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Über den Dächern: Beim Bauen soll künftig auf mehr Grün geachtet werden - auf Dächern und in Gärten.

© imago images / A. Friedrichs

Grüner, teurer, weniger Tourismus: Rot-Rot-Grün will Wohnen in Berlin sozialer und grüner machen – mit strengen Regeln

Rot-Rot-Grün will vor der Wahl noch Grundlegendes im Bau- und Wohnungsrecht ändern. Neubauten sollen grüner werden, Ferienwohnungen vermieten wird erschwert.

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Mehr Nistplätze an Häusern, weniger Schottergärten und deutlich schärfere Regelungen gegen Leerstand und private Ferienwohnungsvermieter. Zwei auf den ersten Blick kleinteilige, aber für den Bürger weitreichende Gesetzesänderungen will Rot-Rot-Grün noch bis zur Wahl am 26. September durch das Parlament bringen: über die Änderung der Bauordnung und die geplante Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetz wurde am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss debattiert.

Die wesentlichen Änderungen der Bauordnung betreffen den Klima- und Umweltschutz. Künftig muss mindestens ein Fünftel der Grundstücksfläche bei Neubauten begrünt oder bepflanzt werden. Damit sollen die Überhand genommenenen Schottergärten verhindert werden. Dächer mit einer Fläche von mehr als 300 Quadratmetern müssen bei einer Dachneigung bis zu fünf Grad eine „einfache Intensivbegrünung“ haben, bei Werten bis zu zehn Grad eine „Extensivbegrünung“.

Beim Neubau sollen auf je 50 Meter begonnene Fassadenlänge drei Niststätten für Vögel und ein Quartier für Fledermäuse errichtet werden. Die Gebäude müssen so konzipiert sein, dass das „Tötungs- und Verletzungsrisiko für Vögel durch Kollisionen“ nicht erhöht wird.

So steht es in der Zusammenfassung der Stadtentwicklungsverwaltung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Diese ist am Dienstag vom Senat zur Kenntnis genommen worden und an den Rat der Bürgermeister gegangen. Doch die Zeit drängt. Deshalb hatte der Ausschuss am Mittwoch eine Anhörung dazu vorgezogen.

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Künftig soll bei Neubauten von mehr als drei Wohnungen – statt bisher sechs Wohnungen – das Anlegen eines Kinderspielplatzes verpflichtend sein. Ausnahmen gibt es, wenn in dem Gebäude nicht mit der Anwesenheit von dort wohnenden Kindern zu rechnen ist. Gebäude mit mehr als vier Geschossen müssen Aufzüge haben.

Dies gilt nicht beim Ausbau des obersten Geschosses oder der Aufstockung um bis zu zwei Geschosse. Bisher mussten in Neubauten mit mehr als zwei Wohnungen ein Drittel der Wohnungen barrierefrei sein, das sollen künftig 50 Prozent der Wohnungen sein.

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Ebenfalls neu in der Bauordnung sollen unter anderem die Berücksichtigung der „Baukultur“ und die „Lebenszyklusphasen“ baulicher Anlagen sein. Planer müssen berücksichtigen, welche Rohstoffe sie im Sinne der Nachhaltigkeit verwenden. Eine Definition der „Baukultur“ fehlt noch in der Vorlage. Bausenator Sebastian Scheel (Linke) sagte, ökologische Belange hätten einen hohen Stellenwert. „Mit der Bauordnung sind wir für die Zukunft gut gerüstet.“

Artenschutz soll beim Bauen mitbedacht werden

SPD-Stadtentwicklungspolitiker Daniel Buchholz sagte, man mache mit der Novelle einen großen Schritt „hin zum nachhaltigen Bauen nach aktuellen Klima- und Umweltschutzanforderungen, damit das Wohnen in diesen Wohnungen auch noch nach 50 Jahren noch lebenswert ist“.

Für den Grünen-Abgeordneten Andreas Otto ist der Artenschutz in der Bauordnung wichtig, und dass „die Leute ihre Gärten nicht so zupflastern“. CDU-Baupolitiker Christian Gräff forderte dagegen eine „schlanke, schnellere Verordnung“, damit Bauen schneller gehe. Die FDP ist laut Baupolitiker Stefan Förster der Meinung, dass man gar nicht so viele Regelungen in der Bauordnung benötige. Der AfD-Abgeordnete Harald Laatsch sprach von „Kostentreiberei auf allen Ebenen“.

Auch das 2013 eingeführte Zweckentfremdungsverbotsgesetz will die Koalition noch vor der Wahl im Herbst nachschärfen. Senator Scheel hat dazu einen Vorschlag gemacht, der aber selbst in der eigenen Koalition auf wenig Gegenliebe stößt. Im Kern geht es darum, dass Wohnungen auch zum Wohnen genutzt werden, nicht Jahre lang leerstehen, abgerissen werden oder als Ferienwohnungen vermietet werden.

Mit dem neuen Gesetz soll abgeschreckt werden

„Wir wollen durch gesetzliche Normierungen eine abschreckende Wirkung schaffen“, sagte er am Mittwoch. Seit 2013 hätte man es geschafft, 15000 Wohnungen wieder in den Mietmarkt zurückzuführen, aber es gebe noch Nachschärfungsbedarf insbesondere bei der Registrierung von Ferienwohnungen. Im Senat wurde das Gesetz schon beschlossen, jetzt wird es im Parlament aber nochmal breit diskutiert.

Es seien deutlich weniger Nummern vergeben worden, als es Buchungsangebote auf den üblichen Portalen wie AirBnB gebe. Nach Tagesspiegel-Informationen hat nur jeder zehnte eine solche Nummer. „Wir wollen deshalb eine Registrierungspflicht für alle einführen“, sagte Scheel. Jeder, der ab und an untervermietet, bräuchte dann eine solche Registrierung.

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Um illegales Vermieten von Ferienwohnungen und Leerstand in Berlin zu bekämpfen, will die rot-rot-grüne Koalition auch auf Steuerdaten zugreifen. SPD, Linke und Grüne stimmten dazu Anfang Juni für einen Antrag an den Senat, im Bundesrat eine Initiative zur Aufweichung des Steuergeheimnisses zu ergreifen.

Die Opposition kritisierte am Mittwoch ein „Datenmonster“ und „sozialistische Verhältnisse“ durch „Regelungswut“. Die FDP forderte zudem, Prozesse einfacher und digitaler zu machen, statt komplizierter – auch damit Vermieter sich keine Schlupflöcher suchten.

Grüne und Linke wollen noch strengere Regulierung

Michelle Schwefel, Geschäftsstellenleiterin des Deutschen Ferienhausverbandes, kritisierte: „Die Zahl der dauerhaft als Ferienwohnung vermieteten Wohnungen beläuft sich auf knapp ein Prozent des Gesamtwohnungsbestandes, daher sehen wir durch solche Zweckentfremdungsverbote nur einen geringen Effekt.“

Besonders Linke und Grüne wollen aber noch schärfere Regeln für Eigentümer – und die vorhandenen Vorgaben strenger durchsetzen. Abriss soll besser verhindert werden, Leerstand durch Treuhandregelungen bekämpft, die Ausnahmen für Kurzzeit-Vermietungen noch genauer gefasst werden. Ein Änderungsantrag wird in den kommenden Wochen zwischen Grünen, Linken und SPD abgestimmt.

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