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Traumhaus. Mendelsohns Projekt einer Fabrikerweiterung in Luckenwalde blieb ein Plan.

© Eyssen/Heimatmuseum Luckenwalde

Haus mit Hut: Unbekannte Architekturzeichnung Erich Mendelsohns entdeckt

In Luckenwalde sollte der Architekt eine Fabrik erweitern. Daraus wurde nichts.

In einer verstaubten Akte mit dem sperrigen Titel „Wirtschaftsarchiv und Altregistraturplan VEB Luckenwalder Hutfabrik Luckenwalde 1962“ vermutet man nicht unbedingt kulturhistorische Perlen, wird sie vielmehr gelangweilt zur Seite legen. Aber der lokale Arbeitskreis „Luckenwalde.Lebendig.Gestalten“ hatte nun mal ein spezielles Interesse, war mit seinem Stadtspaziergang zur Industriegeschichte der brandenburgischen Kreisstadt auf großen Zuspruch gestoßen, wollte dazu weiter forschen, fand schließlich im Heimatmuseum die alte Akte und darin tatsächlich auch die unwahrscheinliche Perle: eine unbekannte Architekturzeichnung Erich Mendelsohns. Mit dessen Namen verbinden in Berlin viele vor allem das Mossehaus in der Schützenstraße in Mitte und das Bauensemble am Lehniner Platz mit dem ehemaligen Universum-Kino, der heutigen Schaubühne. In Potsdam ist es der Einsteinturm und in Luckenwalde die ehemalige Hutfabrik Friedrich Steinberg, Herrmann & Co., ein Meisterwerk der expressionistischen Baukunst, mit einem hutähnlichen Dach als markantem Detail.

Die Zeichnung ist auch ein Zeugnis der Wirtschaftsgeschichte

Die Entdeckung der kolorierten, etwa 27 mal 37,5 Zentimeter großen Zeichnung wurde kürzlich vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege publik gemacht. Sie ist zugleich ein Zeugnis für die Wirtschaftsgeschichte Luckenwaldes, das sich Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der deutschen Hutfabrikation entwickelt hatte, und zeigt ein unverwirklicht gebliebenes Bauprojekt Mendelsohns, dessen Pläne aber in die der später gebauten Hutfabrik eingeflossen sein dürften. Der aus Ostpreußen stammende Mendelsohn hatte zeitweise an der damaligen Technischen Hochschule in Charlottenburg studiert und Ende 1918 in Berlin ein eigenes Büro eröffnet. Er war mit dem Luckenwalder Hutfabrikanten Gustav Herrmann befreundet, der ihm um 1920 den Auftrag für eine Erweiterung seiner Fabrik in der Potsdamer Straße erteilte. Die Zeichnung ist ein Entwurf dieses Projekts, man erkennt einen langgestreckten dreistöckigen Bau mit horizontalen Fensterreihen, überragt von zwei gedrungenen, turmähnlichen Gebäudeteilen.

Diese waren für die Städtische Bauverwaltung, warum auch immer, nicht genehmigungsfähig, wie der um eine Bewertung der Zeichnung gebetene Brandenburgische Landeskonservator Thomas Drachenberg herausfand. Auch lehnte die Behörde den bei einer Erweiterung nötigen Abriss von Wohnhäusern ab. Der Bauantrag sei am 18. Mai 1929 eingereicht worden. In den noch vorhandenen Bauakten im Archiv des Landkreises finde sich ein ganzes Konvolut von Zeichnungen Mendelsohns zu der geplanten Fabrik. Die bislang unbekannte Zeichnung zeige den Stand vor den Einwänden der Bauverwaltung.

Die später entstandene Hutfabrik ist ein Baudenkmal

Aus dem Projekt in der Potsdamer Straße wurde also nichts, anders als aus der heute berühmten und denkmalgeschützten ehemaligen Hutfabrik in der Luckenwalder Industriestraße. Die Bauverwaltung hatte auf einen Neubau in dem gerade erschlossenen Industriegebiet gedrängt, der aber erst durch eine Fusion der Firma Herrmann & Co. mit dem Konkurrenten Friedrich Steinberg finanzierbar wurde.

Ein Zufall wie bei der Entdeckung der Zeichnung hatte bereits zu ihrer Rettung geführt. Als die ursprüngliche Fabrik der Firma Steinberg abgerissen werden sollte, rettete der Leiter des Heimatmuseums, Roman Schmidt, einen Karton alter Akten, die aber unbearbeitet stehen blieben und erst jetzt von den wissensdurstigen Mitgliedern Arbeitskreises durchforscht wurden. Die Zeichnung soll in der ständigen Ausstellung des Museums präsentiert werden.

Testbauten für den Luftkrieg gegen Deutschland

Die Firmenfusion sollte die nächsten Jahrzehnte nicht überstehen. Die Familie Herrmann verließ 1933 Deutschland. Auch Erich Mendelsohn emigrierte kurz nach Hitlers Machtergreifung. 1943 beteiligte er sich auf dem Waffen-Testgelände „Dugway Proving Ground“ südwestlich von Salt Lake City am Bau einer Siedlung, die bei den US-Militärs kurz „German Village“ genannt wurde. Unterlagen finden sich in seinem Nachlass nicht, das Projekt war ja auch streng geheim, diente der effektiveren Bombardierung deutscher Städte. Ob der Architekt je selbst vor Ort war, wird von US-Wissenschaftler bezweifelt. Aber mitgewirkt hat er: „1943 berät Mendelsohn das amerikanische War Department, das den Luftkrieg gegen Deutschland vorbereitet“, heißt es beim „Erich Mendelsohn Archiv“.

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