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Abgehoben: Ein Segelboot wird im Hafen des Vereins Seglerhaus am Wannsee mit einem Kran ins Wasser gelassen.

© Kai Nietfeld/dpa

Gewässer sollen frei für alle sein: Rot-Rot-Grün will Berliner Uferbesitzer notfalls enteignen

Berlins Regierungskoalition will Ufer für alle. Machen die Besitzer nicht mit, könnten sie sogar enteignet werden. Ganz durch ist die Sache aber noch nicht.

Es könnten harte Jahre anbrechen für Besitzer von beschaulichen Wassergrundstücken an Spree, Havel oder Wannsee. Die rot-rot-grüne Koalition will „alle Ufer der Berliner Gewässer grundsätzlich öffentlich zugänglich“ machen.

So steht es schon im Koalitionsvertrag – aber auch über das Wie sind sich Linke, SPD und Grüne nun weitgehend einig. In letzter Konsequenz drohen Grundstücksbesitzern sogar Enteignungen.

Am Dienstag beschloss als letzte Fraktion die SPD einen entsprechenden Antrag, der dem Tagesspiegel vorliegt, und in dem Wege zur „Rückgewinnung der Ufer“ skizziert werden. Einig sind sich alle Parteien darin, dass der Senat ein Berliner Uferwegekonzept vorlegen soll.

Nach dem Vorbild von Brandenburg will die Regierungskoalition Seen und Flüsse öffentlich zugänglich machen. Dort sei der Zugang in den vergangenen Jahren "konsequent durchgesetzt und damit das Gemeinwohl entscheidend gestärkt" worden, schreiben die Koalitionäre.

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Das Beispiel Potsdam zeige, dass Bebauungspläne gegen Privatinteressen weniger durchsetzbar seien - allerdings streitet die Stadt dort seit Jahren gerichtlich und nicht immer erfolgreich mit Anwohnern.

[Seit vielen, vielen Jahren Streitthema in Berlin-Spandau: Wem gehört das Ufer am Glienicker See? Jetzt gibt es Krach um den Abriss der 70 Stege in Kladow. Anwohner wehren sich. Hier der Bericht im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel]

In Berlin sollen freie Ufer künftig durch Bebauungspläne und städtebauliche Verträge gesichert werden. Dazu soll intensiv mit den Bezirken zusammengearbeitet werden. Der Erwerb neuer Uferstreifen sei „stets zu prüfen“. Außerdem soll, wenn erforderlich, das Vorkaufsrecht angewandt werden. Dieses Instrument sei bereits eine "ordentliche Keule", heiß es aus Koalitionskreisen.

Die Koalition will zudem eine grundsätzliche Bauverbotszone von zehn Metern Tiefe um alle Berliner Gewässer ausweisen. SPD und Linke wollen „als letztes Mittel“ Besitzer von Wassergrundstücken auch enteignen, um Ufer zugänglich zu machen.

"Hier bricht morgen nicht die Revolution aus"

Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung der SPD-Fraktion, erklärt: „Freie Ufer sind ein echter Mehrwert für die Berliner und Gäste der Stadt – gegenüber dem Luxus sehr weniger, denen exklusiv Grundstücke am Wasser gehören.“ Enteignungen seien allerdings nur die „Ultima Ratio“ falls alle anderen Instrumente scheitern, ergänzt Buchholz.

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Der Weg dauere oft Jahre und sei auch für das Land selbst sehr teuer. Er erinnert an die jahrelangen Streits um das Ufer des Groß Glienicker Sees oder die Diskussionen um die Spandauer Wasserstadt in seinem Wahlkreis. Buchholz: „Es muss keiner Angst haben, dass hier morgen die Revolution ausbricht.“

Katalin Gennburg, 33, ist studierte Stadthistorikerin und Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus Berlin.
Katalin Gennburg, 33, ist studierte Stadthistorikerin und Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus Berlin.

© Promo

Katalin Gennburg, für die Fraktion der Linken für Stadtentwicklung zuständig, hatte den Antrag erdacht und ist froh, dass es jetzt mit Zustimmung der Sozialdemokraten vorangeht. Sie sagt: „Wir sehen immer mehr Stadtvillen, die an die Gewässer rangebaut werden. Wir wollen, dass diese Kommerzialisierung und Privatisierung aufhört.“

Antrag sei "Blankoscheck für Enteignungen"

Einen ähnlichen Plan habe es in Berlin schon Ende der 1970er-Jahre gegeben und in der wachsenden Stadt seien die Ufer heute als Lebens- und Naturräume umso wichtiger. „Der Zugang zu Gewässern muss Gemeingut sein“, sagt Gennburg. Nun müsse aber nicht gleich jeder Angst vor Enteignungen haben, es könne sicherlich auch Ausnahmen geben: „Der Zehlendorfer Villenbesitzer wird aber nicht dazugehören.“

So richtig gut kommt die Idee nicht überall an – auch nicht in der eigenen Koalition. „Das ist ein Blankoscheck für Enteignungen, ein totaler Bockmist. Ich dachte, die DDR ist vorbei“, sagt eine einflussreiche SPD-Abgeordnete. Und auch die Grünen scheuen vor dem Wort Enteignung zurück: Die Fraktion hatte den entsprechenden Antrag bereits im Januar beschlossen – den Punkt der Enteignungen aber lieber ausgespart.

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Daniela Billig, in der Fraktion der Grünen für Stadtentwicklung zuständig, sagt: „Wenn auch die SPD das jetzt beschlossen hat, werden wir uns nochmal zusammensetzen, um eine für alle akzeptable Lösung zu finden.“ Enteignungen seien ein reguläres, aber immer das letzte Mittel. Die anderen Werkzeuge – Bebauungspläne, städtebauliche Verträge und Vorkaufsrecht – seien deutlich „schneller, schlagkräftiger und vielleicht sogar günstiger“, sagt Billig.

„Wenn wir feststellen, das reicht nicht, können wir ja nochmal nachlegen“, ergänzt die Abgeordnete. Dem Vernehmen nach steht einer Einigung der drei Parteien nur noch wenig im Weg.

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