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Gruselig verkleidet feiern Kinder Halloween. In diesem Jahr fallen die meisten Partys coronabedingt allerdings aus.

© Arne Dedert/dpa

Halloween unter Corona-Auflagen: „Unser Geschäft ist so gut wie tot“

Verkleiden und dann zu Hause bleiben? Wie Berliner Kostümgeschäfte mit dem Halloween-Fest unter Corona-Auflagen umgehen.

Sie würde sich an Halloween am liebsten wie zu viktorianischer Zeit kleiden, sagt Suza Hildebrand-Potthoff. Das heißt: Bluse und Rock mit Schnürungen oder Rüschen, darüber eine Art Mantel aus Samt. Dazu gehören mittlerweile auch sogenannte Steam-Punk-Elemente, etwa Accessoires aus Duschschläuchen oder Zylinder mit Schweißerbrillen auf der Krempe. 

„Alles kann nach Herzenslust kombiniert werden“, schwärmt die Inhaberin des Kostümgeschäfts „Schnick Dee“ in Schöneberg.

In ihrem Fundus von rund 3.000 Kostümen finden sich zahlreiche solcher Teile. Allein fürs Halloween-Fest bietet sie auf ihrer Homepage rund 30 verschiedene Gewänder an – und das seien bei Weitem noch nicht alle. Nur: Sie werden aktuell kaum angefragt.

Wie viele Menschen dem Brauch aus dem USA in diesem Jahr hierzulande folgen werden, ist ungewiss. In Bayern hat Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) bereits zum Verzicht aufgerufen. In Berlin werden die Corona-Auflagen derzeit laufend verschärft. 

Im öffentlichen Raum gilt jetzt auch auf Märkten, in Warteschlangen und auf zehn belebten Einkaufsstraßen Maskenpflicht. In geschlossenen Räumen dürfen nur noch zwei Haushalte oder sechs Menschen zusammenkommen, im Freien höchstens 25.

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„Corona verdirbt den Leuten in diesem Jahr den Spaß an Halloween“, sagt Wolf Ehrhardt. Er führt den Kostümverleih „Wildberlin“ in Kreuzberg. Ob nun Dracula oder Superzombie – die aufwendigen Kostümierungen lohnten sich für viele nicht, um darin nur zu Hause und mit wenigen Menschen zusammen herumzusitzen.

Ob die Masken sich aber im Freien nicht wunderbar auch als Mund-Nase-Schutz qualifizierten? Ehrhardt winkt ab. „Erwachsene finden solche Kostümmasken für eine Mottoparty meistens schlecht“, führt er aus. „Wie sollte man damit auch knutschen, reden, tanzen?“

Besonders gefragt bei jenen, die sich trotz allem verkleiden, seien dieses Jahr Verkleidungen als Wikinger, Horrorclown – und als Polizist. „Das ist aber keine echte Uniform“, stellt Ehrhardt klar.

Hildebrand-Potthoff: „Unser Geschäft ist so gut wie tot“

Wegen der sich rasant verbreitenden Corona-Fälle hat die Party-Hauptstadt an vielen Orten wieder aufgehört zu feiern. Die Kostümverleihe bekommen das deutlich zu spüren. Hildebrand-Potthoff berichtet, sie habe bisher nur ein Zehntel dessen umgesetzt, was in der Herbstsaison sonst üblich sei. 

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Die meisten ihrer Kunden hätten sich gerne für Anlässe wie das Oktoberfest in München eingekleidet. Als das Fest ausfiel, blieben auch die Anfragen nach den Dirndln und Lederhosen aus. Zwar kamen Kunden nach dem Lockdown langsam wieder vorbei. „Seit der Einführung der Sperrstunde ist damit aber auch wieder Schluss“, sagt Hildebrand-Potthoff. 

Alkolholverbot mit Signalwirkung

Das Alkoholausschankverbot nach 23 Uhr müsse eine Art Signalwirkung entfaltet haben, vermutet die 58-Jährige. Menschen hätten schließlich den Ernst der Lage erfasst und zu Recht aufs Partymachen verzichtet. „Unser Geschäft ist dadurch aber so gut wie tot.“

Dabei hatte manches Kostümgeschäft auch Glück. Vor der Pandemie bestritt „Wildberlin“ nach eigenen Angaben rund ein Viertel seines Umsatzes mit Anfragen für Filme, Werbung und Musikclips. Auf drei Etagen und rund 350 Quadratmetern stellt Ehrhardt den Fernseh- oder Musik-Produzenten allerhand historische Kostüme zur Verfügung, die bis in die Goethe-Zeit zurückreichen, wie er mit Stolz angibt. Die Nachfrage danach sei in diesem Jahr sogar gestiegen. „Wegen Corona hocken Menschen mehr vor dem Fernseher.“

Doch auch Ehrhardts Umsatz sei insgesamt zu einem Großteil weggebrochen. Während der drastischen Maßnahmen im Frühjahr hätte sein Laden ohne die Corona-Hilfen der Regierung und die Unterstützung des Vermieters, der die Ladenmiete gestundet hatte, schlicht nicht überlebt, sagt der 59-Jährige. „Da muss man auch mal wirklich Danke sagen.“

 Wolf Ehrhardt ist Inhaber des Kostümverleihs "Wildberlin". 
 Wolf Ehrhardt ist Inhaber des Kostümverleihs "Wildberlin". 

© A. Schwarz/privat

Der Umsatz mit „Gruselware“ in Deutschland lag nach Angaben des Verbandes der Spielwarenindustrie vor rund fünf Jahren bei mehr als 27 Millionen Euro. Das jährliche Volumen übersteige mittlerweile 50 Millionen Euro deutlich, schätzt der Geschäftsführer des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie, Ulrich Brobeil. „Dieses Jahr dürfte für die Branche allerdings herausfordernd werden“, sagt er.

Kostümverleihe stellen sich für Halloween auf Neues um

Ehrhardt will nun die Corona-Zeit nutzen, um sich auf neue Angebote zu verlegen. Besonders beliebt seien derzeit Indoor-Fotoshootings im barocken oder weihnachtlichen Stil.

Zum Halloween-Fest bietet er einen „Black Sale“: Wer will, kann Kleidung nicht nur leihen, sondern auch kaufen. Dazu gehören auch Melonen, Zylinder oder weiteren Kopfputz – alles, passend zum Motto, in Schwarz. 

Zudem will er eine Comedy-Serie starten. Darin stellt Ehrhardt selbst „Elvis, den Propheten“ dar – eine Art Berater aus der Nachbarschaft, sagt er und lacht. Er hat bereits 20 kurze Folgen dafür gedreht. An Halloween will er nun die erste auf seinem Instagram-Kanal hochladen.

Auch Hildebrand-Potthoff hat bereits auf Neues umgestellt. An Halloween können sich ihre Kunden ein Kostüm auch nur für ein Foto ausleihen. Damit werden sie vor einer eigens dafür gebauten Gruselkulisse abgelichtet, die aus einem grauen, nebligen Wald besteht, mit blutrotem Boden und Schwedenfeuer. 

Zudem will sie die Alltagsmasken ihrer Kunden auf Wunsch mit Kunstblut überschminken. Und für jedes geliehene Kostüm soll es in der „Jansen Bar“ nebenan einen Gratis-Cocktail geben. „Wer vorbeikommt, kann so den Tag ein wenig zelebrieren“, sagt sie. „Wir wollen den Menschen etwas von der Leichtigkeit vor Corona zurückgeben.“

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