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Teures Überholmanöver. Die Grundsanierung der Trasse soll 18 Millionen Euro kosten – die Finanzierung ist bis jetzt nicht gesichert.

© Kitty Kleist-Heinrich

Grünau und Schmöckwitz: Anwohner demonstrieren für Rettung der Uferbahn

Die Uferbahn zwischen Grünau und Schmöckwitz soll stillgelegt werden, weil sie auch durch das Einzugsgebiet von Berlins größtem Wasserwerk führt. Anwohner protestieren.

Düdeldüm, macht die automatische Haltestellenansage und spricht: „Regattatribünen“. Düdeldüm. „Sportpromenade“. „Strandbad Grünau“. „Zum Seeblick“. Haltestellennamen wie aus einem Urlaubskatalog. Dazwischen Wald, verschlafene Wohngegenden und das Ufer der Dahme mit weitem Blick auf Müggelberge und noch mehr Wald. Auf gerader Strecke segelt die Bahn mit Tempo 60 dahin, aber um manche morschen Kurven muss sie schleichen. Dann kann man die riesige Kreideschrift auf dem parallelen Uferweg besser lesen: „Die Uferbahn muss weiterfahr’n! Kommt zur Menschenkette am Samstag, 9. April um 15 Uhr!“ Die blauen Schilder, die aufs Trinkwasserschutzgebiet hinweisen, fallen kaum auf, obwohl sie für ein Riesenproblem stehen: Die Tram 68, Uferbahn genannt, führt auf ihrem südlichen Abschnitt durchs Einzugsgebiet von Berlins größtem Wasserwerk.

Ende 2006 wurde die Trasse nur provisorisch instand gesetzt, um die avisierten vier Millionen Euro für die Grundsanierung zu vermeiden. Die wäre jetzt fällig – und soll plötzlich 18 Millionen Euro kosten, denn die Umweltverwaltung verlangt neuerdings ein abgedichtetes Betonfundament, damit kein Öltropfen aus der Tram das Grundwasser verseucht. Die Stadtentwicklungsverwaltung würde rund die Hälfte beisteuern. Das Geld würde von den 50 Millionen abgezwackt, die der Senat für 2010 wegen der Ausfälle der S-Bahn einbehalten hat. Die andere Hälfte müsste die BVG übernehmen, deren Aufsichtsrat sich aber bisher nicht durchringen konnte. Dass der Aufsichtsratschef zugleich der Finanzsenator ist, dürfte erschwerend hinzukommen.

Nach dem letzten Düdeldüm ist Alt-Schmöckwitz erreicht, mit Dorfanger und Kirche. Es ist die Gemeinde von Almuth Berger, die in ihrem Leben als Pfarrerin in der DDR und Ausländerbeauftragte in Brandenburg schon mit wirklich existenziellen Problemen zu tun hatte. Das bewahrt sie jetzt, als Rentnerin und Vorsitzende des Ortsvereins, vor Hysterie in ihrem Kampf um die Straßenbahn. „Diesmal geht es nicht um Leben, sondern um Lebensqualität“, sagt sie. Die gigantische Kostensteigerung kommt ihr ebenso verdächtig vor wie die plötzliche Notwendigkeit der Betonwanne. Schließlich verwende die BVG nach eigenem Bekunden nur umweltfreundliche Schmierstoffe. Und dass der Senat im Grunewald auf der ebenfalls ungeschützten Havelchaussee Autos und Busse durchs Wasserschutzgebiet fahren lässt, aber in Köpenick ausgerechnet die bekanntermaßen umweltfreundliche Tram durch Öko-Auflagen gefährdet, will ihr auch nicht einleuchten.

Aber sie will nicht meckern, sondern lieber möglichst viele Leute für die Menschenkette gewinnen. Das ist nicht einfach im April, wenn die Ausflugssaison erst in der Kaltstartphase steckt und die Wassersportler noch beim Wintertraining sind. An solchen Tagen sitzen manchmal nur ein paar vereinzelte Leute in der Bahn. An Sommerwochenenden dagegen kommen kaum alle mit. Quer durchs Jahr schätzt die BVG reichlich 1000 Fahrgäste pro Tag; die Uferbahnretter halten eher 2000 für realistisch.

Um mehr Auswärtige zu locken, laden Almuth Berger und ihr Ortsverein nach der Menschenkette zum Picknick auf den Anger. Der Umweltverband BUND will ohnehin mit ein paar Leuten vorbeikommen, und die Teilnahme einiger treuer Straßenbahnfans aus anderen Bezirken dürfte auch gesichert sein. Ohne auswärtige Unterstützer müssten die Anwohner vollzählig antreten, um die Menschenkette entlang der fast acht Kilometer langen Strecke zu schließen. Zur Überbrückung drohender Lücken sind Paddel und Boote erlaubt. Außerdem haben Schüler aus Schmöckwitz großformatige Plakate gemalt.

Um den Zusammenprall von Betriebswirtschaft und wahrem Leben zu dämpfen, haben die Straßenbahnretter grob überschlagen, dass die dauerhafte Umstellung auf Busverkehr – Gleise raus, Kurven breiter, Ampeln her – rund zwölf Millionen Euro kosten würde. Almuth Berger fände das für eine so gravierende Verschlechterung ziemlich teuer. Zu den Argumenten für den Verstand hat sie auch eines fürs Herz: „Die Strecke ist ja vor 100 Jahren sogar von den Leuten aus Schmöckwitz bezahlt worden, weil ihnen der Anschluss zur Eisenbahn nach Grünau so wichtig war.“

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