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Solide Wasserlage. Das verkaufte Ullsteinhaus liegt gegenüber vom Tempelhofer Hafen. Auch eine Diskothek befindet sich in dem Gebäude.

© IMAGO

Häuser für Milliarden in Berlin: Ullsteinhaus in Tempelhof ist verkauft

Das Ullsteinhaus hat einen neuen Eigentümer. Nicht nur dieser Deal zeigt, wie stark die Stadt und der Glaube an die Gründerszene wachsen.

Das Ullsteinhaus in Tempelhof ist verkauft. Anfang Oktober wechselte der 80.000 Quadratmeter große Gebäudekomplex aus rotem Backstein den Eigentümer. Weithin sichtbar und den meisten Berlinern bekannt ist der 77 Meter hohe Turm. Auch der expressionistische Baustil hebt das Haus aus dem architektonischen Einerlei an der Grenze zum Stadtteil Mariendorf hervor. Dass ausgerechnet dieses Baudenkmal urplötzlich den Eigentümer wechselt, zeigt, wie schnell sich der Immobilienmarkt zurzeit dreht.

Und die Gerüchteküche brodelt. Die Samwer-Brüder, Gründer des Online-Schuh-Versands Zalando und Dutzender anderer digitaler Start-ups, seien die Käufer, heißt es. Andere munkeln, eine Hamburger Verleger-Familie habe zugegriffen. Bauer oder Gruner und Jahr? Das sind Spekulationen, zu denen sich der Verkäufer nicht äußert: „Das Eigentum am Ullsteinhaus ist am 1. Oktober an ein Familienunternehmen übergegangen“, sagt Matthias Klussmann, Geschäftsführer beim Verkäufer Becker & Kries. Mehr aber auch nicht.

Direkt an den Eigentümer herangetreten

Bemerkenswert sind die Umstände des Deals: Anders als sonst üblich, stand das Gebäude gar nicht zum Verkauf, kein Makler hatte seine Kontakte spielen lassen. Der Erwerber war mit seinen Kaufabsichten direkt an den Eigentümer herangetreten – und machte dem Hausbesitzer ein offenbar unwiderstehliches Angebot.

„Phänomenal“ nennt Christian Leska, Chef der Maklerfirma Savills in Berlin, das Geschäftsklima am Berliner Immobilienmarkt dieser Tage und fügt hinzu: „Es ist viel Geld unterwegs und es mangelt an Immobilien“. Zu den spektakulärsten Geschäften in diesem Jahr gehört der Verkauf des „Quartier 205“ an der Friedrichstraße für deutlich mehr als 300 Millionen Euro. Käufer des nach Plänen von Matthias Ungers errichteten Bürohauses ist der US-amerikanische Entwickler Tishman Speyer, der das Gebäude von der spanischen Bank Santander und dem spanischen Multimillionär Armancio Ortega erwarb, Chef des Textilriesen Inditex (Zara).

An der Börse herrscht Nervosität

Was den Deal in der Friedrichstraße mit jenem am Mariendorfer Damm verbindet, ist das fast schon blinde Vertrauen in den Standort Berlin. Auf der zurzeit laufenden Immobilienmesse Exporeal in München ist die deutsche Hauptstadt das große Thema. Dass nun auch Bürohäuser zu einer Rendite von rund fünf Prozent gehandelt werden, quittieren langjährige Immobilienprofis angesichts der Risiken nur noch mit einem Schulterzucken. Von einer Blase, wie sie die Deutsche Bank bereits vor zwei Jahren in Teilen des Marktes erkannt haben wollte, mag aber niemand sprechen. Noch nicht.

Denn Alternativen zur Immobilie gibt es für Kapitalanleger zurzeit nicht: An der Börse herrscht Nervosität wegen der schwächelnden Konjunktur in China und der schwelenden Euro-Krise. Edelmetalle sind eher etwas für Spezialisten oder Spieler. Und für geparktes Kapital gibt es bei Kreditinstituten keine nennenswerte Zinsen.

Zeichen des Aufschwungs

Deshalb rechnen Experten wie Leska, dass Berliner Gewerbeimmobilien im Wert von sechs Milliarden Euro in diesem Jahr den Eigentümer wechseln, was ein Rekordwert wäre, bezogen auf die vergangenen fünf Jahre. Das große Interesse an Berliner Gewerbeimmobilien hängt zusammen mit dem im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum der Stadt sowie mit dem Glamour, der von den kreativen, digital aufgerüsteten Party-Nomaden auf die Start-up-Szene abfärbt.

Und wo sich viele neue Unternehmer an einer Geschäftsidee versuchen, da müssen sie dazu auch die entsprechenden Gewerbeflächen mieten: mehr als 610 000 Quadratmeter wurden stadtweit bis Ende des dritten Quartals vermietet, ein Viertel mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Während noch vor wenigen Jahren mehr als 1,2 Millionen Quadratmeter leer stehender Bürohausflächen gemeldet wurden, halbierte sich diese Zahl bis heute. Die wichtigste Nachricht dabei ist: Erweiterung. Expansion oder gar der Wechsel an einen Standort innerhalb Berlins mit noch mehr Fläche sind Zeichen des Aufschwungs – Berlins Unternehmen geht es größtenteils gut.

Der ideale Nährboden

Zum Beispiel Rocket-Internet von den Samwer-Brüdern: Nach dem Börsen-Gang ziehen diese von Mitte, – nein, nicht nach Tempelhof, sondern – nach Kreuzberg: Wie berichtet, übernehmen sie das frühere GSW-Hochhaus an der Kochstraße als künftigen Firmensitz.

Denn auch das ist ein Trend: Vor allem am Rande der City frohlocken die Vermieter, dort – und nicht im Zentrum – schließen sie die meisten Verträge ab und erzielten im Vergleich zum Vorjahr den größten Zuwachs an vermieteter Fläche.

Das werden auch die Käufer des Ullsteinhauses vor Augen gehabt haben. Dort, wo der Tagesspiegel nach der Gründung seinen ersten Verlagssitz hatte, besteht heute eine quirlige Mischung aus Modefirmen, Start-ups, EDV-Schmieden, Künstlern und dem Deutschen Pressemuseum – hier herrscht mutmaßlich der ideale Nährboden für eine typisch Berliner Erfolgsgeschichte.

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