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Kostet Material, Zeit und Nerven - Katastrophenschutzübung in einer Rettungsstelle in Berlin-Zehlendorf.

© Kai-Uwe Heinrich

„Gigantische Investitionslücke“: Krankenhausgesellschaft fordert mehr Geld für Gesundheitswesen

Kliniken, Berufsverbände und Krankenkassen schreiben den Berliner Abgeordneten – sie alle fordern mehr Investitionen in den Gesundheitsstandort.

Eine ungewöhnlich breite Allianz aus Kliniken, Krankenkassen sowie Ärzte- und Pflegeverbänden fordert in einem offenen Brief an das Berliner Abgeordnetenhaus mehr Geld für das Gesundheitswesen. "Wir brauchen eine Investitionsoffensive", sagte der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), Marc Schreiner.

"Die vom Senat im Haushalt veranschlagten Mittel reichen nicht mal, um den Bestand zu halten." Er wies auf die "schwere Hypothek" der Sparpolitik früherer Jahre hin: "So ist eine gigantische Investitionslücke von zwei Milliarden Euro aufgelaufen." In den nächsten zehn Jahren seien 3,5 Milliarden Euro nötig.

In Berlin waren nach der Wende jahrelang Stationen geschlossen worden, viele Kliniken wurden während der Sparpolitik der rot-roten Senate kaum noch modernisiert. In Einzelfällen mussten Räume wegen bröckelnden Wandputzes und Nässe geschlossen werden.

Der aktuelle Berliner Haushaltsplan sieht für 2020 Investitionen in Höhe von 175 und für 2021 circa 200 Millionen Euro vor, deutlich mehr als in den Vorjahren. "Berlin wächst jedes Jahr um die Größe einer mittleren Stadt. Damit wachsen auch die Anforderungen an Krankenhausstrukturen", sagte Schreiner. "Darüber hinaus wollen Patienten an den neuen Versorgungsmöglichkeiten durch den digitalen Wandel in der Medizin partizipieren."

Einen gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Mittel haben sogenannte Plankrankenhäuser, also Kliniken, die für die Versorgung der Bevölkerung als notwendig erachtet werden. In Berlin sind dies 50 Krankenhäuser. Dazu gehören die landeseigene Klinikkette Vivantes, die ein Drittel aller Patienten der Stadt versorgt, Häuser privater sowie kirchlicher und gemeinnütziger Betreiber.

Der Charité-Campus in Mitte. Demnächst wird eine Pflegefachkraft im Vorstand der Klinik sitzen.
Der Charité-Campus in Mitte. Demnächst wird eine Pflegefachkraft im Vorstand der Klinik sitzen.

© Taylan Gökalp/dpa/ZB

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte vor einigen Monaten angekündigt, Berlin zur internationalen Gesundheitsmetropole ausbauen zu wollen.

Eine von Müller einberufene und von SPD-Bundespolitiker Karl Lauterbach geleitete Kommission "Gesundheitsstadt Berlin 2030" hat Vorschläge für den Aufbau eines modernen Forschungsstandorts gemacht: Die landeseigene Universitätsklinik Charité und Vivantes sollen eine Dachgesellschaft gründen, eine neue Akademie soll dringend benötigte Fachkräfte ausbilden und die Digitalisierung soll massiv vorangetrieben werden.

Geht es der Charité besser als anderen Kliniken?

Die Investitionen für die Charité sind so auch deutlich höher als die für die anderen Häuser, das Geld stammt aus dem Wissenschaftshaushalt. Am Montag hat der zuständige Ausschuss auch das neue Universitätsmedizingesetz. Es legt fest, dass dem Charité-Vorstand neben dem ärztlichen Direktor künftig ein Vertreter der Pflege angehören muss.

Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer, sagte am Montag, zu einer wachsenden Stadt gehörten gut funktionierende Krankenhäuser: "Investitionen in Krankenhäuser sind Investitionen für Menschen. Daher brauchen wir die Berliner Klinik-Offensive." Der Forderung nach Nachverhandlungen für den Landeshaushalt schlossen sich am Montag auch die Gewerkschaften Marburger Bund, Verdi und Beamtenbund an sowie die großen gesetzlichen Kassen.

Gesundheitssenatorin Kalayci: Mittel für Krankenhäuser verdoppelt

Die Sprecherin von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wies darauf hin, dass Berlin pro Einwohner mehr Geld für Krankenhäuser ausgebe als im Bundesschnitt üblich. In der Stadt flössen kommendes Jahr 48 Euro pro Einwohner und Jahr in die Kliniken, im Bundesschnitt seien es weniger als 39 Euro. Hinzu kämen für die nächsten drei Jahre 190 Millionen Euro Mittel des Bundes, die durch die Kofinanzierung des Landes ermöglicht werden.

Erfolgreiche Katastrophenschutzübung im Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf im Sommer 2019.
Erfolgreiche Katastrophenschutzübung im Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf im Sommer 2019.

© Kai-Uwe Heinrich

Auch im landeseigenen Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt, den Siwana-Mitteln, seien 100 Millionen Euro für Notaufnahmen, Kreißsäle und Patienten-Wlan vorgesehen. Zudem, so Kalaycis Verwaltung, wurden 2017 noch 79 Millionen Euro aus Landesmitteln für die Kliniken ausgegeben, 2019 bereits 160 Millionen Euro – schon dies sei schließlich eine Verdopplung.

Dem Bündnis rund um die Krankenhausgesellschaft reicht das nicht – auch, weil die Kliniken intern Kassengelder umbuchen müssen. Gesetzlich ist der Staat verpflichtet, für Klinikbauten und Technik aufzukommen, die Kassen bezahlen dafür Personal und Medikamente. Doch intern ist bekannt, dass Klinikchefs auch Kassengeld für Sanierungen ausgeben, das dann beim Personal fehlt.

Immer wieder hatten sich Pflegekräfte über Personalnot, Überstunden und hektische "Minutenpflege" beschwert. An der Charité war es Beschäftigten nach dem einem bundesweit beachteten Streik 2015 gelungen, verbindliche Personalschlüssel auf den meisten Stationen durchzusetzen.

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