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Der Bau kann dem Ursprungsort der Doppelstadt Berlin-Cölln wieder Bedeutung verleihen.

© Simulation: Kuehn Malvezzi

Grundsteinlegung des House of One: Dem Himmel so nah

Am Donnerstag wird der Grundstein zum House of One gelegt. Die Architektur des Gebäudes vereint Vielfalt in der Einheit und greift auf bedeutende sakrale Vorbilder zurück.

Ob Versammlungsraum, Gebetsstätte oder Gotteshaus – keine dieser Bauaufgaben besitzt eine für alle Zeiten gültige, vor allem auch liturgisch zwingende Form. Historisch betrachtet, haben alle nur denkbaren Gebäude und Innenräume einem solchen Zweck dienen können. Erst im Laufe der Zeit bildeten sich bestimmte, regional zudem unterschiedliche Formen heraus. Wie aber müssen eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge aussehen, wenn sie im 21. Jahrhundert neu errichtet werden, ausgerechnet in Berlin, der durch die besonderen Umstände ihrer Geschichte so unreligiös gewordenen Stadt?

Mit dieser Frage sahen sich die Teilnehmer des Wettbewerbs konfrontiert, den der Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V. 2011“ auslobte und der rund 200 Anfragen von interessierten Architekturbüros erhielt, von denen schließlich 38 teilnahmen. Erstaunlich genug, denn sakrale Bauten zählen nicht eben zu den Bauaufgaben, die es in Berlin regelmäßig zu bewältigen gibt. Und hier galt es, gleich drei Religionen buchstäblich unter ein Dach zu bekommen. Ein Haus mit drei Andachtsräumen und einem Gemeinschaftsraum sollte entstehen, zudem die archäologischen Ausgrabungen, die in den vorangegangenen Jahren sehr zur Überraschung der Stadtplaner reiches Material aus der Frühzeit Berlins erbracht hatten, in situ belassen und zugänglich machen.

Die Vielheit in der Einheit

2012 wählte die Jury den Beitrag von Kuehn Malvezzi zum Sieger aus, einem Berliner Büro, das vor allem mit Umbauten von Museen und Sammlungspräsentationen Furore gemacht hat. Ihr Entwurf sieht einen in hellem Klinker verkleideten Baukörper vor, der sich von außen nicht als Hülle für drei unterschiedliche Sakralräume zu erkennen gibt, sondern, seinem vorgegebenen Titel als „House of One“ gemäß, die Vielheit in der Einheit zum Ausdruck bringt.

Freilich greifen Kuehn Malvezzi durchaus zu architekturhistorischen Vorbildern oder besser gesagt, Anleihen, indem sie dem christlichen Saal einen längsrechteckigen, dem islamischen einen quadratischen und dem jüdischen einen trapezförmigen Grundriss zuordnen.

Vielleicht aber sind die Gebetssäle nicht gar so wichtig, ordnen sie sich doch um einen Zentralraum, dessen kreisförmige, noch dazu von einer vollrunden Kuppel überwölbte Gestalt den Kerngedanken des Projekts baulich erfahrbar macht, eben den der „Einheit“ der drei monotheistischen oder genauer, abrahamitischen Religionen. Von diesem, von pfeilerartigem Mauerwerk umstandenen Raum gehen Treppen sowohl zum Dach als auch zum Untergeschoss ab. Drunten sind die archäologischen Fundstücke zu besichtigen. Dass sie die vielhundertjährige Geschichte als Standort der ältesten nachweisbaren Kirche Berlins, eben der Petrikirche, aufrufen, bringt zugleich zu Bewusstsein, dass das House of One nicht auf der wüsten und leeren Fläche des Parkplatzes entsteht, den die DDR hinterlassen hatte, sondern auf einem christlich-sakral genutzten Zentralort der Stadtgeschichte.

