zum Hauptinhalt
Berlin boomt, es werden mehr Kinder in der Stadt geboren - 40.000 dürften es 2017 sein. Hebammen dafür fehlen.

© Caroline Seidel/dpa

Gesundheitsversorgung in Berlin: Drastischer Hebammenmangel - Senat lädt zum Krisentreffen

Die Zahl der Neugeborenen steigt und damit der Bedarf an Hebammen. Weil die Lage in einigen Kliniken dramatisch ist, lädt der Senat zum Krisengespräch mit allen Beteiligten.

Volle Kreißsäle, von Bett zu Bett hetzende Hebammen, wütende Eltern: In Berlin fehlen Fachkräfte für immer mehr Entbindungen. Nun stellt sich der Senat dem Mangel an Hebammen – und lädt zu einem Runden Tisch. „Ziel ist es, die Gründe für die Engpässe in der Hebammenversorgung zu besprechen“, schreibt Gesundheitsstaatssekretär Boris Velter (SPD) in einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage im Abgeordnetenhaus. Es gehe darum, „Handlungsoptionen aufzuzeigen und konkrete Schritte zur Verbesserung der Versorgungssituation in der Geburtshilfe zu vereinbaren“, heißt es in dem unveröffentlichten Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Die Verwaltung von Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) lädt für den 15. September die Chefärzte der Geburtskliniken, Vertreterinnen des Hebammenverbandes, Krankenhausgesellschaft, Feuerwehr und das Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) zu einem ersten Treffen. Wie oft das Gremium tagen soll, werde danach vereinbart. Hintergrund ist, wie Staatssekretär Velter schreibt, dass der Bedarf von Hebammen in Berlin noch „nicht gesondert ermittelt“ wird. Eine „ Aufschlüsselung nach den jeweiligen Bereichen, die von Hebammen und Entbindungspflegern betreut werden“, sei deshalb nicht möglich.

Angemessenes Honorar? Hebammen und Kassen verhandeln

Wie berichtet, ist die Lage in einigen Kliniken dramatisch – seit 2011 steigt die Geburtenzahl um fast sieben Prozent pro Jahr. Mehr als insgesamt 40 000 Kinder dürften es bis Ende 2017 sein. Regelmäßig müssen Rettungswagen auf andere Kliniken ausweichen, weil alle Betten belegt sind. Zuweilen kümmert sich eine Hebamme um drei, vier, manchmal fünf Frauen pro Schicht. Beim Lageso sind derzeit 1073 Hebammen registriert, darunter ein Mann.

„Eigentlich werden in der Stadt genug Hebammen ausgebildet“, sagte Simone Logar, Vizechefin des Berliner Hebammenverbandes. „Das Personal würde reichen, wenn die Kolleginnen auch Vollzeit arbeiten könnten.“ Viele Hebammen hätten sich wegen stressiger Arbeitsbedingungen jedoch für Teilzeit entschieden – und während die Versicherungsbeiträge hoch seien, gebe es immer noch zu wenig Honorar für die verantwortungsvolle Tätigkeit. Die meisten Hebammen arbeiten freiberuflich. Für eine zu einer Geburtsstation gerufene Hebamme gebe es pro Entbindung brutto deutlich unter 300 Euro. Allerdings zahlen die Krankenkassen den Kliniken für Behandlungen rund um Geburten oft ein Vielfaches, die Ausgaben der Haftpflichtversicherungen für Hebammen steigen seit Jahren. Rund 98 Prozent der Frauen entscheiden sich für eine Entbindung im Krankenhaus. Nächste Woche treffen sich Vertreter der Hebammen und der Kassen erneut, um über die Honorare zu sprechen.

Grüne fordern konsequentes Arbeiten, CDU vermisst politischen Willen

Die Grünen-Abgeordnete Catherina Pieroth, die oben erwähnte Anfrage stellte, sagte am Montag: „Wir erwarten, dass der Runde Tisch regelmäßig arbeitet. Zudem sollte der Senat eine Vermittlungsplattform für Hebammen einrichten.“ Bei der CDU ist man da strenger: „Um den Bedarf von Hebammen zu ermitteln, braucht man keinen Runden Tisch, sondern den politischen Willen“, sagte Gottfried Ludewig, Gesundheitsexperte der CDU im Abgeordnetenhaus. „Nach einem Jahr intensiver Debatte kennt der Senat noch nicht einmal den Bedarf an Hebammen.“

Der Leiter der Frauenklinik im St.-Joseph-Krankenhaus, Michael Abou-Dakn, hatte vor einigen Wochen berichtet, dass man weniger Geburtstermine zu vergeben suche, um den Druck auf den Stationen zu reduzieren: 2016 kamen im St.-Joseph-Krankenhaus rund 4500 Kinder zur Welt, was bundesweit Rekord ist, 2017 soll es bei möglichst 4100 Geburten bleiben. Noch ist in Berlin aber kein Fall bekannt, wonach eine Mutter oder ihr Kind wegen einer überfüllten Station zu Schaden gekommen sei.

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier.

Zur Startseite