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Im Augenblick nicht immer nur räumlich auf Distanz: Michael Müller (SPD) und Ramona Pop (Grüne).

© Fabian Sommer/dpa

Heftiger Schlagabtausch: Streit übers Klima stürzt Berliner Koalition in die Krise

Ein Jahr vor der Wahl wirkt Rot-Rot-Grün in Berlin vor allem zerstritten. Zählt der Schaden des jeweils anderen mittlerweile mehr als der gemeinsame Erfolg?

Einen Tag nach dem von Grünen-Spitzenvertretern als "Affront" gewerteten Scheitern eines Klimapakets im Senat erreicht die Stimmung in der Koalition einen neuen Tiefpunkt. Teilnehmer einer Sitzung des Koalitionsausschusses, zu der Vertreter von SPD, Linken und Grünen am Mittwochmorgen zusammen kamen, berichteten von einer "schwierigen und destruktiven" Atmosphäre.

Vor allem die Vertreter von SPD und Grünen seien "heftig aneinander geraten", hieß es hinterher. "Es hat ordentlich gekracht", sagte einer, der in der Vergangenheit schon an etlichen Sitzungen des Gremiums teilgenommen hat.

Im Zentrum der Auseinandersetzungen: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne). Letztere war zwar nicht persönlich anwesend, wurde aber von beiden Grünen-Landeschefs Nina Stahr und Werner Graf sowie Müller-Stellvertreterin Ramona Pop und Justizsenator Dirk Behrendt gegen den von der SPD erhobenen Vorwurf der fehlenden Beteiligung bei der Erarbeitung des Klimapakets verteidigt.

Müller und seine Genossen wiederum wichen nicht von ihrer Darstellung ab, Günther hätte die Klima-Positionen der Sozialdemokraten unbeachtet gelassen und das Paket deshalb wissentlich vor die Wand gefahren. Von "Nervosität bei den Grünen" und deutlichem Nachbesserungsbedarf am Entwurf der Senatorin war in den Reihen der Sozialdemokraten die Rede. "Eine grüne Keule" und "Reichenpaket" nannte ein führender SPD-Vertreter das tags zuvor gescheiterte Paket.

Grüne sehen Müllers Veto als "unprofessionelles Verhalten"

Vertreter der Ökopartei wiederum machten deutlich, dass Nachbesserungen aus ihrer Sicht nicht erforderlich seien. Die Staatssekretäre der SPD-geführten Senatsverwaltungen hätten den Entwurf mitgezeichnet. Dementsprechend sei die nun eingeforderte Beteiligung eingelöst und Zustimmung eingeholt worden. Das SPD-intern bereits am Montagabend angekündigte Veto Müllers im Senat bezeichneten die Grünen weiter als "Wahlkampfmanöver" und "unprofessionelles Vorgehen".

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Tatsächlich sorgte die Mitzeichnung der eigenen Senatsverwaltungen auch innerhalb der SPD für Klärungsbedarf. "Unsere Leute haben gepennt", räumte ein sozialdemokratisches Mitglied des Gremiums am Mittwoch ein. Die Mitzeichnung ohne Beachtung der Fraktionspositionen, die sich in dem Entwurf Günthers aus Sicht der SPD zu selten wiederfinden, sei ein Fehler gewesen, den es auszuwerten gelte.

Bei der SPD in der Kritik: die grüne Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther.
Bei der SPD in der Kritik: die grüne Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther.

© Fabian Sommer/dpa

Aus der Fraktion hieß es, hätte Günther nicht im Vorfeld der Verabschiedung offensiv mit den vorgesehenen Inhalten wie der Einführung einer City-Maut geworben, wäre das Paket möglicherweise sogar durchgegangen. Erst die offensive Pressearbeit der Senatorin hatte die Sozialdemokraten hellhörig gemacht - und das Paket schließlich gestoppt.

Behrendt düpiert die SPD, Günther kritisiert den Innensenator

Unklar ist, was die neueste Eskalation für die Koalition insgesamt bedeutet. Vertreter der an dem jüngsten Streit nur mittelbar beteiligten Linken erklärten, die Auseinandersetzungen zwischen SPD und Grünen würden das gesamte Bündnis lähmen. Das Verhalten der SPD erinnere an eine "Retourkutsche", hieß es aus der Linken. "Eskalationspunkt"  sei der von Justizsenator Dirk Behrendt erneut entfachte Streit um das Neutralitätsgesetz in der vergangenen Woche.

Aber auch die Kritik Günthers an SPD-Innensenator Andreas Geisel, nicht ausreichend Maßnahmen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit zu ergreifen, habe dem Koalitionsklima geschadet. Es sei dringend geboten, zu einer Atmosphäre zurückzukehren, "in dem Dinge wieder verhandelbar werden", hieß es weiter. Mehr als ein Jahr vor der Wahl müsse der Eindruck bekämpft werden, "dem anderen eins auszuwischen" sei wichtiger als die gemeinsame inhaltliche Arbeit.

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