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Hauptversorger. Der schwedische Konzern ist der größte Energieversorger der Stadt, die ökonomische Lage angespannt.

© dpa

Größter Versorger in Berlin: Vattenfall erhöht die Strompreise – Wechselfrist läuft ab

Ab dem 1. August erhöht der Versorger die Preise, Verbraucherschützer kritisieren das. Vor allem Kunden, die viel Strom verbrauchen, müssen mehr zahlen.

Von Laurin Meyer

Verbraucher haben derzeit Grund zur Freude: Viele Händler locken mit Angeboten, die meisten geben die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weiter. Der Blick auf die Stromrechnung dürfte die Laune der meisten Verbraucher jedoch wieder trüben. Denn erneut erhöhen zahlreiche Stromanbieter ihre Preise – darunter auch Vattenfall.

Der größte Versorger der Hauptstadt hebt ab Sonnabend den Preis pro Kilowattstunde in der Grundversorgung von 31,14 Cent auf 33,25 Cent an. Der Grundpreis bleibt hingegen stabil bei 8,20 Euro pro Monat. Das bedeutet: Teurer wird es vor allem für diejenigen, die viel Strom verbrauchen.

Für den typischen Berliner Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresstromverbrauch von 2200 Kilowattstunden entstehen Mehrkosten von monatlich 3,87 Euro, rechnet Vattenfall vor. Für die Tarife „Easy12“ und „Easy24“ beziffert Vattenfall die Erhöhung auf rund 5,4 Prozent. Vattenfall begründet die höheren Preise mit gestiegenen Abgaben und Umlagen sowie höheren Entgelten für die Netznutzung. Auch die Preise für die Beschaffung von Strom seien „in den letzten Jahren“ gestiegen, heißt es vom Unternehmen.

Verbraucherschützer sehen das ganz anders. Die Preise müssten sinken und nicht steigen, sagen sie. So habe sich der Börsenstrompreis zumindest gegenüber dem Mittelwert der Jahre 2018 und 2019 zwischenzeitlich sogar wieder halbiert. „Angesichts der Coronakrise müssen die Energieversorger dringend die Verbraucher mit einer niedrigeren Strompreisrechnung entlasten statt eigene Gewinne durch gesunkene Beschaffungspreise zu maximieren“, forderte jüngst der oberste Verbraucherschützer Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

Vattenfall: Haben als Grundversorger andere Risiken als Discounter

Vattenfall wiederum argumentiert mit der langfristigen Planung. „Als Grundversorger verfolgen wir eine andere Beschaffungsstrategie als etwa Strom-Discounter“, erklärt ein Sprecher. Das Unternehmen müsse dabei auch gewisse Risiken einkalkulieren. „Zu diesen Risiken gehört beispielsweise, dass wir bei Insolvenzen anderer Stromversorger von heute auf morgen sehr viel mehr Kunden zu versorgen haben“, heißt es.

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Wie Vattenfall hat im ersten Halbjahr dieses Jahres der Großteil der Grundversorger die Preise erhöht – insgesamt 677 von rund 900. Das zeigt eine Auswertung des Vergleichsportals Check24. Die Kosten für die Verbraucher stiegen dabei um durchschnittlich 6,8 Prozent. Nur fünf Anbieter haben die Preise gesenkt.

Kündigung geht bis kurz vor Mitternacht am 31. Juli

Die Vergleichsportale und Tarifaufpasser locken Wechselwillige mit großen Ersparnissen. „Durch einen Anbieterwechsel in Berlin spart man in den meisten Fällen nicht nur viele hunderte Euro, sondern bekommt Ökostrom quasi kostenfrei dazu“, sagt Arik Meyer vom Online-Wechselservice Switchup. Denn für die ohnehin schon teure Grundversorgung sei auch noch überwiegend Kohle- oder Atomstrom zuständig.

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Wer wechseln will, sollte allerdings die Fristen beachten. Ein Sonderkündigungsrecht haben Kunden nur bis zum letzten Geltungstag der alten Konditionen. Bei einigen Anbietern ist der Wechsel also nur noch am heutigen Freitag möglich. „Die Kündigung per Textform, also auch per E-Mail, bis kurz vor Mitternacht am Stichtag genügt“, weiß Meyer. Und Sorgen, plötzlich ohne Strom dazustehen, müssten sich Verbraucher nicht machen. „Ein Wechsel kann nie zum Stromausfall führen“, sagt Meyer. Solange der Vertrag mit dem neuen Versorger noch nicht abgeschlossen ist, übernimmt der alte.

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Vattenfalls wirtschaftliche Lage ist angespannt. In der Halbjahresbilanz stand ein Verlust von 1,59 Milliarden Kronen (rund 155 Millionen Euro). Im dazugehörigen Halbjahresbericht betonte der Konzern, dass die Kunden trotz der Pandemie ohne größere Störungen mit Strom, Gas und Wärme versorgt werden konnten.

Das Ergebnis sei dem Umständen entsprechend relativ stabil, wurde aber im zweiten Quartal unter anderem von niedrigen Strompreisen gedrückt. Gleichzeitig erlebe Vattenfall angespannte Marktbedingungen, besonders beim Strom aus fossilen Brennträgern. Dies komme nicht überraschend, resultiere aber in größeren Wertminderungen, darunter beim Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg aufgrund des von der Regierung beschlossenen Kohleausstiegs.

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