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 Teilnehmer einer Corona-Demonstration in Cottbus. Die Polizei löste die Kundgebung wegen Verstößen auf.

© Frank Hammerschmidt/dpa

Update

Gericht gibt Brandenburger Polizei recht: „Spaziergänge“ in Cottbus doch verboten

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden: Die Polizei darf in Südbrandenburg die als Spaziergänge getarnten Corona-Demos verbieten.

Das schärfere Vorgehen der Polizei Brandenburg im Landessüden gegen nicht angemeldete, maßgeblich von Querdenkern und Rechtsextremen gesteuerten Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen ist doch rechtens. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus kassiert und das Verbot der als Spaziergänge getarnten Demonstrationen durch die Polizei bestätigt. Diese sind damit weiter bis Sonntag verboten.

Der Jubel in der rechten Szene war groß, als das Verwaltungsgericht Cottbus das Verbot kippte. Die Polizeidirektion Süd in Cottbus das generelle Verbot der nicht als Versammlungen angemeldeten Spaziergänge im Zeitraum vom 31. Januar bis Sonntag, 13. Februar erlassen. Das Gericht erklärte das in erster Instanz für rechtswidrig. Der Beschluss vom 4. Februar wurde dann aber erst am Dienstag öffentlich gemacht. Die Polizei Brandenburg legte Beschwerde ein – und bekam nun recht.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) erklärte, dass die Versammlungsfreiheit für angemeldete Versammlungen gewährleistet und vom Verbot nicht berührt sei. „Wer sich an Recht und Ordnung hält, kann jederzeit demonstrieren. Es gelten einfache Regeln“, sagte Stübgen. „Eine Versammlung muss angemeldet werden, es braucht einen Versammlungsleiter und die Teilnehmer müssen sich bis auf Weiteres an die Maskenpflicht halten.“ Die Spaziergänge verstießen aber gegen gegen das Versammlungsrecht und „werden daher auch in Zukunft aufgelöst“.

Zugleich würdigte Stübgen Brandenburgs Polizistinnen und Polizisten, die seit Wochen zahlreiche Demonstrationen absichern. „Die Beamtinnen und Beamten leisten einen unglaublich guten Job. Was teilweise an manchen Orten stattfindet, ist grenzwertig. Die Polizei wird beschimpft, bespuckt und angegriffen“ sagte Stübgen. Es sei beeindruckend, mit welcher Ruhe und Professionalität die Polizei dem begegne.

„Ich habe Verständnis dafür, dass viele Menschen genug haben von der Pandemie“, sagte der Innenminister. „Wenn aber jemand seinen Frust an Polizistinnen und Polizisten auslässt und dabei sogar gewalttätig wird, dann ist Schluss mit Verständnis. Dann folgen klare Konsequenzen des Rechtsstaats.“

Michael Stübgen (CDU), Innenminister von Brandenburg.
Michael Stübgen (CDU), Innenminister von Brandenburg.

© Soeren Stache/dpa

Die Cottbusser Richter fanden, dass die Polizei nicht hinreichend begründet habe, dass konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass es zu unangemeldeten Versammlungen kommen wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer besonders schwerwiegenden Infektionsgefahr führen oder mit anderen schwerwiegenden Gefahren der öffentlichen Sicherheit einhergehen.

Der pauschale Verweis auf Verstöße gegen Maskenpflicht und Abstandsgebot ohne konkrete Einzelheiten genüge nicht. Wegen des hohen Stellenwerts der Versammlungsfreiheit sei eine aktuelle Prognose mit aktuellen Corona-Zahlen zu möglichen Infektionsgefahren nötig – so jedenfalls die Ansicht der Richter in Cottbus.

Rechtsextreme steuerten die Proteste

Polizei und Innenministerium waren verwundert. Denn in Cottbus sind die Spaziergänge maßgeblich von der AfD und dem rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“ mit gesteuert worden, gewaltbereite Neonazis laufen mit.

In den vergangenen Wochen waren regelmäßig jeweils rund 3000 Gegner der Corona-Maßnahmen bei nicht angemeldeten Demonstrationen auf die Straße gegangen, Regeln wie Maskenpflicht und Abstand wurden ignoriert. Mehrfach sind auch Polizisten angegriffen worden, als diese Personalien von Teilnehmern aufnehmen wollten.

