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Alles in Ordnung? Lebensmittelkontrolleure prüfen, ob die Hygiene stimmt.

© Uwe Anspach/picture alliance/dpa

Gericht entscheidet zu Lebensmittelkontrollen: Behörden müssen Berlinern reinen Wein einschenken

Das Verwaltungsgericht Berlin entscheidet gegen Gastronomen: Bezirke müssen informieren, Bürger dürfen die Hygieneergebnisse ins Internet stellen.

Berlinerinnen und Berliner können von den Behörden die Herausgabe der Berichte der amtlichen Lebensmittelkontrollen verlangen, um sich ein Bild von den hygienischen Verhältnissen vor Ort zu machen. Das gilt auch für Anfragen mit dem Ziel, die Ergebnisse anschließend im Internet auf der Plattform "Topf Secret" zu veröffentlichen.

Das hat das Verwaltungsgericht Berlin jetzt in mehreren Eilverfahren entschieden. Die Entscheidungen – die ersten zu diesem Thema aus Berlin – wurden am Montag öffentlich gemacht. Danach können sich Restaurantbetreiber nicht unter Berufung auf vermeintliche Geschäftsgeheimnisse gegen die Herausgabe und Veröffentlichung der Kontrollergebnisse wehren, so das Verwaltungsgericht.

Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sind die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts ein Erfolg. "Das Gericht bestätigt, was auch schon andere Gerichte entschieden haben", sagte Oliver Huizinga, Kampagnenleiter bei Foodwatch, dem Tagesspiegel. "Die Bürger haben ein Recht darauf, das Ergebnis der amtlichen Lebensmittelkontrollen zu erfahren. Dazu können sie auch die Plattform „Topf Secret“ nutzen, die Betriebe müssen sich damit abfinden."

Berliner tun sich bislang schwer, wenn sie herausfinden wollen, wie es um die Hygiene in Restaurants, Kantinen, Supermärkten oder Bäckereien steht. Pankow hatte bis 2014 mit einem Smiley gute Betriebe ausgezeichnet, musste das System aber mangels Rechtsgrundlage einstellen.

Seit November veröffentlicht der Bezirk aber die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen zumindest wieder im Internet, als einziger in Berlin. Das "Smiley-System" soll seriöse Anbieter unterstützen. Der Bezirk beruft sich dabei auf eine europäische Kontrollverordnung, allerdings deckt diese nur eine Veröffentlichung im Internet und nicht an der Ladentür ab.

Wie "Topf Secret" funktioniert

Um die Informationslücke zu schließen, haben die Organisationen Foodwatch und Frag den Staat die Internetplattform "Topf Secret" ins Leben gerufen. Mit wenigen Klicks können Bürger und Bürgerinnen die Kontrollergebnisse für bestimmte Betriebe abfragen und ins Internet stellen.

Der Pankower Smiley: Das Modellprojekt musste aus rechtlichen Bedenken eingestellt werden. Jetzt versucht der Bezirk es erneut - im Internet.
Der Pankower Smiley: Das Modellprojekt musste aus rechtlichen Bedenken eingestellt werden. Jetzt versucht der Bezirk es erneut - im Internet.

© Arno Burgi/picture alliance/dpa

Zahlreiche Unternehmen haben sich gegen diese Praxis gerichtlich gewehrt und sehen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzt. Auch in Berlin sind noch einige Hauptsacheverfahren anhängig, sagte eine Sprecherin des Gerichts dem Tagesspiegel. Die Eilentscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.

Berliner Bezirke haben lange gemauert

Bislang sind bundesweit rund 50.000 Anfragen auf "Topf Secret" veröffentlicht, nur 4000 kommen aus Berlin. "Die Berliner Bezirke haben lange gemauert", berichtet Huizinga. Aber seit kurzem tue sich etwas, nicht nur in Pankow. Auch die Bezirksämter in Reinickendorf und Mitte reagieren jetzt auf Anfragen, so der Verbraucherschützer.

Huizinga wünscht sich jedoch eine gesetzliche Grundlage, um Klarheit zu schaffen. Diese würde es auch erlauben, dass Unternehmen ihre Gäste an der Ladentür über die Kontrollergebnisse informieren.

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Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) plant eine solche gesetzliche Verpflichtung. Er will ein Transparenzbarometer einführen, das künftig gut sichtbar an der Eingangstür über die Lebensmittelhygiene informiert. Das Barometer zeigt einen Farbverlauf von Grün (alles gut) über Gelb bis Rot, das Kontrollergebnis wird mit einem Pfeil markiert. Der Gesetzentwurf ist am 23. Februar in den Senat eingebracht worden, das Gesetz soll aber – wegen der Corona-Pandemie – erst am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Transparenzbarometer soll an der Eingangstür über Kontrollergebnisse informieren

„Mit dem Gesetz wollen wir mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen", sagt Behrendt. "Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen sollen nicht in Schränken oder Schubladen liegen. Sie sollen für Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick erkennbar sein."

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Foodwatch bemängelt jedoch, dass schwarze Schafe ein Recht auf eine Nachkontrolle bekommen sollen. "Fällt die positiv aus, soll das ursprüngliche schlechte Ergebnis nicht veröffentlicht werden", so Huizinga. Der Verbraucherschützer fordert, dass alle Kontrollergebnisse veröffentlicht werden und plädiert für eine bundesweite Regelung nach dem dänischen Smiley-Vorbild.

Dass die Lebensmittelkontrolle auch in Berlin ein Thema ist, zeigen Lebensmittelskandale wie die um die Neuköllner Bäckerei Höhn, die trotz indiskutabler Verhältnisse jahrelang weiterarbeiten durfte. Dass viele Verstöße nicht publik werden, liegt auch daran, dass in Berlin Lebensmittelkontrolleure fehlen. Jede zweite Kontrolle entfällt, weil nicht genug Personal da ist.

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