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Der Baustadtrat vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne).

© Tsp/Kitty Kleist-Heinrich

Häuserkampf in Berlin: Baustadtrat Schmidt verteidigt sein Genossenschaftsprojekt

Kein Bezirk übt sein Vorkaufsrecht so offensiv aus wie Friedrichshain-Kreuzberg. Nun mit einer Genossenschaft. Wer spielt im Kampf um die Häuser welche Rolle?

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Der Kampf des Kreuzberger Baustadtrats Florian Schmidt (Grüne) um 103 Wohnungen in der Boxhagener, Forster, Krossener, Holtei- und Rigaer Straße, die mit Hilfe des bezirklichen Vorkaufsrechts und der Genossenschaft „Diese eG“ privaten Investoren gesichert werden sollen, erregt die Gemüter. Wer spielt welche Rolle bei diesem Vorhaben, das politisch und finanziell umstritten ist?

DIE GENOSSENSCHAFT

Die Wohnungsgenossenschaft „Diese eG“ wurde am 16. Mai dieses Jahres gegründet. Nach eigener Darstellung „aus der Not heraus, um vielen von Verkauf und Verdrängung bedrohten Häusern und Menschen in den Berliner Innenstadtbezirken zu helfen“. Dafür nutzte die „Diese eG“ die leere Hülle einer anderen Genossenschaft, die 2012 gegründet worden war, um das Stadtbad Lichtenberg zu retten. Dort engagierten sich auch die heutige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, die Ex-Bezirksbürgermeisterin Christine Emmrich, die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch und anderen Mitglieder der Linken. Der neuen Genossenschaft gehört Lompscher nicht an.

DER STADTRAT

Baustadtrat Florian Schmidt in Friedrichshain-Kreuzberg, der zum linken Flügel der Berliner Grünen gehört, hat sich dem Kampf gegen die Gentrifizierung verschrieben und versucht, seine Agenda mit allen erlaubten Mitteln und mit staatlichen Geldern durchzusetzen. Mithilfe des Vorkaufsrechts wurden in Friedrichshain-Kreuzberg in den vergangenen Jahren 1281 Wohnungen kommunalisiert, bisher mit Hilfe städtischer Wohnungsbaugesellschaften. Um weitere 13 Häuser anzukaufen, entwickelte Schmidt im Mai gemeinsam mit Initiativen und betroffenen Mietern die Idee, eine Genossenschaft einzuschalten, die mit der „Diese eG“ prompt zur Verfügung stand. Alle Vorbehalte und Vorwürfe gegen das Projekt, die jetzt öffentlich wurden, wies der Baustadtrat am Freitag in einer ausführlichen Stellungnahme zurück. Er versichert, dass das Bezirksamt mit der Wahrnehmung des Vorkaufsrechts kein finanzielles Risiko eingehe. Sollte die Genossenschaft den Häuserkauf „wider Erwarten“ nicht finanzieren können, müsse der Bezirk notfalls den Vorkaufsbescheid zurückziehen. Die internen Finanzierungspläne der „Diese eG“ nennt Schmidt „plausibel“.

Mit dem GLS-Regionalleiter Werner Landwehr an der Spitze verfüge die Genossenschaft außerdem über finanz- und immobilienwirtschaftlichen Sachverstand. Bisher sei die Genossenschaft auch allen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Grundlage der Finanzierung seien neben den Genossenschaftsanteilen Kreditzusagen der GLS-Bank und der Investitionsbank Berlin „sowie der Landesebene“, so der Stadtrat. Geprüft werde auch die Möglichkeit, Genossenschaftsanteile von Hartz IV-Empfängern öffentlich zu fördern. Damit widerspricht Schmidt der Aussage des Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD), dass es bisher keine Zusagen des Senats gebe. Schmidt räumte ein, dass die betroffenen Mieter durch den Erwerb der Wohnungen belastet werden. „Im Vorfeld werden diese umfassend über finanzielle Folgen und mögliche Darlehen informiert.“

DER SENAT

Seitdem Rot-Rot-Grün regiert, wird das kommunale Vorkaufsrechts verstärkt genutzt. „Zur Flankierung wohnungspolitischer Ziele und um Spekulation zu begrenzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. In den 57 Berliner Milieuschutzgebieten haben bisher die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen erworben, jetzt sollen die Genossenschaften einspringen. Von neun Bezirken, in denen Milieuschutzgebiete liegen, haben sieben das Vorkaufsrecht bisher genutzt.

