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Würde es wieder tun. Farina Petring mit ihrem Sohn Aaron.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Hausgeburten: „Ich bin doch nicht krank“

Nicht jede Schwangere entbindet im Krankenhaus. Manche schätzen die Geborgenheit der eigenen Wohnung. Hier erzählt eine Mutter von ihren Erlebnissen.

Farina Petring (35) hat am 23. Juni 2014 ihr erstes Kind bekommen. Es war eine Hausgeburt – allerdings nicht unbedingt geplante. Unsere Autorin Anna Ilin hat Farina Petrings Erfahrungen aufgezeichnet.

In der sechsten Woche habe ich erfahren, dass ich schwanger bin – ein Wunschkind. Danach kümmerte ich mich ziemlich schnell um eine Hebamme. Ich fand sie in Silke Schmidt, einer Beleghebamme im St. Gertrauden Krankenhaus in Wilmersdorf, die auch Hausgeburten betreut. Wie wahrscheinlich die meisten Leute, mag auch ich Krankenhäuser nicht besonders, und dachte: Ich bin schließlich nicht krank, sondern bekomme nur ein Kind. Eine Freundin von mir hatte auch schon zu Hause entbunden und deshalb habe ich die Idee mit meinem Freund Adrian besprochen. Der fand eine Hausgeburt allerdings zu unsicher. Was ist, wenn doch etwas passiert und ein Arzt gebraucht wird?

Auch andere Freundinnen reagierten negativ. „Das kannst du nicht machen“ oder „Nachher machst du dir noch lebenslang Vorwürfe, wenn was schiefgeht“, hieß es. Unverantwortlich fanden sie es, außerhalb einer Klinik gebären zu wollen. Da ich selbst auch nicht hundertprozentig von einer Geburt im eigenen Schlafzimmer überzeugt war, einigten Adrian und ich uns darauf, möglichst lange zu Hause zu bleiben, aber dann für das Finale gemeinsam mit meiner Hebamme Silke ins Krankenhaus zu fahren. Mir war es auf jeden Fall wichtig, in keine große Klinik zu gehen, weil ich befürchtete, dass es dort sehr hektisch zugeht. Das St. Gertrauden schien perfekt, denn es ist eher klein und familiär und nur fünf Minuten Fußweg von unserer Wohnung entfernt. Außerdem wäre es mit meiner Hebamme ja ohnehin nur dort gegangen, weil sie ja dort arbeitet.

Ich wusste, dass mein Kind irgendwann in der Woche nach dem 20. Juni kommen sollte. Am 23. wachte ich nachts auf und wusste auch gleich: Jetzt gehen die Wehen los. Ich habe dann Adrian geweckt, und als die Wehen im zwölf-Minuten-Takt kamen, rief ich Silke an. Sie kam nach etwa einer Stunde dazu. In der Zwischenzeit wurden die Schmerzen immer heftiger. Dass die mit solcher Wucht kommen würden, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war ja gesund und stark und hatte auch schon mal Knochenbrüche und eine ausgekugelte Schulter. Da dachte ich: Da kann die Geburt ja nicht so viel schmerzhafter sein. Aber da lag ich so was von falsch.

Irgendwann meinte meine Hebamme, das wir in der nächsten halben Stunde aufbrechen sollten, um in die Klinik zu fahren. Aber zu dem Zeitpunkt wollte ich das nicht mehr. Wir wohnen im vierten Stock. Ich dachte, bevor ich jetzt das Treppenhaus zusammen schreie, bleiben wir lieber in unserer Wohnung. Ich wollte mir den Stress, ins Krankenhaus zu fahren, ersparen. Außerdem war ich mir trotz der Schmerzen sicher, dass es dem Kind und mir eigentlich gut geht. Adrian und ich haben dann noch ein bisschen diskutiert. Aber als auch Silke meinte, dass alles nach Plan laufe, war er einverstanden. Silke hat dann noch eine Kollegin dazu geholt, und während ich im Bad war, haben sie das Bett zum Schutz mit Plastikfolie ausgelegt. Es ging bei mir letztendlich wirklich schnell . Nach nur fünf Stunden lag mein Sohn auf meinem Bauch, bei einer Erstgeburt ist das eher ungewöhnlich schnell. Geboren habe ich ihn im Vierfüßler-Stand – das hatte ich mir vorher auch nicht so überlegt, sondern in dem Moment fühlte sich die Position am besten an.

Im Nachhinein bin ich froh, dass die Geburt zu Hause stattgefunden hat, auch wenn es wirklich schmerzhaft war. Als ich noch dachte, ich kriege das Kind im Krankenhaus, hatte ich zwar auch gesagt, dass ich auf keinen Fall eine PDA (Betäubung) möchte. Aber wer weiß, vielleicht hätte ich sie während der Geburt doch verlangt. So gab es die Möglichkeit gar nicht – und ich habe alles mitbekommen, ohne durch Drogen vernebelt zu sein.

Die Möglichkeit, schmerzstillende Medikamente im Krankenhaus zu bekommen, ist ziemlich verlockend. Trotzdem: Meinem Sohn geht es blendend, das zweite Kind ist schon unterwegs – und wir werden uns wie beim ersten spontan entscheiden, ob es zuhause oder im Krankenhaus zur Welt kommen soll. Die Hebamme wird natürlich die gleiche sein.

2011 (neuere Zahlen liegen nicht vor) kamen in Berlin 35 579 Babys zur Welt, davon vier Prozent außerhalb der Klinik. Von den 1424 außerklinischen Geburten fanden 80 Prozent in einem Geburtshaus statt, 18,3 Prozent als Hausgeburt und 1,7 Prozent in Hebammenpraxen. Im Herbst 2015 wurde ein Streit zwischen dem Hebammenverband und den Krankenkassen um Hausgeburten und Hebammenhonorare per Schiedsspruch beendet. Der Verband hat gegen diesen Schiedsspruch Klage eingelegt, weil er das Ende dieser Alternative zum Krankenhaus befürchtet. Die neuen Qualitätskriterien schreiben oft vor, dass ein Arzt hinzugezogen werden muss, der die letzte Entscheidung trifft. Der Hebammenverband geht davon aus, dass die meisten Ärzte aus Furcht vor Haftung künftig keine Zustimmung zur Hausgeburt geben werden. Auf www.berliner-hebammenliste.de kann man nach Hebammen suchen, die Hausgeburten betreuen. Infos zu Pro und Contra einer Hausgeburt auf www.familienplanung.de/schwangerschaft/geburt/geburtsort/hausgeburt/

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Farina Petring

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