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Eine Schachtel Pralinen dürfen Lehrer annehmen, wenn sie nicht teurer als zehn Euro ist.

© Kitty Kleist-Heinrich

Geschenke für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst: Was Polizisten und Lehrer annehmen dürfen

Eine Lehrerin nahm ein Präsent an und musste 4000 Euro Strafe zahlen. Der Fall löst nun eine Debatte aus: Schüler, Elternvertreter und Bildungspolitiker fordern großzügigere Regeln. Und was gilt eigentlich für Polizei und Feuerwehr?

Mitunter entsprechen die Berliner so gar nicht dem Vorurteil, ruppig, rau und muffelig zu sein. So schreiben Bürger selbst Staatsdienern, die ja von den eigenen Steuergeldern bezahlt werden, Dankeschön-Briefe oder bringen als Anerkennung Geschenke wie Torten oder Sträuße vorbei. Was wenig bekannt ist: Selbst Polizisten und Feuerwehrleute dürfen laut der aktuellen Gesetzeslage legal Präsente mit einem Wert von bis zu zehn Euro annehmen, sofern der Überreicher damit zweifelsfrei keinerlei Hintergedanken verbindet. Dass aber selbst Lehrer von einer kompletten Klasse nach absolviertem Abitur nur ein Abschiedsgeschenk im Wert von höchstens zehn Euro bekommen dürfen, hat jetzt sogar bei Berliner Politikern und Anti-Korruptionsexperten einiges Unverständnis ausgelöst.

Ein Vater hatte die Lehrerin wegen eines Geschenkes angezeigt

Wie berichtet, hatte eine Lehrerin Ärger mit der Justiz bekommen, weil ihr Schüler und Eltern einer Abiturklasse als Dank und Abschlussgeschenk ein Präsent im Wert von 200 Euro überreicht hatten. Sie nahm es an – und musste 4000 Euro Strafe zahlen. Ein Vater der Klasse hatte sie angezeigt.

Dieser Fall löst nun eine Debatte aus. Es geht um Einflussnahme auf Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durch Belohnungen und Geschenke und um die Frage, wie sich dies sinnvoll verhindern lässt. Wegen des umstrittenen Falles der Pädagogin hatte die Bildungsverwaltung ihre Regeln präzisiert. Diese beinhalten unter anderem, dass auch Lehrer nur ein Dankeschön im Wert von bis zu zehn Euro annehmen dürfen. Dieser Betrag steht bereits seit 2013 in den Ausführungsbestimmungen des Landes Berlin zur Geschenkeannahme im Öffentlichen Dienst (siehe Kasten).

"Für zehn Euro bekommt man keinen schönen Blumenstrauß mehr"

Aus Sicht vieler Schüler, Elternvertreter sowie Bildungs- und Rechtspolitiker sind die zehn Euro aber „zu mickrig“ angesetzt. „Dafür bekommt man doch heute keinen schönen Blumenstrauß“, sagt etwa CDU-Bildungsexpertin Hildegard Bentele. Abschiedspräsente von Klassen für Pädagogen seien ein Spezialfall, zumal sie von einer Gruppe kämen. „Bestechung und ein erhofftes Entgegenkommen sind da ja nicht mehr zu erwarten.“ Hinzu komme die im Unterricht gewachsene menschliche Nähe, die berücksichtigt werden müsse. Bentele: „40 bis 50 Euro wären als Obergrenze realistisch.“ Ähnlich sehen das Grüne und SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Man müsse nochmal prüfen, ob die zehn Euro nicht zu kleinkariert seien, sagt SPD-Rechtsexperte Sven Kohlmeier. Landeselternsprecher Norman Heise pflichtet dem bei. Und Lehrer bestätigen, dass viele Schüler das Vorgehen gegen die Pädagogin gleichfalls „schräg“ finden.

Auch der Anti-Korruptions-Arbeitskreis der Berliner Senatsverwaltungen hat angesichts des Falles Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) empfohlen, bei Abschlusspräsenten für Lehrer flexibler zu sein. Man habe keine Bedenken, wenn der Wert eines Straußes „ersichtlich über 10 Euro“ liege, heißt es. Im Alleingang könnte Scheeres dies aber gar nicht bestimmen. Dafür müssten die Ausführungsbestimmungen des Landes geändert werden und für Spezialfälle mehr Freiraum gewähren. Dass die belangte Lehrerin überhaupt zahlen musste, hängt laut Staatsanwaltschaft gar nicht mit dem Vorwurf der Bestechlichkeit zusammen, wie viele Kritiker meinen. Die Pädagogin wurde vielmehr im Zusammenhang mit den Paragraphen 331 und 333 des Strafgesetzbuches angezeigt. Diese untersagen bereits eine Vorteilsannahme , was bedeutet: Staatsdiener dürfen grundsätzlich für ihre Dienstausübung ein Dankeschön nicht akzeptieren – auch nicht im Nachhinein. Damit aber in der Praxis mehr Flexibilität möglich ist, lässt der Gesetzgeber differenziertere Ausführungsbestimmungen für die Bediensteten von Bund und Ländern zu. Bei der Lehrerin wurde das Verfahren wegen „Geringfügigkeit“ des Vorwurfes eingestellt – gegen Zahlung von 4000 Euro.

Im öffentlichen Dienst gibt es viele Erfahrungen

Mit der Grauzone „Bürgergeschenke“ gibt es im öffentlichen Dienst viele Erfahrungen: Aus Dankbarkeit hatte jemand etwa auf dem Polizeiabschnitt 54 eine gekaufte Torte abgegeben. Die Polizisten gaben diese dann an eine Kirchengemeinde weiter, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Laut Geschäftsanweisung darf auch ein Polizist Aufmerksamkeiten einzelner Bürger, die damit „den Dank der Allgemeinheit uneigennützig zum Ausdruck bringen“, im Wert von nicht mehr als zehn Euro annehmen. Beamte dürfen auch ein Gelegenheits- oder Werbegeschenk wie Kalender oder Kugelschreiber bis fünf Euro pro Überreicher und Jahr entgegennehmen – sofern die Gabe ohne Zweifel „ausschließlich eine Aufmerksamkeit oder bloße Höflichkeit“ ist und ohne „weitergehenden Zweck“ erfolgt. Das gilt auch in Sozialämtern oder beim Arbeitsamt. Beim landeseigenen Klinikkonzern Vivantes dürfen Pflegekräfte und Ärzte nach abgeschlossener Behandlung von Patienten „kleinere Aufmerksamkeiten“ annehmen.

Dankesschreiben machten aber mehr Sinn, heißt es bei Behörden. Diese bekommt auch die Feuerwehr, sagt Sprecher Björn Radünz. Mails und Briefe werden an die Kollegen weitergeleitet. Manche Berliner lassen auch absichtlich ein Präsent stehen, das muss dann der internen Revision gemeldet werden. Bei Polizei und Feuerwehr heißt es, man erwarte gar keinen Dank. „Wir sind für die Bürger da, das ist unser Job“, sagt Radünz. Aber wer die Arbeit unterstützen wolle, solle an die Fördervereine der Wachen und Wehren oder die Deutsche Teddy-Stiftung spenden: für Tröster-Teddys in Rettungswagen.

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