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Das OVG zerpflückte in seinem Beschluss nun regelrecht die Entscheidung der Cottbusser Richter. Die Polizei dürfte nach zahlreichen Versammlungsrechtsverstößen davon ausgehen, dass auch bei zukünftigen nicht angemeldeten Spaziergängen die Schutzgebote in der Regel nicht eingehalten werden. Und dass die Verstöße in der Omikron-Welle zu erheblich erhöhten Ansteckungsgefahren führen. Die Verstöße gegen die Corona-Schutzregeln seien „geradezu wesenstypisch“ für die Spaziergänge.

Das Verwaltungsgericht habe die Vorgaben, wie stark die Polizei die Verstöße darlegen muss, „überspannt“, heißt es in dem Beschluss des OVG. Hinzu kommt, dass die Cottbusser Richter das Verbot aufgehoben haben, als das Bundesverfassungsgericht längst in einem ähnlichen Fall entschieden und präventive Versammlungsverbot gegen Spaziergänger ermöglicht hat.

Gericht in Cottbus berücksichtigten Corona-Lage nicht ausreichend

Die Strategie der Teilnehmer der Spaziergänge ist für das OVG klar: Indem sie die Versammlung nicht anmelden, solle verhindert werden, „dass die Behörden die notwendigen organisatorischen Maßnahmen treffen und personelle Kräfte zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit bereitstellen“. Sie wollten „für die Polizei möglichst unvorhersehbar“ agieren und entzögen sich bewusst der „Möglichkeit von verhältnismäßigen Versammlungsauflagen“.

Die Gefahr bei den Spaziergängen sei auch größer als bei angemeldeten Demonstrationen, weil bei jenen Kooperationsgespräche stattfänden, ein Hygienekonzept und Routen festgelegt werden könne. Auch durch einen Versammlungsleiter, Ordner und Ansprechpartner bei der Polizei könne die Einhaltung der Schutzregeln besser gewährleistet werden. Die Cottbuser Richter meinten auch, dass die Polizei die Spaziergänge ja auflösen könne. Das OVG erklärt nun: Bis zur Auflösung sei die Ansteckungsgefahr längst eingetreten.

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Und auch die Coronagefahr haben die Cottbuser Richter nach Ansicht des OVG völlig unterschätzt oder überhaupt nicht berücksichtigt. Dazu zählt etwa die höhere Infektionsdynamik mit der Omikron-Variante sowie Einschätzung der Polizei, dass es „zu massiven Personalausfällen und damit zu einer Gefährdung wichtiger Versorgungsbereiche kommen werde“. Allein der Blick auf die Belastung der Intensivstationen reiche nicht aus, damit werde die sehr hohe Belastung des Gesundheitswesens und der sogenannten kritischen Infrastrukturen ausgeblendet.  

Und ohnehin sei es für den Mann aus Cottbus, der das Verbot nicht angemeldeter Versammlungen vor Gericht zu Fall bringen wollte, „ein Leichtes (…), dem angefochtenen Verbot zu entgehen“, entschied das OVG. Der Mann könne einfach eine Versammlung wie gesetzlich vorgeschrieben anmelden. Daher sei der Eingriff der Polizei in das Versammlungsgrundrecht verhältnismäßig.

Der Kläger könnte auch einfach eine Versammlung anmelden

Nach Erkenntnissen der Polizei wird zu den Spaziergängen in Cottbus über den Messengerdienst Telegram „von einer bestimmten Person“ und einer Gruppe aufgerufen. Dazu gehört der Cottbuser AfD-Kreischef Jean-Pascal Hohm. Gegen ihn laufen mehrere Verfahren laufen, etwa wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Hohm selbst ist „zweimal geimpft“, weil junge Menschen in seinem Umfeld schwere Krankheitsverläufe erlebt hätten und mit den Langzeitfolgen kämpften. Dennoch sieht er die Demonstrationen gegen die Impfpflicht sieht er als Kampf für die Freiheit und ruft zum „Aufbegehren“ und „Widerstand“ auf.

Laut Verfassungsschutz ist in Cottbus bei den Versammlungen die bereits lange bekannte „Mischszene“ aus Neonazis, Hooligans, Kampfsportlern und anderen aktiv. Dieses „toxische Gebilde“ versuche, das bürgerliche Milieu zu gemeinsamen Versammlungen zu bringen. Insgesamt bemühten sich Extremisten, die Dynamik zu steuern.

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