zum Hauptinhalt
Wegen gewaltverherrlichender Tweets musste ein Vorstandsmitglied seine Ämter niederlegen.

© dpa

Update Exklusiv

Gewaltfantasien auf Twitter: Berliner Juso-Vorstandsmitglied muss zurücktreten

Ein Vorstandsmitglied der Berliner Jusos musste am Sonntag seine Ämter niederlegen. Sein Verhalten auf Twitter hatte für Entsetzen gesorgt. Die Julis fordern seinen Parteiausschluss.

Die Berliner Jusos haben Bengt Rüstemeier, Mitglied ihres erweiterten Vorstands, zum Rücktritt aufgefordert. Dieser hatte extremistische Gewaltfantasien getwittert, unter anderem gegen Mitglieder der Jugendorganisation der FDP Junge Liberale (Julis) und gegen Vermieter. Rüstemeier sei der Aufforderung am Sonntag nachgekommen, sagte Landessekretär Arne Zillmer dem Tagesspiegel.

"Nach allen vorliegenden Informationen bewertet der Juso-Landesvorstand die Tweets als untragbare Entgleisung", sagte Zillmer. Man befinde sich im Gespräch mit Rüstemeier "über das Verhalten in den sozialen Medien" und habe ihn außerdem dazu aufgefordert, seine Ämter bei den Jusos Berlin niederzulegen. Rüstemeier war bis Sonntag auch stellvertretender Vorsitzender der Jusos Pankow.

"Wir möchten betonen, dass wir uns als Jusos Berlin an vielen Stellen gegen Gewalt und Hatespeech engagieren – im Netz und offline", sagte Zillmer. "Jegliche Form von Gewalt gegen Menschen ist nicht mit unseren Grundwerten vereinbar."

Am Sonnabend hatten Screenshots von Rüstemeiers Twitter-Account (Jahrgang 1999 laut der Homepage der Jusos Pankow) auf Twitter die Runde gemacht.

„Jungl1b€ra£€ €r5h007€n wann?“ ("Jungliberale ershooten [erschießen] wann?) ist darauf zu lesen, und in einem anderen Tweet: „Ein v€rm1€7€rschw€!n (Vermieterschwein) persönlich zu €rsh0073n (ershooten) kann hilfreich sein aber, aber muss nicht notwendig voraussetzung sein.“

„Habe nie die Erschießung von Julis gefordert“

Außerdem twitterte der Student der Humboldt-Universität (HU), der dort auch noch Mitglied im Akademischen Senat ist, er käme "nicht umhin, eine klammheimliche Freude zu verspüren", sollte Amazon-Gründer Jeff Bezos "eines Tages unerwartet den Folgen einer Sprengstoffverletzung erliegen". Diese Tweets sind inzwischen gelöscht, der Account privat gestellt.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Wie der Tagesspiegel erfuhr, hatte sich Rüstemeier am Sonnabend dort noch wie folgt geäußert: "zur klarstellung, weil gerade viel über einen zwei tage alten, bereits gestern früh gelöschten tweet diskutiert wurde, der einen witz (man mag ihn unangemessen finden) in bezug auf sexistische julis beinhaltete: ich habe nie die erschießung von julis gefordert. den einsatz von gewalt gegen privatpersonen, insbesondere julis, lehne ich ab."

Er behalte sich außerdem vor, gegen falsche Tatsachenbehauptungen über ihn rechtlich vorzugehen. Seine Einlassung über Jeff Bezos indes schien er nicht zu bereuen: "soll ich stattdessen um bezos trauern oder was??" kommentierte er den Screenshot seines Tweets von einem Jungliberalen.

Julis fordern Parteiausschluss Rüstemeiers

Der Berliner Landesverband der Julis forderte am Sonntag Rüstemeiers Parteiausschluss. Der Vorsitzende David Jahn sagte: "Eine Sprache der Gewaltverherrlichung ist Boden für reale Taten. Wenn die Jusos sich glaubhaft von Gewalt gegen Menschen distanzieren wollen, darf jemand, der offen zu brutalster Gewalt aufruft, keinen Platz in diesem Verband haben." Ein Rücktritt aus dem erweiterten Landesvorstand reiche nicht aus, "um einen Schaden an unserer Demokratie abzuwenden", sagte Jahn.

Der Vorsitzende der Liberalen Hochschulgruppe Berlin-Brandenburg Ludwig Behr forderte außerdem das Präsidium, den Akademischen Senat und das Studierendenparlament der HU auf, Rüstemeier aus sämtlichen Gremien auszuschließen.

HU verurteilt Aufrufe zur Gewalt „auf das Schärfste“

Ob es für den Jurastudenten auch an seiner Universität Konsequenzen geben wird, war am Wochenende noch nicht klar. Der Akademische Senat, in dem Rüstemeier als einer von vier Studierendenvertretern sitzt, ist das oberste Gremium einer Universität.

Vor einem knappen Jahr hatte bereits ein anderer Studierendenvertreter, der die Kommission Lehre und Studium des Akademischen Senats leitet, anlässlich der Wiederwahl der umstrittenen Universitätspräsidentin über Gewalt geflapst. Auch auf Twitter, unter einem Tweet von Bengt Rüstemeier.

Ein Sprecher der HU teilte dem Tagesspiegel mit, das Präsidium verurteile "verbale Beleidigungen, diffamierende Äußerungen und Kommentare oder Tweets, die zu Gewalt aufrufen, auf das Schärfste. Die freie Meinungsäußerung erfährt dort ihre Grenze, wo es um beleidigende, diffamierende, andere Menschen in ihrer Würde verletzende Äußerungen und Behauptungen geht."

Das gelte für alle HU-Mitglieder – "egal ob Professorin oder Professor, Studentin oder Student. Hatespeech, Rassismus, Sexismus und Fremdenhass haben keinen Platz an der Humboldt-Universität und sind für uns in keiner Weise akzeptabel."

Auch Staatssekretär Krach distanziert sich

Angesprochen wurde das Thema von AfD und CDU auch am Montagmorgen im Wissenschaftssausschuss des Abgeordnetenhauses. Sie wollten von Staatssekretär Steffen Krach (SPD) wissen, wie sich die Senatskanzlei für Wissenschaft zu dem Fall verhält und ob es Gespräche mit der HU-Leitung darüber gebe. Krach verwies auf die Erklärung der HU und sagte: "Dem schließen wir uns als für die HU zuständige Fachaufsicht an."

Ein Verhalten wie das des Studierendenvertreters gehöre sich an keiner Hochschule, ergänzte Krach: "Da habe ich eine klare Auffassung zu, auch die HU-Leitung." Mit dieser sei er ständig im Gespräch, auch zu vielen anderen Themen. Krach machte klar, dass ein Mitglied des Akademischen Senats nicht abgewählt werden könne, sondern sein Mandat höchstens selber aufgeben könne. Er gehe davon aus, dass die Unileitung mit der Wahlliste, für die der Studierendenvertreter kandidierte, die Vorfälle des Wochenendes bespreche.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false