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Jetzt wird gegruselt!

© dpa

Gruselkabinett "Berlin Dungeon" eröffnet: Zungenzange für Touristen

Abgehackte Finger und lebensechte Blutspritzer: Das Dungeon öffnet ab heute seine Türen und will Berlins Gruselgeschichte erzählen. Ein Selbstversuch mit Folterstühlen und Kastratoren.

Als Souvenir gab’s einen abgehackten Finger. Aus Plastik natürlich, dafür lebensecht mit Blutspuren und halb verheilter Wundfläche. Irgendjemandem muss der Stummel in der vergangenen Stunde abhanden gekommen sein, vielleicht hat ihn der Folterknecht abgehackt oder er ist bei der Pestepidemie einfach abgefault. Das ist den Besuchern des Berlin Dungeons aber ziemlich egal. Sie sind einfach nur erleichtert, den Horror überlebt zu haben. Blinzelnd treten sie aus dem dunklen Souvenirshop mit seinen Totenkopfkelchen und den blutbespritzten Metzgerschürzen ins gleißende Sonnenlicht an der Spandauer Straße. Hinter ihnen liegen 700 Jahre Horror.

Mittelalter-Anästhesie. Die eifrige Arzthelferin bereitet ihre Patienten für die Untersuchung vor. Ihr Arbeitgeber liegt schon auf dem Untersuchungstisch – ihn hat die Pest dahingerafft. Sieht echt aus, ist aber alles aus Plastik.
Mittelalter-Anästhesie. Die eifrige Arzthelferin bereitet ihre Patienten für die Untersuchung vor. Ihr Arbeitgeber liegt schon auf dem Untersuchungstisch – ihn hat die Pest dahingerafft. Sieht echt aus, ist aber alles aus Plastik.

© DAVIDS

Beim Testdurchlauf im neuesten Ableger der Dungeon-Kette, der am Donnerstagabend mit einer Gala seine Eröffnung feierte, haben die Besucher vor allem einen Satz zu fürchten gelernt: „Wie heißt du?“ Die unschuldig anmutende Frage führt meistens dazu, dass man sich kurz darauf auf einem Folterstuhl oder in einem Käfig wiederfindet. Denn Geschichte soll hier interaktiv erlebt werden. Nach einer Fahrt im wackeligen „Fahrstuhl des Grauens“ gibt Mönch Roderich eine kurze Einführung in die blutigen Konflikte zwischen Slawen und Askaniern. Dafür hätte Gott eine Strafe geschickt, faselt der flackernde Hologrammkopf unter der Kapuze. Er selbst sieht auch nicht mehr ganz gesund aus, der Teint ist schon leicht grünlich. Den ersten Schrei aus der Kehle einer Besucherin gibt es, als plötzlich ein zweiter Mönch vom Schreibpult aufspringt. Dann muss alles ganz schnell gehen: Die Pest ist da. Roderich schickt die Besucher auf ein Floß, sie sollen über die Spree von Alt-Berlin nach Cölln fliehen, „wo die Menschen gesund sind und den ganzen Tag tanzen“, wie der irre kichernde Bootsmann verspricht. Und dann geht das Licht aus.

Überhaupt hat man im Dungeon an der Beleuchtung ziemlich gespart. Immer wieder wird es zappenduster, kurze Dunkelheit, dann steht eine Grabwächterin aus der Hohenzollerngruft oder der Geist einer verstorbenen Mätresse vor den Besuchern und lehrt sie mit Grimassen und Schreien das Fürchten. Auch wenn das Licht fehlt – Effekte gibt es dafür en masse. Da weht der Fahrtwind, eine Flüssigkeit spritzt von oben auf die Haut und in der pestverseuchten Stadt riecht es nach Tod, Fäulnis und Pestilenz. Die Assistentin des Pestarztes nimmt ihren verstorbenen Arbeitgeber auseinander und macht sich hinter einem Vorhang gleich an einer Besucherin zu schaffen, der sie „die Stückchen rausschneiden will“. So geht Anatomieunterricht heute.

Die Leiche, die da wächsern und mit pestzerfressenen Innereien auf dem Tisch liegt, ist eine von 1480 Requisiten, die nach historischen Vorbildern hergestellt wurden. Die dunklen Kapitel der lokalen Geschichte aufarbeiten und daraus ein Gruselkabinett bauen – mit diesem Konzept locken weltweit acht Dungeons vor allem Touristen an, angefangen in London, wo Jack the Ripper sein Unwesen treibt. Auch für Schulklassen soll der Rundgang geeignet sein. Sie können die Willkür der Hexenverfolgungen vor dem Inquisitionsgericht am eigenen Leib erfahren. Ob die Richter im geheimen Gericht des Stadtschlosses tatsächlich während der Verhandlung anfingen, wie ein Schaf zu blöken, ist nicht überliefert. Lustig ist es allemal.

Denn Spiegelkabinett, gotische Säulen mit Totenköpfen und aufwendige Lichteffekte hin oder her – das Dungeon lebt von seinen Schauspielern, die in ihrem gespielten Wahnsinn ganz aufgehen. Der Folterknecht etwa wirkt, als hätte er nie etwas anderes gemacht, als verlegen grinsenden Besuchern die Funktionen von Zungenzange und Kastrator vorzuführen. Da macht es auch nichts, dass die Witze manchmal übertrieben derbe sind und dass die Kulissen etwas billig wirken. Am Ende ist man ganz froh, dass das alles nur aus Plastik war.

Das Berlin Dungeon ist ab Freitag täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 19 Euro, für Kinder unter 15 Jahren 15 Euro. www.thedungeons.com/berlin/de

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