Ein Stück Bewusstseinsreparatur

Die evangelische Gemeinde St.Petri- St.Marien hatte das Grundstück, dass das DDR-Regime ihr Anfang der 1960er Jahre abgepresst hatte, um eine vielspurige Autostraße und einen Parkplatz anzulegen, nicht zurückhaben, noch weniger einen Kirchenbau für die geschrumpfte Gemeinde errichten wollen. So erst kam es zur Vision des House of One als einem Stück Stadt- wie eben auch Bewusstseinsreparatur. Der Vorzug des Entwurfs von Kuehn Malvezzi – wie auch anderer Beiträge des Wettbewerbs – besteht darin, architektonisch uneindeutig genug zu sein, um die Majorisierung der beteiligten Religionsgemeinschaften etwa durch zu deutlichen Bezug auf das christliche Kirchbauerbe auszuschließen. Das House of One, so hat es einer der Architekten von Kuehn Malvezzi gesagt, soll ein Haus für „Menschen ohne einen klaren Glauben sein, die sich zwischen den Religionen beheimatet fühlen“. Die Nicht-Erkennbarkeit, die der zugleich einladenden wie ungewöhnlichen Architektur ihres Entwurfs eigen ist, zielt auf jene Unentschiedenheit, die wohl das Gros der künftigen Besucher kennzeichnen dürfte. Dabei enträt der äußerlich geschlossene Mauerwerksbau jeder modischen Transparenz-Geste: Der Passant wird nicht etwa durch große Glasscheiben quasi hineingezogen. Wer dieses Gebäude betritt, muss es schon betreten wollen.

Im Inneren wird der Besucher durch vielfältige Raumformen gebannt. Die Renderings, die das Architekturbüro vorlegt, zeigen maßvoll von oben belichtete Räume. Das darf durchaus wohl metaphorisch gedeutet werden: Hier ist der Besucher dem Himmel nahe. Noch näher dann auf der Dachterrasse, die von dicht gestellten Streben umstellt ist. Sie bilden eine Turmgestalt, die das kosmopolitische Berliner Publikum womöglich eher an die Windtürme orientalischer Wohnbauten denken lässt als an herkömmliche Kirchtürme oder auch Minarette.

Übrigens kann dieser Dachaufbau bis zu einem zweiten Bauabschnitt zurückgestellt werden; was indessen nicht zu hoffen ist, denn der Entwurf lebt von dem Gegensatz von geschlossenen und durchbrochenen Wandflächen, etwa am Synagogen-Bauteil mit seinen diagonal versetzt angeordneten Öffnungen in der Größe eines oder mehrerer Ziegel. Die Längsrichtung des Bauwerks entlang der Straße – was die Wiedergewinnung des einstigen Petriplatzes als Stadtplatz wohl ausschließt – verlangt nach einem vertikalen Gegengewicht, auch, um den Bau aus der Ferne erkennbar zu machen.

Eine feste Burg des Glaubens

Der 1964 endgültig abgeräumte, zuvor im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Kirchenbau von St. Petri stammte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und war in neugotischen Formen gehalten. Die Gotik mit ihrer Auflösung der Wand in möglichst große Fensterflächen bot Kuehn Malvezzi keinen Anhaltspunkt. Eher mag es eine gewisse Orientierung an den Kirchenneubauten im Westteil Berlins gegeben haben: Unter anderem die Bauten des in diesem Jahr gefeierten Werner Düttmann zeigen jene blockhafte Geschlossenheit, die beim House of One in differenzierter Form wiederkehrt. Weitere Anregungen mögen von den Synagogen gekommen sein, die in den zurückliegenden Jahren in Deutschland neu errichtet worden sind, etwa in Dresden oder München, die eher eine additive Verbindung geschlossener, meist würfelförmiger Baukörper zeigen. Und könnte man nicht, beim Bild des in sich differenzierten, nach außen geschlossenem Baukörpers mit hoch aufragendem Ausguck, an den Bautyp der Burg denken – von wo aus die Assoziation der „festen Burg“ des Glaubens nicht weit wäre?

Das Motiv der Beleuchtung durch kleine Lichtöffnungen, durch hoch liegende Fensterbänder oder Öffnungen im Dach ist seit dem ganzen 20. Jahrhundert im Sakralbau gängig und vielfach variiert worden, von Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp über Kenzo Tanges Tokioter Kathedrale bis zur Wiener Donaucity-Kirche von Heinz Tesar aus dem Epochenjahr 2000. Der kreisrunde, durch an Säulen gemahnende Mauerwerkspfeiler umstellte Zentralraum des Berliner Entwurfs schließlich lässt ans Innere der beiden Türme denken, die der Barockbaumeister Gontard auf dem Gendarmenmarkt zu städtebaulicher Zier errichtete.

Und darum geht es auch beim House of One: um das Stadtbild. Es ist an dieser Stelle, die doch einen Zentralort der mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln bezeichnet, so zerstört wie selten sonst, und das will wahrlich etwas heißen. Nichts mehr ist aufzufinden von dem reichen städtischen Gewebe, das Fotografien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts festhalten.

Im heutigen Einerlei diesen Areals aus Bürobauten, Hotels, hochragenden Wohntürmen in gleichartiger Ausführung kommt dem House of One eine besondere Bedeutung zu. Es ist ein Stück dessen, was Stadt ausmacht und sie über eine beliebige Ansammlung von Zweckbauten hinaushebt.

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