zum Hauptinhalt
Rund 6500 Straßenbäume sind seit 2012 dank Spenden in Berlin nachgepflanzt worden.

© Doris Spiekermann-Klaas

Grün in Berlin: Tausende neue Straßenbäume sind noch nicht genug

Die Berliner Stadtbaumkampagne ist erfolgreich und läuft weiter. Aber ein Trick schönt die Bilanz. Und der Bauboom macht neue Probleme.

Auf Termine wie diesen wird er als Innensenator verzichten müssen: Am Donnerstag hat Noch-Umweltsenator Andreas Geisel (SPD) Straßenbaumspender ins Café im Volkspark Pankow-Blankenfelde geladen, um ihnen zu danken: Seit dem Start der Aktion Ende 2012 haben Privatleute, Firmen und Vereine Geld gespendet, um den jahrelangen Schwund der Straßenbäume zu stoppen. 10.000 Ersatzbäumchen hatte sich Rot-Schwarz 2011 in den Koalitionsvertrag geschrieben.

Tatsächlich sind es über die Ende 2012 gestartete Spendenkampagne nach Angaben der Umweltverwaltung rund 6500 Pflanzungen geworden, davon etwa 770 in diesem Herbst. Sobald 500 Euro beisammen sind, legt die Verwaltung die noch fehlenden 700 Euro für einen Baum samt Pflanzung und Pflege drauf. Wer die kompletten 500 Euro spendet, kann sich eine freie Baumscheibe aussuchen.

Der aktuelle Bauboom kostet weitere Bäume

Laut einer Bilanz der Umweltverwaltung sind in den vergangenen fünf Jahren durchweg mehr Straßenbäume gefällt als nachgepflanzt worden; von 2011 bis 2015 summiert sich das Defizit auf 9404 Bäume. Trotzdem weist die Statistik mit nunmehr 438.000 Straßenbäumen ein kleines Plus aus. "Bestandskorrektur" heißt der Zaubertrick, der Berlin gut 12 000 neue Bäume bescherte, die gar nicht gepflanzt wurden, sondern beispielsweise durch Widmung neuer Straßen oder Nachzählungen auf die Liste kamen. Außerdem erwartet die Verwaltung für die nächsten Jahre "noch deutliche Erhöhungen", wenn die Bezirke ihre Baumkataster aktualisiert haben.

Christian Hoenig, Baumreferent beim Umweltverband BUND, kritisiert das System der Bestandskorrekturen seit Jahren als willkürlich und intransparent. Nach seiner Einschätzung "sind wir von der grünen Null immer noch ein Stück entfernt", aber dank der Stadtbaumkampagne sei der Schwund gebremst. Dafür sieht Hoenig ein neues Drama: Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, hätten zwar die Stadtentwicklungsämter neues Personal bekommen, nicht aber die Naturschutzbehörden. Die seien nun der "Flaschenhals" in den Genehmigungsverfahren – und hätten entsprechenden Druck, Neubauten nicht zu verzögern.

BUND-Experte Hoenig: "Nachverdichtungen besonders schlimm"

Mehrere Bezirksstadträte bestätigen das massive Personalproblem in ihren Naturschutzbehörden. Für Charlottenburg- Wilmersdorf gilt nach Auskunft von Oliver Schruoffeneger (Grüne), dass Bauanträge vorrangig bearbeitet werden – "zulasten des armen Einfamilienhausbesitzers, der in seinem Garten was fällen will und wartet und wartet und wartet". Carsten Röding (CDU) aus Spandau betont, dass "wir uns trotz des Personalmangels die Bäume immer noch angucken". Denn vom alten Baum hängen die Auflagen für Ersatzpflanzungen und Ausgleichszahlungen ab. Bauherren könnten wählen, ob sie pflanzen oder zahlen. Das Geld verwenden die Bezirke dann ihrerseits für Neupflanzungen und Grünpflege.

BUND-Experte Hoenig hält "Nachverdichtungen für besonders schlimm": Mieter müssten zuschauen, wie das Grün vor ihrer Haustür verschwinde oder bestenfalls durch ökologisch wenig wertvolle Anlagen ersetzt werde. "Wir kippen gerade Beton über den Hotspot der Artenvielfalt, der Berlin bisher ist", resümiert er.

Schruoffeneger kennt das Problem: "Selbst wenn es nur ein Baum ist, ist es für die Anwohner oft ganz fürchterlich." Sein Pankower Kollege Jens-Holger Kirchner (Grüne) bestätigt dieses Phänomen, hält die Lage aber insgesamt nicht für dramatisch: "Wir haben allein in Pankow 100 000 Bäume, davon 43 000 Straßenbäume. Da spielen die Fällungen für Neubauten im Verhältnis zahlenmäßig keine große Rolle."

Bäume statt Tüten, Bäume statt Becher

Monatelang haben Einzelhändler am Klausenerplatz in Charlottenburg fünf Cent für jede Plastiktüte gespendet, auf die ihre Kunden verzichtet haben. Jetzt waren 10.000 vermiedene Tüten und 500 Euro geschafft, sodass in der Nehringstraße ein Spitzahorn gepflanzt werden konnte. S-Bahn, BioCompany und Marktzeit haben über Verkauf eines Mehrwegbechers und ein Rabattsystem 5000 Euro für zehn neue Bäume gesammelt. Die ersten beiden wurden am Mittwoch in der Wilmersdorfer Straße gepflanzt. Weitere Infos: www.meinbecher.berlin.

Infos zur Straßenbaukampagne:

www.berlin.de/stadtbaum

Zur Startseite