann den Rechtsextremen Nerling umarmt. Zudem setzte er sich mit einem Aktivisten der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ zusammen.

Auch Querdenken-Redner Hermann Ploppa hat intern keine Konsequenzen zu befürchten. Er hatte auf der Bühne vor geheimen Eliten gewarnt, die „genetisch“ niedriger stünden.

Regenbogenfahne auf Bühne zerrissen

Bei einer Querdenken-Veranstaltung in Wien wurde am Sonnabend auf der Bühne demonstrativ eine Regenbogenflagge zerrissen. Großen Applaus bekam ein Redner, der seine Reichsflagge auf der Bühne zur Schau stellte. Auch Thorsten Schulte hielt eine Rede. Michael Ballweg war nicht vor Ort, erklärte in Bezug auf Schultes Anwesenheit jedoch, er habe gehört, „dass das wohl nicht so dolle war.“

Thorsten  Schulte wiederum präsentiert eine ganz eigene Erklärung für die Vorbehalte gegen ihn: „Ich habe das Gefühl, dass ich zu viel Wahrheit ausspreche - und dass das von einigen Leuten, aus welchen Gründen auch immer, nicht gewünscht ist.“

Ballweg sagt, er sei kein Illuminati

Im internen Streit werden die Protagonisten zunehmend selbst Opfer absurder Verschwörungsmythen. So wird Michael Ballweg etwa vorgeworfen, er habe den versuchten Sturm des Reichstagsgebäudes am 29. August nur deshalb kritisiert, weil er insgeheim von der Bundesregierung bezahlt werde. In einem Video an seine Anhänger stellte er klar, er werde nicht von der Regierung bezahlt und sei auch kein Illuminati. Vielmehr habe er alle seine Rentenversicherungen gekündigt, dieses Geld setze er nun ein.

Ein zweiter wichtiger Querdenken-Organisator, Dirk S. aus Neckarsulm, will seinen Wohnsitz dauerhaft von Neckarsulm nach Berlin verlegen. Zu Hause in Baden-Württemberg „nerve“ ihn das Arbeitsamt zu sehr. Nach seiner Ummeldung könne er dann Termine beim Berliner Arbeitsamt wahrnehmen. Dirk S. hatte im August mit Gleichgesinnten in der Nähe des Kanzleramts gecampt und erfolglos versucht, ein Protestlager für 20 000 Zelte in Berlin-Mitte anzumelden. Jetzt plant er ein neues Camp.

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