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Futtern wie bei Muttern? Ganz so gut wird das Schulessen womöglich auch durch die Qualitätsoffensive des Senats nicht. Aber eine erste Verbesserung wäre ja auch schon mal löblich.

© Björn Kietzmann

Grundschulessen in Berlin im Test: Guten Appetit!?

Gulasch und Gemüsepfanne: Die Testverkostung für das Schulessen an allen öffentlichen Grundschulen hat begonnen. Zwischen Auswertungsbögen und Gemüsedekoration wird getuschelt, gegrübelt – und natürlich gegessen.

Kayra lässt sich Zeit. Das Gulasch, das auf ihrem Teller liegt, darf sie keinesfalls ruckzuck und gedankenlos verschlingen. Denn andernfalls könnte sie den anderen Jurymitgliedern nicht berichten, welchen Eindruck Aussehen, Geruch, Geschmack und, ja, das „Mundgefühl“ der Probierportion bei ihr hinterlassen haben. Die Sechsjährige lässt sich also das Essen eine ganze Weile schmecken, bevor die Gemüse-Reis-Pfanne als Nächstes auf ihren Teller wandert – und bevor sie die gleichen Gerichte der anderen fünf Bewerber probieren wird.

In Berlin hat ein großes Experiment begonnen: Alle 350 öffentlichen Grundschulen dürfen erstmals ihren Caterer mitbestimmen. Deshalb finden noch bis November Probeverkostungen statt. Je mehr Bewerber es gibt, desto mehr haben die aus Schülern, Eltern und Lehrern oder Erziehern bestehenden neu gewählten Essensausschüsse zu tun, um zu einem belastbaren Urteil zu kommen.

Besonders viel Arbeit gibt es für die Verkoster in Friedrichshain-Kreuzberg, denn hier haben sich meist mehrere Caterer um die Versorgung der insgesamt 35 Schulen beworben, wie Bildungsstadtrat Peter Beckers (SPD) erleichtert verkündet. Schon aufgrund der zentralen Lage ist der Bezirk attraktiv für die Anlieferung von Essen. Was die Vielzahl der Bewerber bedeutet, war am Montag und Dienstag in der Berufsschule für Gastgewerbe zu beobachten: In sechs Küchen kochten sechs Kochteams um die Wette, um anschließend mit Spannung auf die Reaktionen der Kreuzberger Testjurys zu warten, die sich vor ihren Augen erst das Gulaschgericht und dann die Gemüsepfanne mit Reis schmecken ließen. Damit die Verkoster die schiere Menge von zwölf Probierportionen – zwei Gerichte je Caterer – überhaupt schaffen konnten, wurden die Portionen extra klein gehalten.

Meist sahen die Köche in zufriedene Gesichter: „Das Fleisch schmeckt sehr zart“, lobte etwa die 18-jährige Sarah von der Carl-von-Ossietzky-Schule. Auch Klassensprecherin Linda nickte anerkennend, so dass sich die Mienen der angespannt wartenden Köche und Küchenhilfen sofort aufhellten. Dass auch ein paar ältere Schülerinnen dabei waren, hat damit zu tun, dass die Ossietzky-Schule Gemeinschaftsschule ist und deshalb Grund- und Oberschule umfasst.

Aber danach war die Arbeit noch nicht vorbei : Während die Kochteams ihre Küchen aufräumten, diskutierten die Essensausschüsse jedes Details, um die Bewertungsbögen ausfüllen zu können. Unermüdlich und stundenlang tuschelten sie – zunächst in den Probierküchen und später in Sitzecken auf den Fluren der Berufsschule –, um ihr Urteil zu fällen. Dass sie es sich nicht leicht machten, hat einen einfachen Grund: Ihre Schulen müssen mindestens ein halbes Jahr mit dem Caterer zurechtkommen, bevor im Falle des Nichtgefallens gekündigt werden kann.

Trotz dieser Verantwortung ist die Stimmung bei den ersten Testverkostungen auffallend gut. „Wir haben Spaß an dieser Pionieraufgabe“, erzählt ein Mutter, und auch die Vertreter des „pädagogischen Personals“ sind engagiert dabei: Von der Aziz-Nezin-Schule hat sich sogar die Rektorin in den Essensausschuss wählen lassen, von der benachbarten Schule ist die pädagogische Koordinatorin Gabriele Kremkow dabei. Sie schwärmt vom „leckeren Essen“, auch wenn sie die Kategorie „Mundgefühl“ auf dem Bewertungsbogen dann doch etwas merkwürdig findet.

Tatsächlich haben es die weiß bekittelten Küchenkräfte der Caterer den Testverkostern leicht gemacht, sich wohl zu fühlen: In den blitzsauberen Küchen haben sie frisches Gemüse drapiert, um auch optisch für sich zu werben. Damit sich kein Caterer benachteiligt fühlt und schlimmstenfalls gegen das Vergabeverfahren klagt, achtet der Gesundheitsreferent der Bildungsverwaltung, Dirk Medrow, peinlich genau darauf, dass in der Öffentlichkeit kein Caterer im Zusammenhang mit dem Probeessen gelobt oder getadelt wird, solange die Bezirke nicht die Zuschläge erteilt haben. Bis Dezember bleibt es also spannend für die Bewerber – zu Recht: Schließlich geht es berlinweit um mehr als 70 000 Mittagessen täglich.

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