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Es könnte so einfach sein - Hahn aufdrehen, fertig.

© picture alliance / dpa

Getränkekonsum in Berlin: Ich will Leitungswasser!

Wer in den Cafés und Läden dieser Stadt nach Leitungswasser fragt, wird allzu oft abgewiesen oder sogar angepöbelt. Die Folge: Alle trinken teures, schlechtes Mineralwasser aus umweltschädlichen Plastikflaschen. Das muss sich ändern. Ein Plädoyer

Neulich in einer Eisdiele in Schöneberg. „Könnten Sie bitte die Wasserflasche meines Sohnes auffüllen?“, fragt mein Partner, während er das Eis für sich und unseren Dreijährigen bezahlt. Also nein, antwortet die Verkäuferin, man verkaufe schließlich auch Mineralwasser, und überhaupt müsse sie da erst ihren Chef fragen – da könne ja jeder kommen.

Leider kommt aber nicht jeder. Genau das ist das Problem.

Die Reaktion der Verkäuferin ist kein Einzelfall. Wer in Cafés, Läden oder Restaurants nach Leitungswasser fragt – egal ob für die eigene Wasserflasche, die des Kindes oder als Getränk zum Essen – bekommt schnell einen Eindruck davon, wie sich Bettler am U-Bahn-Eingang fühlen müssen: Man erntet abschätzige Blicke, ablehnende Reaktionen.

Es ist alte Tradition in Kaffeehäusern unaufgefordert ein Glas Wasser zum Kaffee zu bekommen. Man zeigt dem Gast, dass er willkommen ist und man vermutet, dass er neben dem Kaffeewunsch auch noch durstig ist. In vielen Ländern ist das Usus, eben aber nicht bei uns.

schreibt NutzerIn frittzzthecat

Für Kinder werden normalerweise eher noch ein paar Tropfen herausgerückt als für durstige Erwachsene. Für mich selbst traue ich mich meistens gar nicht erst zu fragen. Aber woher bitte soll ich sonst unterwegs Leitungswasser bekommen? Die Zahl der öffentlichen Brunnen ist mehr als überschaubar. Meist fülle ich meine Flasche zu Hause oder bei der Arbeit, und wenn sie leer ist, ertrage ich eben den Durst. Jetzt, im Frühling, geht das ja noch einigermaßen. Aber bei Berliner Sommertemperaturen von 30 bis 40 Grad hält der eine Liter, den eine normale Flasche fasst, nicht allzu lange. Dann ist das manchmal nicht mehr lustig.

Es geht vor allem um die Umwelt

Muss ich wirklich noch erklären, warum es wichtig ist, Leitungswasser statt Mineralwasser zu trinken? Mir geht es vor allem um die Umwelt: Wasser in Plastik- oder Glasflaschen möchte ich nicht kaufen, weil ich glaube, dass auch ich als Einzelperson dafür verantwortlich bin, wie es unserem Planeten geht – und deshalb Plastikmüll vermeiden und Ressourcen schonen möchte. Nicht alles Mineralwasser ist so unsinnig wie das viel zitierte Fidschi-Wasser, das um die Welt geflogen wird und dabei von nicht allzu guter Qualität ist. Aber auch regionales Wasser in Glasflaschen hat eine CO2-Bilanz, die dazu beiträgt, die Erde weiter zu erwärmen.

Ein bisschen geht es mir auch um meine Gesundheit, denn die Qualität des Berliner Leitungswassers ist höher als die der meisten Mineralwässer. Gar nicht zu reden von den Weichmachern in den meisten Einweg-Plastikflaschen, die dann in Berliner Badeseen landen – oder an den Stränden einsamer pazifischer Paradiesinseln.

Aber darf ich so einfach gratis Wasser verlangen? Schließlich wollen doch die Cafés, Läden und Restaurants etwas verdienen? Klar, aber ich konsumiere ja normalerweise auch etwas in den Läden, wo ich gerne nach Wasser fragen würde, mich aber nicht traue. So wie in der Schöneberger Eisdiele. Es wäre schön, wenn mir die Betreiber die 0,2 Cent, die ein Liter Leitungswasser in Berlin kostet, einfach aus Liebenswürdigkeit und Umweltschutzgründen spendieren würden. Und unter uns: Es würde auch helfen, mich als dauerhafte Kundin zu gewinnen.

Traut euch, nach Leitungswasser zu fragen!

Also bitte, liebe Eisdielen- und Cafébesitzer: Füllt meine Wasserflasche, ohne zu meckern! Und liebe Restaurantbetreiber: Lasst mich im Restaurant zum Essen Leitungswasser trinken! Das tue ich zu Hause schließlich auch. Und liebe Berliner: Trinkt kein Fidschi-Wasser aus der Flasche, sondern traut euch, nach Leitungswasser zu fragen!

Helfen könnten dabei Aufkleber. „Leitungswasserfreundlich“ steht etwa auf einem Sticker, den die Initiative „A tip tap“ seit zwei Jahren an Cafés und Läden verteilt. Leider bewegt sich die Zahl der teilnehmenden Gewerbetreibenden auf der Webseite des Vereins noch immer im einstelligen Bereich.

An der Elbe klappt das anscheinend besser als bei uns an der Spree. Die Initiative „Refill Hamburg“ gibt es erst seit einigen Wochen, aber ihr Aufkleber prangt schon an mehr als 30 Cafés, Bars, Restaurants, Hostels, einer Apotheke, einem Weinladen und einem Kosmetikshop. Sie alle findet man auf der Webseite auf einer Karte, auf der sich jetzt sogar ein Laden bei Bonn eingetragen hat. Auf der Seite weist die Initiative ausdrücklich darauf hin, dass jeder das Logo verwenden darf. Also los: Refill Berlin! Worauf warten wir?

Dieser Text erschien als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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