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Im „Tal des Todes“ in der Mojave Wüste in Kalifornien liegt mit 85,5 Meter unter Null der tiefste Punkt Nordamerikas.

© Imago

Geschäftsklima in Berlin und Brandenburg: Wirtschaft sieht sich raus aus dem „Tal des Todes“

Die Wirtschaftskammern in der Hauptstadtregion sehen das Schlimmste der Coronakrise überwunden. Dafür gibt es neue Probleme.

Wirtschaftsvertreter bemühen gern Metaphern, um die oft komplexen Vorgänge in der Ökonomie möglichst anschaulich zu erklären. Mit Blick auf die Coronakrise, in der seit dem Frühjahr 2020 auch Teile der regionalen Wirtschaft komplett zum Erliegen gekommen waren, hat Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, am Dienstag diese Formulierung gefunden: „Wir haben das Tal des Todes verlassen“. Der tiefste Punkt in diesem kalifornischen Tal, wusste er zu berichten, sei zugleich der heißeste Ort. „Da stirbt man“. Diesen Punkt habe Berlins Wirtschaft hinter sich gelassen.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Wittke von der Handwerkskammer Berlin stellte Eder im Charlottenburger Ludwig Erhard Haus die traditionelle Herbstumfrage beider Kammern vor (hier Download als PDF). Demnach seien viele Branchen auf „Erholungskurs“, der Anschluss auf das Vorkrisenniveau verlaufe aber unterschiedlich schnell.

Der Index, den die Kammern zweimal im Jahr errechnen, stieg nun bereits zum dritten Mal in Folge – auf aktuell 125 Punkte. Das liegt zwar unter den Werten aus der Vorkrisenzeit, aber deutlich über dem Wert von 106 aus dem Herbst 2020. Alle Indexwerte über 100 bedeuten, dass eine Mehrheit der befragten Unternehmen ihre aktuelle Lage gut oder zumindest befriedigend einschätzt. Werte unter 100 stehen für ein negatives Geschäftsklima.

„Wir haben ein gespaltenes Konjunkturbild. Wir sind noch nicht wieder da, wo wir am liebsten sein wollen“, fasste Eder die Lage zusammen. Er verwies auf Unternehmen in Branchen rund um Veranstaltungen und Beherbergungen. Diese litten weiter wegen der anhaltenden Auflagen. Zudem fehlten die Touristen „an allen Enden“.

Prognose: Der Einzelhandel dürfte Berlin noch intensiv beschäftigen

Auch die Lage des stationären Einzelhandels werde Berlin noch intensiv beschäftigen, sagte der Kammerchef voraus. Man möge nur einmal den Kurfürstendamm entlangspazieren, da sehe man die Leerstände. Die Krise im Handel schlage sich zwar kaum in der Statistik nieder, da ja weiterhin konsumiert werde – nur eben im Onlinehandel. Man müsse in den Innenstädten neue Erlebniswelten schaffen, stationäres Einkaufen mit Onlinehandel verbinden.

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„Wir werden solche Dinge neu denken müssen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Städte veröden“, führte Eder aus. Dazu zählten auch die Gastronomie. Restaurants litten unter einer Spätfolge der Krise: Personal sei verlorengegangen. Viele Häuser müssten bereits tageweise schließen und Preise erhöhen, um über die Runden zu kommen. Mit Blick auf die Politik forderte Jan Eder: „Es darf keinen weiteren Lockdown für Geimpfte und Genesene geben. Weitere finanzielle oder bürokratische Belastungen müssen ausbleiben“.

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin (links), und Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin.
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin (links), und Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin.

© Kevin P. Hoffmann

Jürgen Wittke von der Handwerkskammer bestätigte den dramatischen Personalmangel. „Viele Unternehmen wünschen sich die Probleme von vor Corona zurück“. 52 Prozent der Handwerksunternehmen sähen sich durch den Fachkräftemangel bedroht – das sei aktuell das größte Problem.

Handwerkskammer hält Aufwärtstrend für robust

Insgesamt bezeichnete er die Stimmung im Handwerk aber als „leicht optimistisch“. 86 Prozent der Mitgliedsunternehmen bewerteten ihre Lage als „gut“, jedes dritte Unternehmen würde sogar zusätzliches Personal einstellen wollen – wenn es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden würde. 70 Prozent der Firmen können derzeit nicht alle offenen Stellen besetzten.

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Wittke deutet die Umfrageergebnisse auch als Zeichen für einen robusten Trend. „Viele Unternehmen fassen wieder den Mut, nicht nur Ersatzinvestitionen zu tätigen, sondern auch in die Zukunft zu investieren“. Kunden lassen also nicht nur das erledigen, was in der Coronazeit liegengeblieben ist. „Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei“, meint Wittke.

Auch auf dem Bau läuft es demnach gut. Nur zwölf Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage aktuell eher negativ. Das größte Wachstumshemmnis auf dem Bau ist neben dem erwähnten geringen Fachkräfteangebot die steigenden Baustoffkosten: „Alle stellen sich die Frage, können wir die an die Kunden weitergeben?“, so Wittke. Bauunternehmen, die langfristig Fixpreise vereinbart hätten, bekämen nun ein Problem.

Erholung sieht der Handwerkskammer-Chef sowohl im KfZ-Gewerbe wie bei den Ernährungsgewerken, bei den Bäckereien zu Beispiel. Viele hätten in der Coronazeit unter dem Ausfall von Veranstaltungen gelitten und könnten sich nun ein wenig erholen.

Öffentliche Hand als Vorbild gefragt

Ganz wichtig sei für die Betriebe, die es durch die Krise geschafft hätten, dass die Politik bessere Rahmenbedingungen schaffe. Dazu zähle die Vereinfachung und Digitalisierung der Vergabe öffentlicher Aufträge. „Wir hoffen auch, dass die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion wahrnimmt bei der energetischen Gebäudesanierung“, sagte Wittke.

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Schwer taten sich die Kammerchefs mit einer Einordnung des Papiers, das als Ergebnis der Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und Linken veröffentlich worden war. „Da gibt es viele Felder, wo ich das Handwerk als natürlichen Partner sähe. Aber das Wort Handwerk taucht da nirgends auf. Das kann man im Koalitionsvertrag ja besser machen“, sagte Wittke.

Zeitgleich mit den Kammern in Berlin legten auch die drei für Brandenburg zuständigen Kammern die Ergebnisse ihrer Herbstumfragen vor. Die für Potsdam und den Westen des Landes zuständige IHK teilte mit, die Lage sei „weitgehend auf Vorkrisenniveau“. Der Export lege wieder zu, doch auch hier fehle Personal.

Der lokale Potsdamer Index stieg ähnlich stark wie in Berlin auf aktuell 120,6 Punkte, nach einem Wert von knapp 103 im Herbst vor einem Jahr. Im Süden Brandenburgs, im Kammerbezirk Cottbus, habe sich die Lage ebenfalls „deutlich aufgehellt“, die Dynamik habe sich wegen der Rohstoffknappheit aber abgeschwächt, hieß es. Auch bei der IHK Ostbrandenburg in Frankfurt schätzen fast die Hälfte der befragten Unternehmen die Lage als „gut“ ein.

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