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Wird bestimmt schön. Noch aber sind das Beeindruckendste am alten Zuschauersaal noch die Deckenstützen und Gerüste. Aber wenn er erst einmal fertig ist ...

© Rainer Jensen/dpa

Großbaustelle in Berlin: Für 15 Euro in die Staatsoper

Baustellenführungen sollen die Sanierung Unter den Linden transparent machen – Touristen wie Berliner freuen sich. Aber es wird offensichtlich, wie viel an der Staatsoper noch zu tun ist.

Nur wenige beachten die kleine rote Ticketbox vor der Staatsoper-Baustelle an diesem gefühlt ersten Frühlingstag. Die hellen Mauern der Humboldt-Universität gegenüber strahlen, die Sonne blendet vom Himmel. Ein älteres Pärchen flaniert am Verkaufsschalter vorbei, davor ein Schild mit der Aufschrift „Baustellenführungen“ und in kleiner Schrift, fast verschämt, der Preis: 15 Euro. „Frechheit“, raunt die Dame ihrem Mann zu. Die Führungen durch das Schillertheater, wo die Staatsoper für die Zeit der Sanierung untergekommen ist, kosten nur fünf Euro.

Seit Mai letzten Jahres – also ein halbes Jahr nach der ursprünglich geplanten Wiedereröffnung – werden die Rundgänge über die Staatsoper-Baustelle angeboten. Und ungeachtet des Eintrittspreises sind einige Termine Wochen vorher ausverkauft. Ob die Leute einfach sehen wollen, in welcher Grube die Baukosten sind? Von ehemals 200 auf nunmehr 390 Millionen Euro wurde die Summe im Laufe der Zeit korrigiert, Bund und Land teilen sich die Kosten.

"Betreten auf eigene Gefahr"

Auswärtige und Berliner sind es dann auch, die an diesem Tag in der Besuchergruppe sind. „Ich mache gerade einen zweiwöchigen Kultururlaub in Berlin und habe schon einiges über die Baustelle gelesen“, sagt die 28-jährige Gabi Reinhardt aus Kassel, während sie sich im Besucherzentrum, einem öden Container auf dem Gelände, klobige Sicherheitsschuhe anzieht. Viel zu erkennen ist erst mal nicht: Planen verdecken die Fassade, am Wegesrand liegen Baumaterial, Kabelrollen und Geröll.

Baustelle als Touristenattraktion - Gabi Reinhardt aus Kassel hat die Staatsoper besucht.
Baustelle als Touristenattraktion - Gabi Reinhardt aus Kassel hat die Staatsoper besucht.

© Angie Pohlers

„Betreten auf eigene Gefahr“, sagt Führer Jörg Freyer vor Beginn der Tour und rattert die Sicherheitsvorkehrungen herunter. „Sollten wir irgendwo abstürzen, ist das zwar meine Schuld – aber ob uns das dann hilft?“ Die Gruppe lacht. Berliner Schnauze gehört zu einer Baustellenführung dazu. Als Einstimmung auf den Rundgang zeigt Freyer ein Video. Ein bisschen Geschichte, ein bisschen Zukunft – kein Wort jedoch über die Probleme auf der Baustelle. Ursprünglich sollten die im Herbst 2010 begonnenen Arbeiten drei Jahre dauern. Doch der Zeitplan verschob sich immer wieder. Mal lag es an den alten Gemäuern und dem aufwendigen Denkmalschutz, dann wieder an Holz im Boden oder an der Insolvenz einer beteiligten Ingenieursfirma. Viele glauben, dass Missmanagement bei der Planung die Wurzel des Übels ist. Die Kosten entwickelten sich fast unaufhaltsam. Daran wird auch das Geld nichts ändern, das durch Führungen reinkommt: Die Einnahmen fließen in die Kasse der Staatsoper und kommen dem Bau nicht zugute. „Der Bauleitung gefällt das natürlich nicht, dass wir hier rumstiefeln – aber der Senat wollte die Sache transparenter machen“, sagt Jörg Freyer.

Balanceakt über wackelige Holzplanken

Bei der Führung geht es durch alle Gebäudekomplexe. Im Neubau des Probenzentrums zeigt Freyer stolz die neuen Räume für den Chor und das Orchester. Im größten Saal soll einmal unter Bühnenbedingungen geprobt werden können. Die Besucher bewundern die Deckenhöhe in dem betongrauen Kubus. Ein paar Stockwerke darunter steht die Gruppe zwischen Mineralwolle und Aluleisten, in einiger Entfernung ist ein großes Loch in der Mauer. „Das wird die neue Lkw-Zufahrt für das Ab- und Beladen der Requisiten.“

Freyer muss viel erklären, oft ist nicht erkennbar, was da eigentlich gerade im Bau ist. Wo Treppen fehlen, balanciert die Gruppe über wackelige Holzplanken, vereinzelt bleiben Füße an Kabeln hängen, an den Ärmeln klebt weißer Staub. Näher dran an der Baustelle geht nicht.

Die Baustelle ist faszinierend - aber ob sie auch fertig wird?

Die Imposanz des Zuschauerraumes lässt sich derzeit nur erahnen. Bis unter die Decke sind Gerüste und Stützen aufgebaut, ein verwirrendes Geflecht aus Metall und Kabeln. Besucherin Britta Wallis fragt sich trotzdem jetzt schon, was wohl mit dem großen Kronleuchter passiert, der zuvor von der Decke baumelte. Sie macht die abenteuerliche Führung gemeinsam mit Mann und Schwiegervater. „Aus Berliner Neugier“ wollen die drei Pankower die Baustelle sehen. Schwiegervater Ekkehart, ehemals selbst in der Baubranche tätig, fotografiert alles und fragt vor allem nach technischen Details. „Vom Aufwand her stellt sich schon die Frage, warum man die Staatsoper nicht neu gebaut hat“, sagt er am Ende der Führung. Sein Sohn Roy hat eine emotionalere Verbindung zum Haus. Zu DDR-Zeiten war er Mitglied des Kinderchors. Dass die Oper noch nicht wie eine Oper aussieht, macht seiner Frau Britta keine Sorgen. „Es ist faszinierend zu sehen, was heute alles möglich ist.“ Ob es reicht, um bis Oktober 2017 fertig zu werden, steht auf einem anderen Blatt.

Besucher "aus Berliner Neugier": Britta, Roy und Ekkehart Wallis
Besucher "aus Berliner Neugier": Britta, Roy und Ekkehart Wallis

© Angie Pohlers

Sonntags und an Feiertagen bietet die Staatsoper Führungen auf der Baustelle für 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Informationen zu Zeiten und Tickets gibt es unter www.staatsoper-berlin.de (Unterpunkt „Spielplan“, „Veranstaltungen auf der Baustelle“) sowie an der Theaterkasse.

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