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Verantwortungsvolle Konsumenten. Das wünscht sich Share-Gründer Sebastian Stricker.

© Gerd Nowakowski

Haferdrinks für Brunnenprojekte: Ein Berliner Start-up spendet mit jedem verkauften Produkt

Das Sozialunternehmen Share unterstützt Entwicklungshilfeprojekte in Ländern wie Uganda oder Somalia. Die Belegschaft engagiert sich bei der Berliner Tafel.

„Konsum, der die Welt besser macht“, sagt der Mann im grauen Hoodie. Das ist seine Vision. Hört sich ganz schön schräg an für einen Unternehmer. Doch der 38-jährige Sebastian Stricker, der da in der großen Belegschaftsküche im vierten Stock eines Kreuzberger Gewerbehofes sitzt, weiß, wovon er spricht. Schließlich schreibt das Sozialunternehmen share, das er 2017 gegründet hat, eine enorme Erfolgsgeschichte.

In der Fabriketage wurden gerade erst neue Flächen gemietet, um die schnell wachsende Belegschaft unterzubringen. Rund 60 Menschen arbeiteten vor einem Jahr für share, jetzt sind es schon nahezu 100 Beschäftigte.

„Die Stunde ruft, nutze die Zeit“, der in Stein gesetzte Satz rahmt die Uhr an der Fassade des historischen Fabrikgebäudes ein. Dem schlacksigen, hochgewachsenen Stricker, dessen österreichische Herkunft man hört, braucht man dies nicht zu sagen. „Das wichtigste Ziel ist es, sozialen Nutzen zu generieren“ – wieder so ein Satz, den normale Unternehmer wohl kaum so formulieren würden.

Bei share sagt man: Teilen macht die Welt besser. Mit jedem Produkt, das Kunden in Deutschland kaufen, wird das gleiche Produkt oder ein äquivalenter Gegenwert für Entwicklungsprojekte in diversen Ländern wie Uganda, Somalia, Kolumbien oder Nepal gespendet.

Kaufe einen Müsliriegel – und spende eine Mahlzeit. Kaufe eine Wasserflasche – und sichere einem Menschen einen Tag sauberes Trinkwasser. Oder erwirb eine Handseife – und unterstütze woanders bessere Hygienebedingungen und zugleich Arbeitsplätze in Pakistan, wo ein lokaler Partner Seife für den heimischen Markt herstellt.

Beim Verkauf von Toilettenpapier wird für Latrinenbau gespendet

Mit diesen drei Produkten fing es an. Jetzt sind schon nahezu 100 im Handel. „In zwei, drei Jahren werden wir 1000 Produkte anbieten“, ist Sebastian Stricker überzeugt. Beim Verkauf des Share-Toilettenpapiers wird für den Latrinenbau gespendet. Seit einiger Zeit gibt es auch Schreibwaren – von nachhaltig produzierten Heften bis Stiften aus recycelten Materialien. Mit jedem gekauften Produkt werde eine Schulstunde finanziert. Und mit dem Gegenwert für den Haferdrink werden Brunnenprojekte finanziert.

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Das sind keine leeren Worte. Share arbeitet mit der „Aktion gegen den Hunger“, der Welthungerhilfe oder dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zusammen, um jeweils das „1+1-Produkt“ zu finden. Ein QR-Code auf den Produkten lässt die Käufer:innen verfolgen, wo auf der Welt ihr Kauf den Menschen hilft. Daneben setzt share bei den Produkten auf Nachhaltigkeit und Ökologie, etwa mit Mineralwasser mit Flaschen aus recyceltem Plastikmüll, bei Lebensmitteln auf Bioqualität, oder insgesamt auf faire Produktionsbedingungen bei der Herstellung.

Außerdem arbeitet Share etwa im Versand mit Mosaik zusammen, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Zuweilen sei es nicht so einfach, das passende Produkt zu finden, erzählt Laura Kauczynski. Bei der Suche nach der Unterstützung, die passt, hilft der Kontakt mit den lokalen Partnern.

In Nord-Uganda stellte man fest, dass share nicht Schulstunden und Lehrer finanzieren musste. Die Kinder kamen vielmehr nicht zum Unterricht, weil sie keine Hefte und Stifte hatten und die älteren Mädchen blieben weg, weil ihnen Menstruationsprodukte fehlten. Jetzt gibt es beides.

„Das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit steigt bei Konsumenten“

Laura Kauczynski ist erst seit kurzem dabei. Sie habe den „Wunsch gehabt, etwas Sinnvolles zu tun“, erzählt sie. Dass die Arbeit wohl mehr ist als ein Job, gilt wohl für die meisten „sharies“, von denen etliche seit Beginn dabei sind. „Es hat etwas Mitreißendes“, sagt die junge Frau, „wenn alle Mitarbeiter:innen eine Vision teilen.“

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Vision allein reicht nicht, es braucht auch die genutzte Stunde. „Das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit steigt bei Konsumenten“, ist Sebastian Stricker überzeugt. Das zeigten auch Studien. Auch Unternehmen sei das bewusst.

Share ist auch deshalb so erfolgreich, weil es vom Start weg gelang, mit der Supermarktkette Rewe oder den DM-Drogeriemärkten zwei deutschlandweit agierende Partner überzeugt zu haben. Allein Rewe hat mehr als 5000 Filialen in Deutschland.

Jüngst war share auch bei einer Finanzierungsrunde erfolgreich, um das weitere Wachstum abzusichern, erzählt Stricker. Er arbeitete früher bei der UN-Welternährungsorganisation in Rom und gründete dann die erfolgreiche Sozial-App ShareTheMeal. Für jedes eigene Essen spenden die Nutzer 70 Cent für eine zweite Mahlzeit.

Den Mitarbeitern ist bewusst, dass es Armut nicht nur in anderen Ländern, sondern auch in Deutschland gibt. Immer wieder engagieren sie sich auch selbst – etwa seit Jahren mit Arbeitseinsätzen bei der Berliner Tafel.

Im Corona-Jahr 2020 konnten Käufer:innen bei Rewe zwei Wochen lang beim Kauf eines Share-Produkts wie Nudeln, Reis, Mehl, Schokolade oder auch Toilettenpapier zugunsten der 95 Tafeln in Deutschland spenden. Insgesamt habe man in den vergangenen zwei Jahren bereits 1,5 Millionen Mahlzeiten für die Berliner Tafel finanziert, heißt es.

„Gemeinsame Sache“: Hilfe für die Berliner Tafel

Auch an den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“ werden die „sharies“ der Berliner Tafel im Großmarkt beim Transport helfen, Lebensmittel sortieren oder zu den Verteilstellen ausfahren.

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An Ideen mangelt es nicht. Im vergangenen Winter verkaufte share über die DM-Drogeriemärkte Schals und Mützen, mit denen gleichzeitig ein Exemplar des wärmenden Produkts an ein von Armut bedrohtes Kind in Deutschland gespendet wurde. Mehr als 30.000 Mützen wurden verkauft.

Im kommenden Herbst gibt es die Aktion „Brot gegen Not“, bei der zwei Wochen lang der gesamte Erlös der share-Nahrungsprodukte für die Tafeln gespendet wird, erzählt Stricker. „Man kann die Leute nicht zwingen, etwas Gutes zu tun“, sagt der share-Gründer. Aber man kann ihnen die Gelegenheit dazu geben. Ein offenbar höchst erfolgreiches Angebot.

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