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Riesige Rauchschwaden ziehen übers Land bis nach Berlin.

© dpa

Update

Größter Waldbrand in Mecklenburg: Brandgefährliche Rauchzeichen aus dem Norden

Bei Ludwigslust-Parchim wütet der bislang größte Waldbrand in Mecklenburg-Vorpommern. Ein früherer Truppenübungsplatz steht in Flammen. Orte wurden geräumt.

Von Sandra Dassler

Auch wenn es viele erst nicht glauben wollten – der Brandgeruch, den am Montagvormittag viele Berliner und Brandenburger wahrnahmen, kam diesmal weder von Jüterbog noch aus der Lieberoser Heide, noch aus Hohenschönhausen, wo es in den vergangenen Tagen brannte, sondern aus dem „hohen Norden“.

Genauer gesagt – aus Lübtheen im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim, einer Kleinstadt etwa 200 Kilometer vom Berliner Zentrum entfernt. Am Sonntagabend war dort ein schon gelöscht geglaubtes Feuer wieder aufgeflammt, das sich innerhalb von wenigen Stunden zum größten Waldbrand in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns entwickelte.

„Dort steht eine riesige Fläche von mehr als 400 Hektar in Flammen“, sagte der brandenburgische Waldbrand-Beauftragte Raimund Engel am Montag dem Tagesspiegel: „Während wir in Brandenburg zum Glück derzeit nur kleine Brände haben, gibt es bei Lübtheen ein Riesenfeuer mit sehr starker Rauchentwicklung.“ Gegen 21 Uhr hatte sich die Fläche auf 470 Hektar ausgeweitet. Das sind etwa 4,7 Quadratkilometer. Bis zum späten Abend war das Feuer nicht unter Kontrolle.

Das liegt daran, dass ähnlich wie bei den Großfeuern in Jüterbog und in der Lieberoser Heide auch hier die Feuerwehrleute nur bedingt löschen können, weil es sich bei der Brandfläche um einen früheren Truppenübungsplatz handelt.

Das Gelände sei hochgradig mit Munition belastet, sagte der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD). Deshalb dürften sich die Einsatzkräfte dem Brandgebiet nur bis auf tausend Meter nähern – auch, weil es immer wieder zu Explosionen komme. Laut Backhaus liegen auf dem Gelände Munition und Granaten von Manövern, aber auch Sprengmittel aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dort hatte die Marine ihr Munitions-Hauptlager unterhalten, das 1945 gesprengt wurde.

Helikopter und Löschpanzer sind im Einsatz

Mit Hilfe von Löschpanzern und Löschhubschraubern versuchten am Montag etwa 400 Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW, DRK und Bundeswehr, das vom Wind immer wieder angefachte Feuer einzudämmen. Weitere Kräfte – auch aus benachbarten Bundesländern – seien angefordert worden, hieß es.

Nach Angaben von Backhaus werden die alten Kiefernbestände seit Jahrzehnten nicht mehr forstlich bewirtschaftet. Somit liege auch extrem trockenes Altholz am Boden. „Das brennt wie Zunder“, sagte der Minister: „Eine Riesengefahr.“

Ein Hubschrauber der Bundespolizei transportiert Löschwasser zu einem Brandherd in der Nähe der evakuierten Ortschaft Alt Jabel.
Ein Hubschrauber der Bundespolizei transportiert Löschwasser zu einem Brandherd in der Nähe der evakuierten Ortschaft Alt Jabel.

© dpa, Jens Büttner

Nach Angaben von Stefan Sternberg, dem SPD-Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim, wurden in der Nacht und am Morgen drei Ortschaften, die unmittelbar an den Brandherd grenzen, vorsorglich evakuiert. Dabei handele es sich um Alt Jabel, Jessenitz-Werk und Trebs. Betroffen seien insgesamt 650 Menschen, die zumeist bei Verwandten und Bekannten oder in der Turnhalle von Lübtheen unterkamen.

