zum Hauptinhalt
Charlie Watts (r.) mit Keith Richards 2018 beim Auftritt der Rolling Stones im Olympiastadion.

© Tobias SCHWARZ / AFP

Hans-Walter Römer betreute die Band bei Konzerten: Berliner Arzt erzählt von seiner Arbeit mit den Rolling Stones

Bei Berlin-Gigs war Hans Walter Römer der örtliche Tour-Arzt. Mit ihrem verstorbenen Drummer Charlie Watts und dessen Hund ging er im Olympiagelände spazieren.

Hans-Walter Römer saß auf seinem Stuhl, umgeben von Tischen mit leckerem Büfett, Blumentöpfen und herumwuselnden Menschen, es war genug Abwechslung und Leben damals, Backstage, hinter der riesigen Bühne im Olympiastadion. Aber der Allgemeinmediziner langweilte sich. Er hatte nichts zu tun, er hing einfach nur herum an diesem 15. Juli im Jahr 2003.

Da trat ein älterer weißhaariger Mann mit hageren Gesichtszügen und muskulösen Oberarmen auf ihn zu. An der Hand hatte er die Leine, mit der er seinen kleinen Hund führte. In vornehmen, fast aristokratischen Englisch fragte der Senior den Mediziner Römer: „Hast du Lust, mit mir und meinem Hund einen Spaziergang zu machen?"

Selbstverständlich hatte Römer Lust, das war ja nun mal eine nette Abwechslung. Und so wanderte der Allgemeinmediziner Römer mit Praxis in Kreuzberg zusammen mit Charlie Watts, dem Drummer der Rolling Stones, über das Olympiagelände.

Sie redeten über Berlin, was so abgeht in der Stadt, Watts schilderte seine Eindrücke, ein netter Plausch, Smalltalk, ganz entspannt. „Es war nichts Besonderes“, sagt Römer heute. Ein paar Stunden später trommelte Watts vor vielen Tausend Fans.

Sieben Konzerte gaben die Stones seit 1995 in Berlin, bei allen war Römer der örtliche Tour-Arzt der legendären Band aus London, zuletzt 2018. Jetzt ist Charlie Watts tot, gestorben vor wenigen Tagen, 80 Jahre alt, Opfer einer Krankheit, die nicht im Detail bekannt ist.

Römer, 13 Jahre jünger als Watts, hat die Nachricht natürlich ein Stück weit emotional mitgenommen. „Schade“, sagt er, „jetzt hat es die nächste Band getroffen, die man als Fan verfolgt hat.“ Aber er trennt die Rollen, Fan und Arzt. Römer hat Dutzende Tickets von Konzerten aufbewahrt, die er verfolgt hat, „Sympathy for the devil“ ist sein Lieblingssong der Stones, aber die Bandmitglieder, also auch Charlie Watts, hat er immer als Teil seines Jobs betrachtet. Er war der Arzt, die anderen waren Patienten.

Der lokale Veranstalter buchte seit 1995 für Stones-Konzerte immer Römer

Aber es war doch auch mitunter mehr. Denn der lokale Veranstalter bestellte seit 1995 immer Römer, wenn die Stones in Berlin waren. Der Mediziner war 1989 erstmals für ein Konzert in Berlin als örtlicher Arzt gebucht worden. „Ich habe meine Arbeit wohl gut gemacht“, sagt er. So wurde auch der Veranstalter auf ihn aufmerksam, der für die Stones arbeitete.

Der Berliner Arzt Hans-Walter Römer.
Der Berliner Arzt Hans-Walter Römer.

© privat

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Sie hatten immer ein entspanntes Verhältnis zueinander, der Arzt und die Musiker. „Hi, I’m Charlie“, so begrüßte der Drummer den Mediziner, auf die gleiche Weise stellten sich die anderen vor, Mick Jagger, Keith Richards, Ronnie Wood. „Da gab es kein Superstar-Gehabe“, sagt Römer. „Die haben sich ganz normal benommen. Ansonsten wäre ich nach Hause gegangen.“

Er blieb, ein entspannter Job. Er darf nicht über die Probleme seiner Patienten reden, das Arztgeheimnis, nur so viel: Nie habe es einen ernsthaften Vorfall gegeben. Er war ja für die ganze Crew zuständig, und im Bedarfsfall setzte er eine Spritze. Allerdings behandelte er die Stones immer im Bühnenbereich, nie in ihrem Hotel.

Eine Managerin fragte ihn, ob er die Band auf einer Europa-Tournee begleiten wolle

Die Zusammenarbeit lief so gut, dass eine Stones-Managerin ihn fragte, ob er die Band auf ihrer Europatournee begleiten wolle. „Ich habe sofort abgelehnt“, sagt Römer. „Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Ich konnte doch nicht wochenlang meine Praxis zumachen.“ Dafür aber stand er in Berlin immer für die Band bereit. „Wir haben uns gefreut, wenn wir uns gesehen haben“, sagt Römer. Zu tiefschürfenden Gesprächen freilich kam es nie, Römer konzentrierte sich auf seinen Job.

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Polizei- und Sicherheitsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Finanziell bewegten sich seine Dienste im überschaubaren Rahmen. „Ich habe nach der ärztlichen Gebührenordnung abgerechnet.“ Allerdings zu einem Satz, der anders lag als für Normalbürger. Doch die lokalen Veranstalter achteten gleichwohl genau aufs Geld. Römer kennt den Fall einer Ärztin, die bei einem Konzert in Düsseldorf so viel verlangte, dass ihre Forderung sofort abgeschmettert wurde.

Römer hat in Berlin alle Größen der Rockmusik betreut, meist mochte er ihre Songs, aber er hatte eine klare Grenze gezogen, um zu demonstrieren, dass er hier nur der Arzt war. „Ich habe nie einen Musiker um ein Autogramm gebeten“, sagt der 67-Jährige. „Phil Collins kam mal nach dem Konzert und hat ein Bild von sich gebracht, auf dem stand: ,Thanks to Doc Jacky for taking care of me and my group’. Leider wurde dies Bild aus meiner Praxis gestohlen.“

Zur Startseite