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Gipskunstformer Sandro Michele bemalt ein 8900 Euro teures Replikat der Nofretete-Büste.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gipsformerei der Staatlichen Museen: Wo Gips denn sowas

Seit 200 Jahren wird in der Gipsformerei der Staatlichen Museen Geschichte festgehalten. Ein Werkstattbesuch samt Nofretete.

Die berühmte Büste der altägyptischen Königin Nofretete gibt es nicht nur im Neuen Museum in Mitte zu sehen. Jeder kann sie auch kaufen und damit zum Beispiel sein Wohnzimmer schmücken – vorausgesetzt, man ist bereit, 8900 Euro für ein originalgetreues farbiges Replikat an die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin zu zahlen.

Gipsgüsse für Kulturstätten und Kunstsammler

In den seit 200 Jahren existierenden Werkstätten, die wiederum seit 1891 in einem denkmalgeschützten Altbau nahe dem Schloss Charlottenburg untergebracht sind, entstehen Gipsgüsse für die Berliner Museen, aber auch für Kulturstätten und Kunstsammler in aller Welt. Selbst die heutige Quadriga auf dem Brandenburger Tor basiert auf einer „Schutzabformung“, die vor den Zerstörungen der alten Stadtmitte im Zweiten Weltkrieg zur Sicherheit von der Gipsformerei gemacht worden war. Daraus gestaltete die Berliner Bildgießerei Noack – auch schon 1897 gegründet – später die Ersatzskulptur auf dem Wahrzeichen.

All dies wissen nur wenige. Die Gipsformerei sei zwar die älteste Einrichtung der Staatlichen Museen, aber auch deren „unbekannteste, wenn nicht gar verkannteste Sammlung“, sagte Vize-Generaldirektorin Christina Haak am Dienstag bei einem Besuch. Der Anlass war eine Vorschau auf die Ausstellung „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei“, ab Ende August in der neuen James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel zu sehen.

Für die Gipsformerei bedeute das auch eine Rückkehr zu den Wurzeln. Von König Friedrich Wilhelm III. gegründet, gehörte sie ursprünglich zur Werkstatt des berühmten Bildhauers Christian Daniel Rauch. Vor dem Umzug nach Charlottenburg folgten noch Stationen im Alten Museum und im Königlichen Gießhaus an der Münzstraße.

Heute gilt die Gipsformerei als die weltweit größte noch aktive Kunstmanufaktur ihrer Art. Mehr als 7000 Abformungen von Kunstwerken aus verschiedensten Epochen und Kulturen gehören zum Bestand. Und dies sind nur die sogenannten Masterformen, aus denen weitere Replikate hergestellt werden können. Die Gesamtzahl aller gelagerten Objekte liegt bei etwa 17 000.

„Unsere Auftragsbücher sind voll“, sagt der Leiter der Einrichtung, Miguel Helfrich. Der jährliche Umsatz betrage ungefähr eine Million Euro, zu den Kunden zählen vor allem Museen und wissenschaftliche Sammlungen. „Wir sind spezialisiert auf besonders große und komplizierte Objekte“, betont Helfrich. Beispielsweise habe man gerade im Auftrag einer chinesischen Kunstakademie zwei Jahre lang an Nachbildungen der Friese des Pergamonaltars gearbeitet und dafür eine im Jahr 1890 erstellte Form genutzt. Manche andere Replikate stammen von Kunstwerken, die im Original schon gar nicht mehr oder nur noch stark beschädigt existieren.

Alte Handwerkskunst mit neuen Techniken

Gleichzeitig „konservieren wir alte Handwerkskunst“, sagt Helfrich. Nachwuchs-Fachkräfte zu finden sei allerdings sehr schwierig geworden. Beim Gipsabguss handele sich auch heute noch überwiegend um eine „analoge“ Methode. Teilweise wird diese allerdings durch digitale Technik ergänzt. Beispielsweise kommen elektronische Scans zum Einsatz, wenn ein Objekt zu empfindlich für einen mechanischen Gipsabdruck ist. Unter anderem basiert das neueste Nofretete-Replikat auf Scans.

Einrichtungsleiter Miguel Helfrich hat volle Auftragsbücher, jährlich werden eine Million Euro umgesetzt. 
Einrichtungsleiter Miguel Helfrich hat volle Auftragsbücher, jährlich werden eine Million Euro umgesetzt. 

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

In der angekündigten Jubiläumsausstellung werden zusätzlich Leihgaben aus internationalen Museen präsentiert. Dazu gehören etwa Tierköpfe, auch der Kopf des verstorbenen Eisbären Knut aus dem Berliner Zoo wird zu sehen sein – als Modell, das Mathematiker der Technischen Universität Berlin mit einem 3D-Drucker in einem Labor hergestellt haben. Anatomische Modelle menschlicher Körper, die aus der deutschen Kolonialzeit in Afrika stammen, will man indirekt erläutern, aber nicht zeigen. Sie seien in „übergriffiger“ Weise und rassistischer Absicht hergestellt worden, erklärt Kuratorin Veronika Tocha. Auch das gehört zur Geschichte dieser Traditionswerkstatt.

Die Gipsformerei (Sophie-Charlotten-Straße 17/18) kann man im Rahmen regelmäßiger Führungen besuchen. Infos unter www.smb.museum. Öffnungszeiten des Verkaufsraums: Montags bis freitags 9-16 Uhr, mittwochs 9-18 Uhr.

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