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Im Studioalltag kommt es nicht aufs Design an: Monitorlautsprecher für Profis – wie hier bei Adam Audio in Adlershof – sind schwarz und eckig.

© promo

Hauptstadt der professionellen Audiotechnik: Der Klang kommt aus Berlin

Die Rolling Stones benutzen Neumann-Mikrofone aus Berlin. Neben der Traditionsfirma gibt es weitere weltberühmte Hersteller in der Stadt. Ein Besuch.

Es war ein großer Abend am 18. Januar 2020 im kalifornischen Anaheim. Zum 35. Mal wurden die „Tech Awards“ verliehen, die Oscars der professionellen Audiotechnik und Soundproduktion.

Joni Mitchell und Herbie Hancock sahen zu, dazu die komplette Creme der Branche. Auch aus Berlin waren Firmenvertreter angereist, unter ihnen ein Mitarbeiter von Neumann-Audio. Triumph: Der erste Kopfhörer, den die für ihre Mikrofone berühmte Firma auf den Markt gebracht hat, trug sofort den Sieg in seiner Kategorie davon. Knapp dahinter: Ein Kopfhörer von Adam Audio – Sitz ebenfalls Berlin.

Die Stadt muss ihre Bedeutung den Tonmeistern in den USA nicht groß erläutern, sie hat schlicht Weltgeltung.

Besonders Neumann, 1928 in Berlin gegründet, gilt als Ikone, es gibt Fotos der charakteristischen Mikrofone mit Weltstars von Frank Sinatra abwärts, auch die Rolling Stones benutzen sie.

Wer ein professionelles Tonstudio ohne Neumann-Mikrofone finden will, der muss lange suchen.

Doch im Schatten dieser Legende und des fast ebenso berühmten Berliner Herstellers Burmester, der ausschließlich Heimgeräte und Autoausrüstungen liefert, blüht eine kleine Szene von international bedeutenden Unternehmen, übrigens auch einige, die den Weltmarkt für Soft- und Hardware für Musiker dominieren, um den es hier nicht gehen soll.

Die Firma Teufel wurde von einem besessenen Bastler gegründet

Den größten Aufstieg hat eine längst stadtbekannte Firma hinter sich: Teufel. Gegründet wurde sie 1979 vom besessenen Bastler Peter Tschimmel, der mit seinen Bausätzen jede bessere WG ausrüstete, aber rechtzeitig auf Fertigboxen umstieg und früh den Trend zum Heimkino und zur Surroundtechnik erkannte. 2006 verkaufte er an einen Finanzinvestor, die Firma wuchs mit frischem Geld und baute den direkten Online-Vertrieb aus, der seit einigen Jahren durch eigene Läden ergänzt wird.

Der Flagship-Store im Bikini-Haus war nur der Anfang.

Der von draußen bescheiden wirkende Shop zeigt nur einen kleinen Teil der Firma. Hier und in mehreren Büroetagen rund um den Breitscheidplatz sind rund 260 Mitarbeiter untergebracht, und im Keller – einst Standort des Clubs „Linientreu“ – stecken Vorführräume, in denen speziell die Heimkinoanlagen ihre ganze Wucht zeigen können.

Teufel, einst als Hersteller billiger Krachmacherboxen beargwöhnt, hat längst einen tadellosen Ruf in der gehobenen Hifi-Szene und versucht gerade, mit einem modularen Lautsprecherkonzept auch kleinere Club-Bühnen zu erobern; den Profi-Kernmarkt überlässt man anderen.

Produziert wird auch in China

Generell sieht sich Teufel aber, wie Geschäftsführer Sascha Mallah sagt, als „Volkswagen und nicht Mercedes der Branche“, Beleg: Die Box Ultima 40 gilt als meistverkaufter Lautsprecher in Deutschland.

Wegen des Preisdrucks wurde die reine Produktion schon vor vielen Jahren nach China verlegt, wo auch ein paar Dutzend Teufel-Mitarbeiter stationiert sind. Vom kleinen Bluetooth-Lautsprecher bis zum großen Heimkino beherrscht man alle Größenordnungen und hat sich längst auch mit Kopfhörern und anderen Peripheriegeräten einen Namen gemacht. Ein großes Thema sind TV-Soundbars, die zunehmend das große Multikanal-Setup ersetzen.

Ganz und gar an Ort und Stelle handgemacht sind dagegen die Geräte der winzigen Tegeler Audio-Manufaktur. Inhaber Michael Krusch, ein gelernter Toningenieur, fand heraus, dass er bestimmte Geräte für die Studioausrüstung billiger und besser selbst bauen konnte. 2005 machte er eine Firma draus, die heute neun Mitarbeiter und zwei Bürohunde hat und seit einem halben Jahr in der Einflugschneise des Flughafens residiert. „Der stört uns nicht“, sagt er, „im Gegenteil, wenn der hier geschlossen wird, steigen die Mieten, das steht schon so im Vertrag“.

Die Tegeler Geräte werden von legenderen US-Toningenieuren eingesetzt

Krusch fertigt ausschließlich professionelle Studioausrüstung, darunter zwei Geräte, die die Namen „Schwerkraftmaschine“ und „Raumzeitmaschine“ tragen, kurz „Schwerzy“ und „Raumzy“. Das eine ist ein Kompressor, den Tonmeister beim Aufnehmen für Veränderungen der Originallautstärke nutzen und beim Mastering: dem Schritt zwischen der Abmischung einer Produktion und der finalen Version für Streaming oder Pressung auf CD oder Vinyl.

