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Die Berliner freuen sich über die Sonne.

© Paul Zinken/dpa

Gruppensport im Park und Umarmen zur Begrüßung: Hier werden in Berlin die Coronavirus-Regeln missachtet

Viele praktizieren kein „Social Distancing“ – trotz Covid-19. Das zeigt eine Tour von Prenzlauer Berg zum Alex.

Grenzen dicht, Läden zu, in Italien, Spanien und Teilen Österreichs gibt es Ausgangssperren. Das Coronavirus hat Europa im Griff. Und Berlin? Seit Samstag sind Bars und Clubs dicht, ab Dienstag machen Kitas und Schulen zu und bald schließen wohl alle nicht essentiellen Läden.

Man ist angehalten, zu Hause zu bleiben, keine unnötigen Aktivitäten zu Unternehmen – und vor allem nicht unter Leute zu gehen. „Social Distancing“ ist das Schlagwort. Steht Berlin also still? Mal sehen.

Montagmorgen ab aufs Fahrrad. Es geht erst durch Prenzlauer Berg. Die Straßen sind normal belebt, die Leute fahren an einem Montagmorgen mit den Fahrrad zur Arbeit, ein paar Leute sitzen beim Bäcker oder im Café. Voll ist es, na klar, in den Apotheken und Supermärkten.

Im Mauerpark ist es belebt

In einem Brillenladen setzt eine Optikerin einer Kundin die Brille auf die Nase und kommt ihr – weil es eben nicht anders geht – sehr nahe. Eine Kollegin sagt: „Wir müssen ja die Brillen anprobieren. Wenn Sie eine Brille kaufen, wollen Sie ja auch, dass die passt.“ Von einem Kundenrückgang habe man bis heute nichts gemerkt.

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Weiter in den Mauerpark. Leer sieht anders aus. Leute joggen, gucken in die Sonne, unterhalten sich oder lesen. Der Spielplatz am Ende des Parks ist gut besucht. Für einen Montagmorgen ist vielleicht sogar etwas mehr als sonst los.

Ein bisschen Gruppesport im Weinbergspark

Vom Mauerpark geht es weiter, die Kastanienallee runter Richtung Mitte, vorbei am Volkspark am Weinberg. Was sich hier abspielt erscheint fast absurd angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation. Eine Gruppe von etwa acht Leuten macht gemeinsam im Halbkreis Sport. Schattenboxen, Sprints auf der Stelle, Hochstrecksprünge.

Es wird geschwitzt, gekeucht, gehustet. Denkt hier keiner an das Coronavirus? „Wir haben die Gruppengröße auf acht Leute reduziert“, sagt der Trainer hinterher. „Aber die Gruppen finden noch statt. Die Leute wollen kommen, die Gruppen sind ausgebucht.“ Das sei auch in den anderen Parks drumherum der Fall.

Ob er es nicht besser finde, in diesen Zeiten vielleicht darauf zu verzichten? „Doch“, sagt er. „Die Leute haben auch Angst, kommen aber trotzdem. Ich finde es riskant.“ Arbeiten muss er trotzdem.

Die Schüler machen es wie der Senat - Sorgen erst ab Dienstag

Während des Gesprächs kommt eine große Gruppe verkleideter und feiernder Schüler vorbei. Aus den Boxen dröhnt „The Final Countdown“ von Europe. Noch mehr von ihnen stehen am Teich inmitten des Volkspark, etwa 80 Personen. Sie trinken, rauchen und stehen natürlich nah beieinander – halt eine Party im Park. Drei Schülerinnen erzählen, dass gerade Mottowoche ist – veranstaltet wird das kurz vor dem Abschluss von Abiturienten. Thema: Meine Kindheitshelden. Und tatsächlich. Man sieht Spongebobs, Winnie Poohs und aus irgendwelchen Gründen Sumoringer.

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Ob die sich keine Sorgen machen? Schon ein bisschen. „Aber das könnte ich auch kriegen, wenn ich in der Schule wäre. Solange der Senat sich erst ab Dienstag Sorgen um Corona macht, machen wir das auch so“, sagt eine Abiturientin.

Da blinkt das Handy. Bayern hat den Katastrophenfall ausgerufen. Sport- und Spielplätze werden gesperrt.

Wenn schon nicht Parks, vielleicht meiden die Berliner geschlossenen Räume. Über den Alexanderplatz geht es zur Mall „Alexa“. Der Platz ist nur normal belebt, ein paar Leute sitzen rund um den Brunnen auf dem Platz, im Einsteincafé an der Alexanderstraße gibt es draußen kaum noch freie Plätze.

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Im Einkaufszentrum ist nicht viel los. Ein Security-Mann des Centers findet, es sei leerer als sonst. Er trägt weiße Latexhandschuhe. Die seien Vorschrift. „Die Berliner sind so ein bisschen drauf, „naja is´ mir ejal.“ Auch er findet, das sei vor allem Panikmache. Wenn man nicht in der Risikogruppe sei, könne einem nicht viel passieren. „Und die Welt muss sich ja irgendwie weiterdrehen.“

„Sehe ich so aus, als ob ich Angst hätte?“

In einem Schuhgeschäft stehen zwei Verkäufer und haben nichts zu tun. Dass sich die Leute um das Coronavirus Sorgen machen, hätte sich vor allem am Samstag bemerkbar gemacht – viel weniger Umsatz. Und sie selber machen sich keine Sorgen? „Wir sitzen hier nicht angstzitternd in der Ecke“, sagt der eine. Sein Kollege: „Sehe ich so aus, als ob ich Angst hätte?“ Ein paar Kollegen würden sich schon Sorgen machen. „Wir machen hier weiter unseren Job, wenn Leute kommen, beraten wir sie, wenn sie nicht kommen, können wir sie nicht beraten.“

Also sind die Leute doch ein bisschen vorsichtiger? Raus aus dem Schuhladen, die Mall hat sich inzwischen gefüllt. Im Supermarkt des Alexa sieht es natürlich aus wie überall derzeit, keine Nudeln, kein Klopapier, lange Schlangen. Aber langsam gehen die Leute auch in die anderen Geschäfte, der Elektronikmarkt des Hauses ist gut besucht.

Am Informationspunkt ist gerade keiner, die Frau, die dort sitzt, trägt schwarze Latexhandschuhe. Bemerkt sie irgendwas? „Es sind noch mehr Leute als sonst, wahrscheinlich, weil alle frei bekommen haben“, sagt sie. Vor allem viele Eltern mit Kindern seien unterwegs. „Montagvormittag ist eigentlich sehr ruhig, heute ist viel los.“

Anstatt dass die zu Hause bleiben, kämen die hierher. Sie finde das nicht gut. „Die schließen doch extra die Schulen. Wenn wir vermeiden wollen, dass dieser Virus sich verbreitet, warum kommen die dann hierher? Wieso helfen wir uns nicht  gegenseitig?“ Wenn ihr Chef sagen würde, sie solle zu Hause bleiben, „dann würde ich keinen Fuß mehr vor die Tür setzen.“

Es ist Mittag geworden, Rückweg Richtung Prenzlauer Berg. Im „Hüftengold“ nahe dem Mauerpark sind bei dem guten Wetter draußen alle Stühle belegt. Zwei Freundinnen sitzen im T-Shirt davor. Ein Freund kommt dazu. Sie umarmen sich zur Begrüßung.

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