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Hör mal, wer da hämmert. Wilhelm Will leiht sich eine Bohrmaschine im Späti aus. 

© Doris Spiekermann-Klaas

Heimwerker-Sharing im Späti: Berliner Start-up verleiht Werkzeuge am Automaten

Bier, Zigaretten, Bohrmaschine: In drei Spätis in Berlin stehen bereits Werkzeugverleihautomaten. Die „Toolbots“ soll es bald berlinweit geben.

Bohrer borgen geht ganz leicht in Berlin: An bisher drei Standorten können Werkzeuge an Automaten ausgeliehen werden. Einer dieser „Toolbots“ steht in dem Spätkauf „Hutfabrik“ in der Pappelallee 4 in Prenzlauer Berg. Früher wurden in dem Gebäude mal Hüte herstellt, nun gibt es alles Mögliche zu kaufen - außer Hüte.

Hinter den Bierkästen und neben dem Chipsregal zieht Wilhelm Will gerade eine Bohrmaschine aus dem Werkzeugverleihautomaten. Der Architekt wohnt in der Nähe und will einen Spiegel aufhängen. Früher, als er noch in einer Wohngemeinschaft gelebt hat, sei das kein Problem gewesen, erzählt er, da war irgendwie immer das passende Werkzeug da.

Aber jetzt komme ihm der Automat sehr gelegen. Der 24-Jährige ist auf toolbot.de angemeldet und leiht öfter mal Stichsäge, Schleifgerät oder Akkuschrauber aus, die er zum Bau von Modellen für das gerade abgeschlossene Studium benötigt. Auf der Webseite können die Werkzeuge ausgewählt werden, die dann innerhalb einer Stunde am Automaten abgeholt werden müssen.

Will nimmt noch einen Kaffee mit aus dem Spätkauf und macht sich ans Werk: keine zehn Minuten braucht er und der Spiegel hängt - schon kann er das Werkzeug zurück in den Automaten im Späti schieben.

Abgerechnet wird online: Will zahlt 1 Euro für die angefangene Stunde. 12 Euro kostet der ganze Tag. Klar, Will hätte sich das Werkzeug kaufen, von Freunden ausborgen oder in einem Baumarkt ausleihen können. Aber die Baumärkte sind weit weg und mit Bekannten muss man erst Termine machen. Der Spätkauf hingegen hat von morgens bis spät abends geöffnet.

In der Corona-Pandemie werden häufiger Werkzeuge ausgeliehen

Gerade zur Zeit der Corona-Pandemie werden die Toolbots häufig genutzt, erzählt Jan Gerlach, Erfinder der Automaten. Während der Ausgangsbeschränkungen würden viele Leute in ihren Wohnungen werkeln - oder müssten sich ihr Homeoffice einrichten. Die Neuanmeldungen seien nach oben geschossen. 

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Kreissäge, Bohrschrauber und -hammer, Stichsäge, Wärmebildkamera, Trenn- und Exzenterschleifer, Nutfräsmaschine und Dremel sind im Angebot. Blechschere, Hobel, Partikelzähler und vieles mehr sollen noch dazukommen. Handbücher zu den Geräten und Videos mit Kurzanleitungen gibt es auf der Website.

Die Idee hatte Gerlach 2013, als er eine Stichsäge brauchte. Beim Baumarkt am Stadtrand kostete ihn das 30 Euro pro Tag und er musste eine Kaution hinterlegen. Das war ihm zu kompliziert. 

Nicht jeder Mensch braucht eigenes Werkzeug

Zudem benötige nicht jeder Mensch eigenes Werkzeug, wenn dieses jederzeit günstig und nah zugänglich ist, meint er. Das Toolbot-Team denkt nachhaltig: Durch das Sharing-Konzept sei es möglich, professionelle Werkzeuge zu teilen, die sich jemand, der vielleicht dreimal im Jahr ein Loch bohren muss, nicht kaufen würde.

Wilhelm Will ist zufrieden: "Wie durch Butter." Der Spiegel hängt. 
Wilhelm Will ist zufrieden: "Wie durch Butter." Der Spiegel hängt. 

© Doris Spiekermann-Klaas

Zusammen mit vier anderen betreibt der gelernte Industriedesigner Gerlach die Automaten. Der Sharing-Gedanke sei in Berlin ohnehin angesagt: Autos, Fahrräder, Wohnungen - und nun auch Werkzeuge. Die hätten bei Toolbot eine gute Qualität, erzählt Gerlach, damit sie nicht so schnell kaputtgingen und wenn doch, dann vom Hersteller repariert würden, auch das sei nachhaltig.

Späti nimmt 500 Euro für die Aufstellung des Automaten

Gerlach ist zufrieden: Die Geräte würden nie beschädigt zurückgegeben. Er und sein Team warten täglich die drei Standorte: Im Späti „Daily Store“ am Hermannplatz in Neukölln, im „Ost-X“ in der Sonntagstraße 5 in Friedrichshain und im Hutfabrik-Späti.

Dort nimmt der Inhaber 500 Euro pro Monat für die Aufstellung des Toolbot. Es lohne sich, erzählt der Verkäufer. Die Leute würden nicht nur Werkzeug ausleihen, sondern auch gleich Zigaretten, Bier und Süßigkeiten kaufen. Ohnehin seien Spätis die besten Standorte, findet Gerlach. „Und die Späti-Infrastruktur in Berlin ist super.“ Auch U-Bahnhöfe seien denkbar.

Noch ist das Projekt in der Testphase. Das Team arbeitet daran, dass sich die Werkzeugkästen nach der Rückgabe selbst auf Vollständigkeit überprüfen - dann müssten sie nicht jeden Tag vorbeischauen und alles könnte online am Laufen gehalten werden. Auch planen sie kleinere Automaten als Ergänzung - für Sägeblätter zum Beispiel. Oder Zollstöcke. „Wie Süßigkeitenautomaten“, lacht Gerlach. 

Aber dazu fehlt momentan das Geld. Sie könnten sich vorstellen, mit Baumärkten zusammenzuarbeiten, um berlinweit Toolbots auf den Straßen aufzustellen. Die Testphase soll potenzielle Investoren von der Idee überzeugen. Gespräche werden bereits geführt, sagte Gerlach. Aber man müsse wohl die Zeit der Corona-Pandemie abwarten.

Wilhelm Will ist mit der Ausleihe des Akku-Bohrhammers jedenfalls zufrieden: „Wie durch Butter.“

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