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Die Berliner drängen nach draußen, nicht alle nehmen dabei Rücksicht.

© Imago/Jochen Tack

Haben wir nichts aus der Quarantäne gelernt?: Rücksicht braucht keine Pandemie!

Berlin nimmt Tempo auf – und fährt sofort wieder die Ellbogen aus. Wo ist die Solidarität geblieben? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hella Kaiser

Sattgrün leuchten die Blätter an den Bäumen, Butterblumen blühen, eine Entenfamilie gleitet durch die träge fließende Spree. Das Charlottenburger Ufer ist ein Idyll. Endlich sind auch die Kita-Knirpse zurück. Ein Kind hält die Hand der Erwachsenen, eines untersucht einen Grashalm, ein drittes läuft glücklich los. „Jonas, bleib stehen“, ruft die Erzieherin, nein, sie schreit. „Vorsicht, Fahrrad!“

Es kommt in hohem Tempo angesaust, der Radler macht nur einen knappen Bogen um das Kind. Was, wenn es zur Seite gehüpft wäre? Corona war gestern, Berlin nimmt wieder Tempo auf, leider. Die alte Dame mit Rollator schaut ängstlich einem Pärchen entgegen, das mit Mountainbikes auf sie zurast, viel zu schnell. Natürlich wurde die Frau nicht umgefahren, aber warum musste man sie so erschrecken?

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Während des Lockdowns konnte man schlendern, zu zweit und mit Abstand. Radler, etliche offenbar ungeübt, traten vorsichtig in die Pedale, wollten keinem zu nahe kommen. Berliner, drinnen im Homeoffice isoliert, übten draußen das Miteinander. Niemand meckerte in der langen Schlange vor der Post. Geduldig rückte jeder vor und nie dem Vordermann auf die Pelle. Corona lehrte Solidarität.

Vorbei. Zackig fahren die Metropolenbewohner wieder ihre Ellbogen aus. Brauchen wir etwa „die zweite Welle“, um nachhaltig zur Ruhe zu kommen? Wie armselig.

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