zum Hauptinhalt
Bettina Jarasch in der Landesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin-Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

„Grob fahrlässig“: Jaraschs Zwangsticket-Vorstoß für Touristen erregt Kritik

IHK und FDP kritisieren die Grünen-Spitzenkandidatin. Jarasch hatte im Interview mit dem Tagesspiegel von einem möglichen verpflichtenden BVG-Ticket für Touristen gesprochen.

Für ihren Vorstoß, ein verpflichtendes Nahverkehrsticket für Berlinbesucher einführen zu wollen, ist Grüne-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kritisiert worden. „In anderen Städten gibt es mit der City Tax ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr geschenkt. Übernachtungssteuer plus verpflichtendes ÖPNV-Ticket wären einzigartig und würden den Restart des Berlin-Tourismus im europäischen Wettbewerb der Destinationen grob fahrlässig aufs Spiel setzen“, sagte Hans-Jörg Schulze, Vorsitzender des Tourismus-Ausschusses der Industrie- und Handelskammer Berlin.

Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hätten Touristen jährlich 17 Milliarden Euro in der Stadt ausgegeben. Davon lebten 200.000 Berliner, so Schulze. Allein die bereits bestehende City-Tax habe 2019 zudem bereits 51 Millionen Euro in die Landeskasse gespühlt. "Was sollen Touristen noch alles finanzieren?", fragte er.

Zudem würde mit dem Pflichtticket die Berlin Welcome Card, die wichtigste eigenwirtschaftliche Einnahmequelle der landeseigenen Tourismusförderungsgesellschaft visitBerlin, "praktisch zunichte gemacht", sagte Schulze.

Auch die FDP machte ihre Ablehnung deutlich: „Zuschüsse und Investitionen für den ÖPNV müssen grundsätzlich aus dem Landeshaushalt zulasten anderer Ausgaben finanziert werden, anstatt dafür einfach zusätzliche Abgaben zu erfinden“, sagte Verkehrspolitiker Henner Schmidt. Ein Zwangsticket sei zudem unfair, denn es würde auf diejenigen zur Kasse bitten, die den Nahverkehr nicht nutzten.

Um den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mitzufinanzieren wollen SPD, Grüne und Linke eine dritte Finanzierungssäule einführen. Darauf haben sich die drei Parteien im Sondierungspapier für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geeinigt. Neben Fahrgeldeinnahmen und Landeszuschüssen sollen so zusätzliche Mittel generiert werden.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Ein Gutachten im Auftrag der Senatsverkehrsverwaltung hatte dazu in der vergangenen Legislaturperiode verschiedene Modelle untersucht. Verglichen wurden unter anderem ein Pflichtticket für alle Berliner, ein verpflichtendes Touristenticket, eine City-Maut und eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. Offen ist bislang, welches Instrument dazu genau in Frage kommt.

Jarasch hatte sich im Tagesspiegel-Interview (T+) in dieser Hinsicht unter anderem für ein verpflichtendes Ticket für Berlinbesucher für die Zeit ihres Aufenthalts ausgesprochen. Die gleiche Forderung hatte bereits die Berliner Linke im Wahlkampf erhoben. Die Chancen auf eine Einführung dürften daher nun gestiegen sein. Jedoch hatte Verkehrspolitiker Tino Schopf vom Koalitionspartner voraussichtlichen Koalitionspartner SPD der Idee zuletzt eine Absage erteilt. Die Erholung der Berliner Tourismusbranche nach der Corona-Pandemie solle durch eine solche Maßnahme nicht abgewürgt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false