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Die Deutsche Schule in Istanbul blickt auf eine 150-jährige Tradition zurück.

© Can Merey/dpa

Geplante Schulgründungen der Türkei: Die Angst vor Ankaras Einfluss in Deutschland

Die Türkei will eigene Schulen in Berlin, Frankfurt und Köln gründen und verhandelt dafür mit der Bundesregierung. Das Vorhaben stößt auf große Ablehnung.

Die geplante Gründung türkischer Schulen in Berlin, Frankfurt am Main und Köln hat am Freitag bundesweit Bedenken und Kritik ausgelöst. Zustimmung war kaum hörbar. Die Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Sevim Dagdelen (Linke), nannte es „fatal, dass die Bundesregierung mit Erdogan über die Eröffnung eigener Privatschulen in Deutschland verhandelt, während der türkische Autokrat die kritische Intelligenz seines Landes ins Gefängnis oder Exil treibt“. Auch die Kultusministerien der Länder gingen auf Distanz.

„Wer in Nordrhein-Westfalen Schule machen will, muss sich an die Spielregeln des NRW-Schulgesetzes halten“, betonte die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP). Es gebe keinen „diplomatischen Rabatt“. Ähnlich äußerte sich Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU).

Auch das baden-württembergische Kultusministerium sieht die Pläne kritisch. „Der Entwurf des deutsch-türkischen Schulabkommens, der uns Ländern vorliegt, enthält zahlreiche ungeklärte Punkte, bei denen wir rechtliche Bedenken haben“, teilte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit, die zudem als Koordinatorin der unionsgeführten Bildungsministerien innerhalb der KMK fungiert. Ohne Klarstellung, dass mit dem Abkommen nicht über Landesrecht hinausgehende Rechte gewährt werden sollen, könne Baden-Württemberg dem Abkommen nicht zustimmen.

CDU-Ministerin pocht auf Landesrecht

Von der Berliner Bildungsbehörde gab es bislang keine Stellungnahme. Hingegen meldete sich der Bildungsexperte der FDP im Abgeordnetenhaus, Paul Fresdorf, zu Wort: „Wenn der türkische Staat Auslandsschulen in Deutschland und insbesondere auch in Berlin gründen will, so ist dies in erster Linie kritisch zu begleiten, denn das Erdogan-Regime ist bisher nicht besonders stark durch eine Vorliebe zum Meinungspluralismus aufgefallen“, sagte Fresdorf.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) wies darauf hin, dass Schulen in freier Trägerschaft nicht unmittelbar von anderen Staaten betrieben werden dürften. Demnach müsste die Türkei einen Trägerverein nutzen.

Ein Vertreter der türkischen Community in Berlin, der nicht namentlich genannt werden wollte, bezeichnete es als eine „Sauerei, dass Deutschland diese Verhandlungen führt“, während die Türkei ihre repressive Politik fortführe und ausweite. Wenn die Türkei die deutschen Schulen in Ankara, Istanbul und Izmir schließe, gehe „das Abendland nicht unter“. Das sei allemal besser als einen verstärkten Einfluss der Türkei in Deutschland hinzunehmen.

Druck auf deutsche Schulen in der Türkei

Ausgangspunkt der aktuellen Verhandlungen zum Rahmenabkommen zwischen beiden Ländern ist der Schutz der drei Deutschen Schulen in der Türkei. Insbesondere die über 150 Jahre alte Schule in Istanbul gilt als Zeugnis der einstmals guten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland. Sie gehöre zu den angesehensten Bildungseinrichtungen vor Ort, heißt es auf der Homepage der Schule. Aber auch die Schulen in Ankara und Izmir sind hoch angesehen. So ist die gemeinnützige Schule in Izmir offiziell als deutsche Auslandsschule anerkannt und strukturell dem Generalkonsulat in Izmir zugeordnet.

