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Der Standort soll dicht bebaut werden, die Rede ist von einer Mischnutzung mit Kultur.

© Simulation: Bloomimages

Grundsteinlegung am Tacheles: „Veränderung muss sein“

Berlins berühmteste Ruine verschwindet hinter einer modernen Fassade. Rund um das ehemalige Kulturhaus Tacheles soll ein gemischtes Stadtquartier entstehen.

Zu diesem Anlass trat selbst der Ex-Regierende Klaus Wowereit noch einmal an das Mikrophon. Hunderte Gäste waren gekommen, um seinen lobenden Worten zu lauschen: Grundsteinlegung für die Bebauung rund um das ehemalige Kulturhaus Tacheles an der Oranienburger Straße. Dort entsteht ein neues gemischtes Stadtquartier mit zehn Häusern, öffentlichen Plätzen, Lokalen, Einzelhandel, Büros und 275 Eigentumswohnungen.

„Wer baut, investiert in die Zukunft“, sagte ein sichtlich gut gelaunter Wowereit und würdigte damit speziell das Engagement von Leon Bressler vom Eigentümer Aermont Capital mit Firmensitz in London. Das jetzt vorsichtig mit rund 600 Millionen Euro Gesamtkosten taxierte Vorhaben wird vom Projektentwickler pwr development mit prominenter Unterstützung durch das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron gestemmt.

Vor mehr als zwei Jahren wurde an der Ecke Friedrichstraße/Oranienburger Straße schon mit dem Aushub der gigantischen Baugrube begonnen. Mittlerweile ist rings um die denkmalgeschützte alte Tacheles-Ruine der Tiefbau auf der insgesamt 25.000 Quadratmeter großen Grundstücksfläche so gut wie abgeschlossen. Seit vier Monaten sind alle Baugenehmigungen vorhanden. In zweieinhalb bis drei Jahren soll das neue Vorzeigequartier fertig sein.

Neben dem mythosbehafteten Tacheles – über dessen künftige kulturelle Nutzung noch nicht entschieden ist – wird die historische Passage aus dem Jahre 1908, eine Verbindung von Friedrichstraße und Oranienstraße, neu entstehen. Zwar nicht überdacht, aber als öffentlicher Durchgang soll sie „24 Stunden am Tag und an sieben Tagen in der Woche“ geöffnet sein, versprach Chefarchitekt Pierre de Meuron. Sein Büro hat Erfahrung mit spektakulären modernen Bauwerken. So sind die Hamburger Elbphilharmonie und die Münchner Allianz Arena nach Plänen des Baseler Büros entstanden.

Harmonie der Vielfalt

Die Mischung im Quartier soll auch die Einbeziehung weiterer Architektenbüros herbeiführen, wie Grüntuch Ernst, Brandlhuber und Muck Petzet aus Berlin. Die Schweizer stellen sicher, dass das Projekt unter der Bezeichnung „Am Tacheles“ „trotz der Vielfalt an Gebäudetypologien als ein harmonisches, ausbalanciertes Ensemble entsteht“. So reichen die Größen der Wohnungen immerhin von 25 bis 250 Quadratmetern Fläche. Sebastian Klatt vom Entwickler pwr development benannte ein Spektrum „vom Mikroapartment über Lofts bis zum Gründerzeit-Stil“.

Während der Vertrieb der hochpreisigen Wohnungen zu Beginn des nächsten Jahres beginnt, können sich Interessenten für die insgesamt 41.000 Quadratmeter Büroflächen und die 12.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen an den öffentlichen Plätzen schon jetzt bewerben. „Die Vermietung startet mit der Grundsteinlegung“, wurde mitgeteilt.

Vom Brachland zum Kulturort

Das Gelände an der Friedrichstraße war über viele Jahre Brachland. Es wurde als Autoparkplatz und als innerstädtischer Trampelpfad benutzt. Gleich nach der Wende zog eine bunte Künstlerschar in die alte Kaufhausruine ein und machte das Areal zu einem bei Touristen aus aller Welt geschätzten Anziehungspunkt. Der Name „Tacheles“ stand gleichwohl als Synonym für die wilden Jahre nach dem Fall der Mauer.

Ephraim Gothe, für das Gelände zuständiger Baustadtrat im Bezirk Mitte, erinnerte sich bei der Grundsteinlegung daran, wie er seinerzeit mit Freunden über einen halbverschütteten Tunnel durch einen Noteingang zu einem Konzert in das Tacheles gelangt war. Seine Vision heute: „Ich träume davon, dass die Quartiere wie hier und am Hackeschen Markt sich aneinander reihen und man über Kilometer durch die Innenstadt schlendern kann.“

Den Architekten Pierre de Meuron hat Gothe schon mal an seiner Seite. „Die Stadt wird sich künftig nach innen entwickeln“, sagt der Schweizer. „Stetiger Wandel gehört zu Berlin.“ Das Bauen am Rand auf der grünen Wiese sei passé. Grün soll es am Tacheles aber auch werden, mit begrünten Dächern und 150 neu zu pflanzenden Bäumen.

Mit Blick auf das neue Stück Innenstadt redete der Ex-Regierende Wowereit von der eigens aufgestellten Bühne auf seine Art Tacheles. „Veränderung muss sein. Wir dürfen Investoren nicht verschrecken. Im Gegenteil, man muss sie willkommen heißen. Wir brauchen Bauen, Bauen, Bauen. Berlin kann sich nicht einfach eine Käseglocke überstülpen.“ Für diese Worte bekam er Redner vom versammelten Publikum auf der Baustelle einen herzlichen und anhaltenden Applaus.

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