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Seit 2011 sind die Konfliktlotsen des Projekts „Bleib cool am Pool“ in Berlins Sommerbädern im Einsatz.

© picture alliance / dpa

Gewalt in Berliner Freibädern: „Hier treffen sich die, die woanders Hausverbot haben“

Immer wieder gibt es Ärger in Berliner Freibädern. Das Projekt „Cool am Pool“ soll das verhindern. Ein Besuch bei Konfliktlotsen in Pankow und Neukölln.

Der Essensplatz des Strandbads Pankow ist spärlich gefüllt. Es ist Samstag, 12 Uhr mittags, von dem Lautsprecher des Süßigkeitenstands breiten sich die sanften Ukuleleklänge von „Over the rainbow“ über Pommes, süße Schlangen und Wassereis. Die Sonnenschirme wanken sanft im Wind. Anfang Juni noch war es so voll am Eingang des Sommerbads, dass die Polizei die Menschenmassen beruhigen musste. Leute laufen geradewegs an den Absperrgittern bis zur Kasse.

Hartmuth Kurzhals schlendert den langen Weg vom Eingang des Sommerbads in Richtung Becken, sein federnder Gang verlangt nicht viel Fantasie, um ihn sich in seiner vergangenen Karriere als Basketballer bei Alba Berlin vorzustellen. Seine Statur tut ihr Übriges, hier im Strandbad Pankow überragt er die meisten anderen Gäste bei Weitem. Socken in Turnschuhen, kurze Hose und blaues Poloshirt, auf der Brust der Schriftzug „Bleib cool am Pool“. Seit 25 Jahren arbeitet Kurzhals bei der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit (GSJ), vor neun Jahren initiierte er das Projekt „Bleib cool am Pool“. Damals, 2010, eskalierte die Gewalt Kreuzberger Prinzenbad und dem Neuköllner Columbiabad dermaßen, so dass die Bäder auf Wunsch der Bäderbetriebe von der Polizei geräumt worden waren und zeitweise geschlossen wurden.

Kurzhals wollte das nicht auf sich sitzen lassen und stellte seine Idee mit den Konfliktlotsen und das Projekt „Bleib cool am Pool“ in Kooperation mit der Polizei vor. „,Bleib cool am Pool‘ ist eine Erfolgsgeschichte“, erzählt er, der immer mit sanfter Stimme spricht. Was vor neun Jahren in Kreuzberg und Neukölln startete, hat sich mittlerweile erfolgreich bewährt, im ersten Jahr der Konfliktlotsen mussten Prinzenbad und Columbiabad kein einziges Mal geschlossen werden.

Doch auch wenn das Sommerbad Pankow an diesem Samstag fast idyllisch anmutet, gibt es hier ganz regelmäßig Ärger. Anfang Juni musste das Bad vorübergehend wegen Überfüllung geschlossen werden, Mitte Juni sollen junge Männer Mädchen im Grundschulalter sexuell belästigt haben, auf der Facebook-Seite des Bades geben Besucher ihrem Frust Raum: Ein Vater bezeichnete das Bad dort Ende Juni als „reinste Katastrophe“, in drei Stunden habe er acht Schlägereien beobachtet.

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Dass die Situation hier gerade an manchen Tagen kaum erträglich scheint, liegt vornehmlich an zwei Dingen: Zum einen zählt das Sommerbad Pankow mit Columbiabad und Prinzenbad zu den meistfrequentierten Schwimmbädern der Stadt. Viele Menschen sind hier also auf einem Fleck, Ärger und Gewalt seien „ausnahmslos Phänomene an heißen Tagen“, erklärt Matthias Oloew von den Berliner Bäderbetrieben die Situation. „Hitze und Fülle befördern Stress und leicht Gereiztheit.“

Hotspots: Liegewiese, Sprungturm, Rutsche

Hinzu komme aber noch ein anderer Umstand, der dem Bad und den Konfliktlotsen seit etwa drei Jahren zu schaffen macht: „In Pankow haben wir deshalb Probleme, weil sich alle die, die in den anderen Bädern schon Hausverbot haben, jetzt hier treffen. Die machen dann hier ihre Show“, erzählt Kurzhals. Da kämen Krawallmacher aus Kreuzberg, aus dem Wedding und aus Neukölln. Kurzhals kennt die meisten persönlich. Am Eingang werden diese oft nicht erkannt, erst wenn dann drinnen was passiert, wird klar, wer dahintersteckt.

Und Kurzhals weiß auch ganz genau, wo es zu Ärger kommt: „Die Hotspots sind die Liegewiese, der Sprungturm und die Rutsche.“ Ganz bewusst positionieren sich die Konfliktlotsen deshalb an diesen Orten: damit an der Rutsche nicht gedrängelt wird, dass auf der Liegewiese nicht belästigt wird, damit am Sprungturm nicht einer auf den anderen hüpft.

Konfliktlotsen beobachten Verbesserung

Das Prinzip ist überall das gleiche, egal ob Sommerbad Pankow oder Columbiabad in Neukölln, das Hartmuth Kurzhals jetzt ansteuert. „Ich bin ja alter Neuköllner“, sagt Kurzhals, „als Kind war ich im Sommer im Columbiabad, im Winter in der Eishalle. Das war schon schön.“ Jetzt will er sein Columbiabad besuchen und zeigen, was für einen Unterschied dort seine Konfliktlotsen schon bewirkt haben. Auch hier ist heute mäßiger Andrang, im Vergleich zu den vergangenen Tagen wirken die 28 Grad fast mild. Kurzhals schüttelt Hände, am Sprungturm erkundigt er sich bei ein paar jugendlichen Konfliktlotsen, wie die Lage ist. „Alles gut, nur Ärger mit den Arabern“, sagt einer von ihnen. „Und was bist du?“, fragt Kurzhals. „Araber“, antwortet der Lotse und lacht.

2010 noch betitelten Zeitungen das Freibad als gefährlichstes Bad Deutschlands, und auch jetzt ist es hier nicht immer friedlich: 130 Anzeigen wurden 2018 für die Adresse des Columbiabads registriert, das könnte auch Vorfälle außerhalb des Bades einschließen. 14-mal wegen Körperverletzung, viermal Beleidigung, zweimal Bedrohung, Freiheitsberaubung oder Nötigung. „Das ist kein Vergleich zu früher“, sagt Mahmoud Tahmaz, der seit neun Jahren als Konfliktlotse im Neuköllner Columbiabad arbeitet, jeden Tag im Sommer: „Wenn die Sonne da ist, sind wir da“, sagt Tahmaz, den hier im Bad jeder kennt.

Damals, 2010, erzählt Tahmaz, habe es jeden Tag fünf, sechs Schlägereien gegeben, heute komme das selten vor. Das bestätigt auch Kollegin Elif Kurt. Kurt trägt erst seit zwei Jahren das blaue Shirt der Konfliktlotsen, aber „ich war doch früher auch so eine“, sagt Kurt und lacht.

Dass es die Truppe von „Bleib cool am Pool“ immer noch braucht, liegt aber auch daran, dass die Berliner Bäder seit Jahren zu wenig Personal haben. Das Sommerbad Insulaner musste gestern deshalb kurzerhand schließen: Die Bademeister seien unterbesetzt, heißt es von der Security.

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