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Zahlreiche Menschen warteten in einer langen Schlange vor den Wahllokalen im Tiergarten Gymnasium in der Altonaer Straße in Berlin.

© Monika Skolimowska/dpa

„Gravierende Missstände“ bei der Wahl: Verfassungsrechtler fordert Rücktritt der Berliner Landeswahlleiterin

Der Staatsrechtler Christian Waldhoff war selbst Wahlhelfer in Berlin. Das Wahl-Chaos und das Verhalten der Landeswahlleiterin sei unverzeihlich, sagt er.

Bei den Wahlen am vergangenen Sonntag kam es in Berlin zu riesigen Problemen. Der Verfassungsrechtler Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität war selbst als Wahlhelfer zugegen. In einem Beitrag auf dem „Verfassungsblog“ hat er nun seine eigenen chaotischen Erlebnisse geschildert – und fordert die Landeswahlleiterin Petra Michaelis auf, endlich Verantwortung für das Chaos zu übernehmen.

Einzige Konsequenz aus politischen, fachlichen und moralischen Gründen könne nur der Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertreterin sein, schreibt er. Demnach habe es „einige gravierende Missstände“ in seinem Wahllokal gegeben, schreibt Waldhoff.

Dass die Wahl insgesamt als nur mittelmäßig gut organisiert bezeichnet werden könne, überrasche ihn als mit der Berliner Verwaltung vertrauten Bürger nicht. Die Vorkommnisse bei der Wahl seien jedoch „von anderer Qualität“ gewesen.

So habe es in seinem Wahllokal trotz genügend Platz zunächst nur zwei Wahlkabinen gegeben. Da an dem Tag mit den Wahlen zum Bundestag, Abgeordnetenhaus, den Bezirksverordnetenversammlungen und dem Volksentscheid gleich mehrere Wahlen mit entsprechend vielen Kreuzen anstanden, überrasche die Gedankenlosigkeit derjenigen, die diese Wahlen in Berlin organisiert haben, konstatiert Waldhoff.

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„Das alles war vor der Wahl bekannt und jeder, der Erfahrung mit Wahlen und Abstimmungen hat, konnte und musste es antizipieren. Geschieht das – wie offensichtlich bei den Wahlen 2021 in Berlin – nicht, kann das nur als professionelles Versagen gekennzeichnet werden.“

Ausgegangene Stimmzettel „Gipfel der Desorganisation“

Zwar habe man in seinem Wahllokal gegen Mittag drei zusätzliche Wahlkabinen aufgebaut, die Schlangen blieben dennoch lang. Viele Wähler seien deshalb nach Hause gegangen, um sich mit Lektüre und Sitzgelegenheiten auszustatten. Man stelle sich nur vor, am Wahlsonntag wäre stürmisches, kaltes Regenwetter gewesen, schreibt der Rechtsprofessor.

„Es gehört nicht in den Bereich von Spekulation, dass dann viele Wählerinnen und Wähler auf eine Stimmabgabe angesichts der Umstände verzichtet hätten.“ In anderen Wahllokalen soll genau das Berichten von Wahlhelfern zufolge passiert sein. „Das wäre nicht nur glatt rechtswidrig, sondern vollends unerträglich“, kommentiert der Juraprofessor.

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Später gingen in seinem Wahllokal – wie in einigen anderen mehr – auch die Stimmzettel für alle Berliner Wahlen und Abstimmungen zwischenzeitlich aus. „Dieses Vorkommnis kann nur als Gipfel der Desorganisation durch die Berliner Verantwortlichen bezeichnet werden. Eine solche Panne ist beispiellos und unerklärbar.“

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Für problematisch hält Waldhoff daneben unter anderem, dass viele Wähler erst nach 18 Uhr und damit nach Bekanntgabe der ersten Prognosen wählen konnten. Ihr Wahlvorgang sei daher nicht mehr von den Ergebnissen unbeeinflusst. „Noch schlimmer war, dass offensichtlich in einigen Wahllokalen sogar falsche Stimmzettel auslagen. Die Wählerinnen und Wähler werden das regelmäßig kaum erkannt haben. Folge ist die Ungültigkeit der entsprechenden Stimmen.“

Waldhoff geht nicht von Wahlwiederholung aus

Trotz der offenkundigen Versäumnisse hat die Landeswahlleiterin Petra Michaelis einen Rücktritt bislang ausgeschlossen. Ihr Vorgehen nennt Waldhoff empörend.

„Dass in der Hauptstadt eines der wichtigsten, reichsten und entwickeltsten Länder der Erde es nicht möglich erscheint, demokratische Wahlen angemessen zu organisieren, ist nicht nur für die Berlinerinnen und Berliner peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem.“ Ob die gravierenden Probleme rechtliche Folgen haben, sei offen.

Von einer Wiederholung der Wahl geht Waldhoff angesichts der Eindeutigkeit der Ergebnisse nicht aus. „Die geschilderten vielfältigen Erschwerungen und Behinderungen der Stimmabgabe beeinträchtigen jedoch den Grundsatz der Freiheit der Wahl.“

Landeswahlleiterin Petra Michaelis sagte zu den Vorwürfen von Wahlhelfern und Wählern am Dienstagabend in der RBB-Abendschau: „Für die Durchführung und Organisation der Wahlen im Land Berlin trage ich die Verantwortung.“ Sie fügte hinzu: „Und wenn da was schiefgegangen ist, dann muss ich leider sagen, sind es die Bezirkswahlämter gewesen. Aber ich will da keine Schuldzuweisungen machen, weil die Bezirkswahlämter heillos überlastetet sind.“ Es folgte eine ausdrückliche Entschuldigung bei den Wählern und ein Bedauern.

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