Noch kein Konsens mit den Bundesländern

Entsprechend groß war die Entrüstung, als ein Dutzend Polizisten und sowie Behördenvertreter im Juni 2018 in der Schule in Izmir auftauchten und sie „mangels Rechtsgrundlage“ unversehens für drei Wochen schlossen. Um diese „Rechtsgrundlage“ geht es nun bei den bisher geheim geführten Verhandlungen, die nach Informationen des Tagesspiegels im Sommer abgeschlossen sein sollen. Bisher wurde allerdings kein Konsens erreicht – nicht zuletzt wegen Bedenken der Kultusminister.

Auch die Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) meldete sich zu Wort: Einer der beiden Vorsitzenden, Gökay Sofuoglu, erklärte, es sei zwar „erstmal nichts einzuwenden, wenn die Türkei in Kooperation mit Deutschland eine Schule gründen will“. Voraussetzung dafür sei allerdings, „dass die politische Einflussnahme seitens der Türkei eingedämmt wird“. Wenn Schulen gegründet würden, müsse eine Rechtsform gewählt werden, die mögliche politische Einflussnahmen unterbinde. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten bei diesem Vorhaben miteinbezogen werden.

Kritik am deutschen Unterrichtsangebot

Der andere Vorsitzende der TGD, Atila Karabörklü, setzte einen anderen Akzent: Der Umstand, dass die Türkei Schulen in Deutschland gründen wolle, zeige auch, "dass unser Schulsystem strukturelle Schwächen aufzeigt, wenn es um bilinguale Bildungsangebote für Deutsch-Türk*innen geht". Grundsätzlich müssten deshalb die Schulen "den Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft" angepasst werden.

Die Teilnahme an Konsulatsunterricht ist rückläufig, wie die Daten von 2018/19 zeigten. Im Schuljahr 2019/20 ist die Zahl der Schulen, an denen es Konsulatslehrer arbeiten, nochmals gesunken: Von 75 auf 67, wie die Botschaft mitteilte.
Die Teilnahme an Konsulatsunterricht ist rückläufig, wie die Daten von 2018/19 zeigten. Im Schuljahr 2019/20 ist die Zahl der Schulen, an denen es Konsulatslehrer arbeiten, nochmals gesunken: Von 75 auf 67, wie die Botschaft mitteilte.

© Tabelle: Tsp/Böttcher

Die Pläne zu eigenen Schulgründungen entsprechen der türkischen Politik, die darauf abzielt, mehr Einfluss auf „Auslandstürken“ zu nehmen. Längst begnügt sich Staatspräsident Recep Erdogan nicht mehr mit großen Auftritten in Städten mit einem hohen Anteil türkischstämmiger Bevölkerung. Vielmehr verfolgt das eigens gegründete „Amt für Auslandstürken“ die Linie, die Nachkommen der ehemaligen „Gastarbeiter“ enger an das Mutterland zu binden.

Ankara will Einfluss auf die türkische "Diaspora"

Zur Strategie, die türkische Diaspora in Deutschland zu vereinnahmen, gehört auch die Einflussnahme über den Konsulatsunterricht, den die Türkei umfangreicher als jedes andere Land anbietet. Wie berichtet wurde der Türkei immer wieder vorgeworfen, die Kinder im Sinne des türkischen Staates zu beeinflussen – nationalistisch und religiös.

Die Sehitlik-Moschee in Neukölln. Auch hier sollte Konsulatsunterricht stattfinden.
Die Sehitlik-Moschee in Neukölln. Auch hier sollte Konsulatsunterricht stattfinden.

© imago images/Emmanuele Contini

Zwar wurden die Rahmenpläne inzwischen abgeändert. Dennoch wird befürchtet, dass Erdogans Einfluss über die Lehrer ausgeübt wird, die aus der Türkei entsandt werden. Diese Befürchtung führte denn auch dazu, dass Berlin und weitere Bundesländer Konkurrenzangebote aufbauten. In der Folge ging die Nachfrage nach dem Konsulatsunterricht zurück, woraufhin Ankara dazu überging, seinen Unterricht in Moscheen anzubieten.

Als der Tagesspiegel darüber im Herbst 2019 berichtet hatte, beschloss der Senat, eine eigene Türkischlehrerausbildung an Berliner Universitäten aufzubauen. Zur Zeit gibt es nur in Nordrhein-Westfalen eine staatliche Ausbildung für deutsche Türkischlehrer.

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