Zudem sei ein Ferienlager mit 100 Kindern geräumt worden. „Es geht im Moment nicht um das Löschen des Brandes“, sagte Sternberg, der schon am Sonntagabend Katastrophenalarm ausgelöst hatte: „Es geht um die Sicherung der Ortschaften, um Leib und Leben.“

Ein Deodorant-Werk stellte die Produktion ein

Weitere Evakuierungen seien nicht ausgeschlossen. Ein in der Nähe des Brandes liegendes Werk für Deodorants habe aus Sicherheitsgründen die Produktion eingestellt, die Gasleitungen dorthin seien abgestellt worden.

Nach Angaben von Minister Backhaus befindet sich am Brandherd zudem ein Zerlegungsbetrieb des Munitionsbergungsdienstes, der besonders vor Feuer geschützt werden müsse. „Wir haben alle Maßnahmen getroffen, um das zu sichern. Aber das ist natürlich eine zusätzliche Herausforderung.“

Als Ursache vermuten die Behörden Brandstiftung

Als Ursache des Feuers vermuten die Behörden Brandstiftung. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge soll es an drei Stellen ausgebrochen sein. Innenminister Caffier wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht näher dazu äußern.

Die Rauchschwaden aus Lübtheen zogen am Montagmorgen jedenfalls bis nach Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort waren Menschen aufgerufen, Fenster und Türen geschlossen zu halten, wie aus einer amtlichen Warnung der Regional-Leitstelle Nord-West über die Notfall-Informations- und Nachrichten-App NINA hervorging. Der Brandgeruch war aber auch im rund 200 Kilometer entfernten Berlin wahrnehmbar.

Die Hauptstadt-Feuerwehr twitterte: „Der Geruch ist lästig, aber nicht gefährlich.“

Voller Einsatz. Feuerwehr-Teams am Rand des brennenden Waldgebietes.
Voller Einsatz. Feuerwehr-Teams am Rand des brennenden Waldgebietes.

© dpa, Jens Büttner

Auch bei der Regionalleitstelle Nordwest in Potsdam meldeten sich mehrere Anrufer pro Stunde. Bürger berichteten von einer enormen Belästigung. Betroffen waren vor allem die Städte Neuruppin und Potsdam. Anrufe kamen auch aus der Prignitz und dem Havelland. Selbst in Sachsen war der Rauch deutlich zu riechen. Die Mitarbeiter der Rettungsleitstellen in Leipzig und Dresden beruhigten die Anrufer nach eigenen Angaben und verwiesen auf Lübtheen.

„Der Wind hatte in der Nacht merklich aufgefrischt“, sagte Waldbrand-Beauftragter Raimund Engel am Montagmittag: „Er weht aus Nordwest und so dringt der Geruch bis Berlin und Brandenburg. Vor allem, weil wir zusätzlich eine sogenannte Inversionswetterlage haben.“

Der Rauch stieg nicht hoch, sondern verteilte sich horizontal

Das bestätigten auch Wetter-Experten. Eine Inversionswetterlage ist durch eine Umkehr (lateinisch: inversio) der normalen Temperaturunterschiede geprägt: ausnahmsweise sind die oberen Luftschichten wärmer als die unteren. „Das ist, als wenn sie einen Deckel auf den Topf machen“, sagt ein Sprecher der Leitstelle Lausitz in Cottbus, „dann kann der Rauch nicht nach oben steigen und verteilt sich horizontal.“ Gefährlich sei das nur bedingt, hieß es. Man solle sich dem Geruch jedenfalls ohne Not nicht zu lange aussetzen.

Der auffrischende Wind habe am Montag ein übriges getan, um den Brandgeruch über weite Strecken zu verteilen, sagte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD): „Aus Dänemark kam eine Kaltfront über die Nordsee, die nach Südosten zog und südlich von Berlin sogar Windstärke 7 erreichte“.

Es grenzt schon an ein Wunder, das zumindest bis zum späten Montagabend in Brandenburg und Berlin nur kleinere Brände gemeldet worden waren. Entwarnung in Sachen Brandgefahr können die Experten aber vor allem für den Osten nicht geben, sagt DWD-Sprecher Friedrich: „Die Temperaturen gehen zwar auch dort etwas zurück, aber bis Ende dieser Woche ist kein Regen in Sicht“ Und wie es danach weitergehe, könne derzeit noch niemand sagen.

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