Das andere ist ein mit Röhren ausgestatteter Hallgenerator. Die Namen klingen ulkig, sollen aber das Marketingargument „Made in Germany“ stützen, das in der Szene nach wie vor einen gewaltigen Klang hat – die Tegeler Geräte werden von legendären, mit Grammys überhäuften US-Toningenieuren wie Al Schmitt und Bill Schnee eingesetzt.

Krusch setzt konsequent auf althergebrachte Analogtechnik, verwendet sogar Röhrenstufen, weil er wie viele Profis findet, dass der Klangeindruck damit plastischer, natürlicher wirkt.

Der Versuchung, die Firma mit Investorengeld aufzumuskeln, hat er bislang widerstanden. Er meint, Wachstum stecke vor allem in der Persönlichkeit: Einen kräftigen Schubs hat er der Firma mit der Idee gegeben, Geräte für 30 Tage unentgeltlich zur Probe auszuleihen. Und außerdem produziert er selbst Techno-Musik damit.

Die teuerste Lautsprecherlinie wird in Berlin gefertigt

Die Lautsprecher in Kruschs Vorführstudio aber kommen von Adam Audio in Adlershof. Eine andere Größenordnung: Hier stellen rund 60 Mitarbeiter ausschließlich Studio-Monitore her, kistenförmige Boxen, die im Klang nicht „wohnraumfreundlich“ abgestimmt sind, sondern so neutral wie möglich – Arbeitsgeräte für Tonmeister eben.

Adam hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Die Firma wurde in den Neunzigern vom Sound-Guru Klaus Heinz gegründet, der aber mit einem Seitensprung auf den Markt teurer Heimlautsprecher in die Pleite rauschte. 2014 wurde das Unternehmen von einem Finanzinvestor gerettet und wieder auf die Studioschiene zurückgeführt; heute gehört es dem britischen Studioausrüster Focusrite, benutzt werden Adam-Boxen unter anderem von Paul McCartney und Alan Parsons.

Adam bietet derzeit drei Lautsprecherlinien an. Die teuerste wird komplett in Berlin gefertigt, die mittlere zum Teil; die preisgünstigste dagegen ganz und gar in Asien.

Das Herzstück aller Adam-Lautsprecher kommt aus Adlershof

Das Herzstück aller Adam-Lautsprecher, der nach dem Prinzip des „Air Motion Transformer“ gefertigte Hochtöner, kommt allerdings auf jeden Fall aus Adlershof: Die diffizile Faltung und Montage der Membran liegt in den Händen erfahrener Mitarbeiterinnen.

Auf der Seite der Musik, ohne die die Geräte natürlich nichts wert sind, spielt Berlin eher eine Nebenrolle, als Ort bekannter Tonstudios. In einem Büro auf einem Moabiter Gewerbehof findet sich eine Ausnahme: Hier betreiben die Brüder Lothar und Frank Kerestedjian den Streamingdienst „Highresaudio“. Das Prinzip ist von Spotify bekannt und wird auch vom Berliner Klassikspezialisten „idagio“ bedient, Leih-Musik auf Abruf. Highresaudio liefert aber ausschließlich Musikdateien, die qualitativ über CD-Niveau liegen und damit den Klang so liefern, wie er im Studio produziert wurde.

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Dies ist ein Nischenmarkt, weil er sehr hochwertige Heimgeräte und gute Ohren voraussetzt, aber er ist nicht unumkämpft, weil auch die Großen Appetit bekommen haben. „Unser eigentlicher Konkurrent ist Qobuz“, sagt Technik-Chef Frank Kerestedjian, der französische Streaming-Riese bietet ebenfalls High-Res-Dateien im Abo an. „Die setzen uns zu mit ihren Dumping-Preisen.

Aber wir sind die einzigen, die jedes Album, das uns angeboten wird, durchchecken, um zu sehen, ob es wirklich die versprochene Qualität hat“. Angefangen hat Highresaudio mit dem Verkauf einzelner Musikdateien per Internet, der immer noch den Löwenanteil des Geschäfts ausmacht.

Die Firma Neumann gehört zur Kopfhörer-Weltmacht Sennheiser

Zurück zu Neumann. Das Traditionsunternehmen, das zur Kopfhörer-Weltmacht Sennheiser in Wedemark bei Hannover gehört, liefert neben den Mikrofonen und dem eigenen Kopfhörer auch Studiomonitore – es handelt sich um das Erbe der Firma Klein & Hummel, die von Sennheiser 2010 übernommen wurde. Typisch Neumann: Für alle Mikrofone seit 1945 sind Ersatzteile immer noch verfügbar.

Oft muss das Berliner Entwicklerteam daher grübeln, um ausgestorbene Teile durch neue zu ersetzen, ohne dass sich der Klangcharakter ändert.

Hergestellt allerdings wird das Neumann-Programm schon lange nicht mehr in Berlin, sondern in Wedemark. Wäre da nicht ein kompletter Umzug sinnvoller? „Auf keinen Fall“, sagt Firmensprecher Mark Fölsener, „die Kunden würden das nicht zulassen, für sie ist Neumann Berlin.“ Aktuelles Zeichen: Im Februar tritt der neue Geschäftsführer an, der Münchener Ralf Oehl, ein Spezialist für die geschäftliche Weiterentwicklung bestehender Unternehmen.

Sein Konferenzraum liegt in der Glaskuppel des WMF-Hauses hoch über der Leipziger Straße – in Berlin ganz oben.

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