Seitdem das Vorkaufsrecht 2015 bundesweit eingeführt wurde, ist es mithilfe der landeseigenen Wohnungsunternehmen in 49 Fällen wahrgenommen worden. Für 255 Millionen Euro wurden bisher 1427 Wohnungen und 105 Gewerberäume angekauft. Eine große Kraftanstrengung für die städtischen Gesellschaften, die außerdem für „normale“ Ankäufe seit Jahren viel Geld ausgeben. Es ist wohl kein Zufall, dass die Kreditverschuldung der sechs Unternehmen seit Beginn der rot-rot-grünen Regierung bis Ende 2018 von 8,5 Milliarden Euro auf 9,9 Milliarden Euro angestiegen ist.

Weil die städtischen Wohnungsbaugesellschaften inzwischen am Limit sind, bemüht sich der rot-rot-grüne Senat um die Genossenschaften. Dafür wurden, so beschloss es der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch, die Mittel im Landeshaushalt um „Zuschussmöglichkeiten an Wohnungsbaugenossenschaften zur bezirklichen Vorkaufsrechtsausübung“ erweitert. „Genossenschaften sind wichtige Akteure für den Schutz vor Verdrängung und zum Erhalt der Berliner Mischung“, steht in der Vorlage der Finanzverwaltung. Außer der „Diese eG“ ist bisher keine weitere Genossenschaft bekannt, die über das bezirkliche Vorkaufsrecht und mit Zuschüssen des Senats Wohnungen kaufen will. Finanzsenator Kollatz versichert zwar, dass die Erweiterung des staatlichen Finanztopfs für solche Ankäufe nicht auf die „Diese eG“ beschränkt sei. Aber momentan ist es so.

Unterschiedliche Aussagen gibt es dazu, ob es vom Land frühzeitig Finanzierungszusagen gegeben hat. Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, erklärte am Freitag, Grundlage der Pläne der Genossenschaft seien Zusagen auch „der Landesebene“ gewesen. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) bestätigte zwar Gespräche über mögliche Landeszuschüsse, erklärte aber: „Darüber hinaus hat es keine weiteren Verständigungen oder gar Zusagen gegeben.“ Im Mai, kurz vor der Neuaufstellung der Genossenschaft für das Vorkaufsrecht, hatte Kollatz die Pläne „unterstützenswert“ genannt. Ein Zuschuss aus Landesmitteln „von bis zu zehn Prozent der Kaufsumme“ käme unter Umständen „in Betracht“. Zugleich hatte er betont, es sei ein Beschluss von Senat und Hauptausschuss nötig. Letzterer erfolgte erst am Mittwoch, ausdrücklich wurde in der Vorlage die „Diese eG“ genannt.

Für die Prüfung und Ermittlung der Finanzierungslücke ist die Stadtentwicklungssenatorin Lompscher in Zusammenarbeit mit der Investitionsbank Berlin zuständig. Für die Auszahlung des Zuschusses muss dann die Finanzverwaltung grünes Licht geben. Doch die „Diese eG“ erhielt dem Vernehmen nach schon im Mai vom Senat die politische Zusage für eine Bezuschussung der Immobilienkäufe. Es gab mehrere Treffen, an denen Stadtrat Schmidt und Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und für Finanzen beteiligt waren.

DER STASI-OFFIZIER

Maßgeblich beteiligt an der Umwidmung der alten Genossenschaft hin zur „Diese eG“ war der umtriebige Manager Matthias Schindler. Der ist nicht nur gut vernetzt mit Funktionären der Linkspartei, er ist vor allem bekannt für seine Tätigkeiten auf dem Berliner Immobilienmarkt. Er kontrolliert ein weitverzweigtes Firmengeflecht, das Anteile an mindestens zwei Filetgrundstücken in der Hauptstadt hält. Einerseits das Verlagsgebäude des „Neuen Deutschland“ im Ortsteil Friedrichshain. Andererseits auch noch ein Grundstück, das nur wenige Meter entfernt liegt; auf diesem plant die Rosa-Luxemburg-Stiftung derzeit ihre neue Zentrale. Heikel sind allerdings Details seiner Biografie. So diente er lange als Offizier dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) – der Stasi.

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