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Berlin will 20.000 Wohnungen des Immobilien-Konzerns Vonovia ankaufen.

© Christophe Gateau/dpa

Geplante Milliarden-Investition in Berlin: Koalitionspartner und Landesfirmen fühlen sich von SPD beim Vonovia-Deal übergangen

20.000 Wohnungen und Mietverzicht – die SPD handelte den Deal mit Vonovia und Deutsche Wohnen aus. Grüne sind „hochgradig irritiert“ über wenige Informationen.

Es war am Dienstagmorgen, zehn Minuten vor der Pressekonferenz, als Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) seine Koalitionspartner über den geplanten Milliarden-Deal mit dem Immobilien-Konzern Vonovia informierte.

Am Telefon ratterte er runter, was er und Regierungschef Michael Müller (SPD) gleich verkünden wollten. So schnell, dass Details untergingen. Keine Zeit für Rückfragen. Die Fraktionsspitzen von Linken und Grünen waren überrumpelt, der Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) in Details nicht eingebunden, die Landeseigenen Wohnungsunternehmen hatten erst kurzfristig von der geplanten Milliarden-Investition erfahren, die sie tätigen sollen.

20.000 Wohnungen soll Berlin ankaufen. Welche genau und zu welchen Konditionen war auch am Tag nach der Vorstellung der Pläne unklar – dabei soll der Deal in spätestens zwei Monaten vollzogen werden. Die Eile verwundert Politik und Wohnungswirtschaft.

Immerhin so viel ist jetzt klar: Die meisten Wohnungen sollen in Spandau (2800), Neukölln (2500) und Steglitz-Zehlendorf (2000) aus den alten Beständen der Deutsche Wohnen gekauft werden. Mit der High-Deck-Siedlung, der Thermometer-Siedlung und dem Falkenhagener Feld trifft es vor allem soziale Brennpunkte, oft unrenoviert, keine Toplagen. Das gilt auch für die Wohnblöcke am Kottbusser Tor.

Immerhin sollen aber rund 5000 Wohnungen im Bereich der Innenstadt liegen. Im Einzelnen sollen jeweils 1100 bis 1800 Wohnungen in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Tempelhof-Schöneberg, Reinickendorf und Mitte hinzukommen.

Dafür, wird selbst in der SPD geunkt, hätten der Spandauer Fraktionschef Raed Saleh und Senator Kollatz in Steglitz-Zehlendorf ihre Wahlkreise gut umsorgt. Bei den Koalitionspartnern gibt es nach dem sozialdemokratischen Coup, der in den vergangenen Monaten federführend von der Senatskanzlei ausgehandelt worden sein soll, jedoch noch viele Fragen.

Nutzt Vonovia Berlin als Resterampe?

Die Grünen etwa sammeln gerade, um in den nächsten Tagen einen umfangreichen Katalog an Finanzsenator Kollatz zu schicken. Zu welchen Preisen werden die meist eher unrenovierten Wohnungen in schwierigen Lagen gekauft? Nutzt Vonovia das Land Berlin als Resterampe für die Viertel, die ohnehin nicht mehr in die eigene Auslage passen? Was für Mieter werden dort übernommen? Warum war in den vergangenen Monaten kaum Geld für Vorkäufe durch Bezirke da? Was sind die Versprechen der Vonovia wirklich wert? Inwiefern hängt der Milliarden-Deal mit der Weigerung des Finanzsenators zusammen, den Mietendeckel wenigstens für die landeseigenen Wohnungen beizubehalten?

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Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek kritisiert das Vorgehen des sozialdemokratischen Koalitionspartners: „Wir sind hochgradig irritiert darüber, wie wenig Informationen wir über den tatsächlichen Deal haben.“ Grundsätzlich stellen aber auch die Grünen das Geschäft wohl nicht in Frage. Das Signal des Ankaufens sei richtig, sagen Spitzengrüne wie Kapek oder Bürgermeisterkandidatin Bettina Jarasch. Die Grünen vermissen aber eine „echte Gesamtstrategie“, wie deren Mieten-Expertin Katrin Schmidberger sagt.

Als aussichtsreichste Kandidaten für die Übernahme der 20.000 Wohnungen werden die landeseigenen Unternehmen Degewo, Howoge sowie Berlinovo gehandelt. Am Mittwochabend hatte Finanzsenator Matthias Kollatz sie zu einer Konferenz zu dem Thema eingeladen.

Preis des Deals könnte im Milliardenbereich liegen

Viel spekuliert wird über den Preis des Deals. Finanzsenator Matthias Kollatz hatte am Dienstag von einer Größenordnung oberhalb der für den Rückkauf des Stromnetzes fälligen 2,1 Milliarden Euro gesprochen. Das Manager Magazin will aus Verhandlungskreisen von drei bis fünf Milliarden Euro erfahren haben. In der Branche kursiert folgende Rechnung: Bei einer durchschnittlichen Größe von 60 Quadratmetern und einem Verkaufspreis von 2500 Euro pro Quadratmetern beliefe sich der Kaufpreis für 20 000 Wohnungen auf drei Milliarden Euro.

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Noch ist das Angebot aber vage und der ausgehandelte Kaufpreis wird erst am Ende einer Prüfung der Immobilien fest stehen, die noch gar nicht begonnen hat. Dass Finanzsenator Kollatz am Dienstag bereits eine Vertragsunterzeichnung in rund zwei Monaten ankündigte, wird in Wohnungkreisen für ausgeschlossen gehalten. Dann jedenfalls, der Deal genau betrachtet werden soll: Denn dann müssten externe Berater mit der Prüfung beauftragt werden und allein schon dieser Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden.

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Die Grünen im Bundestag warnen, dass beim Kauf der Deutsche Wohnen durch die Vonovia die Immobilien größtenteils steuerfrei bleiben, indem nur Unternehmensanteile übertragen werden. Wird Berlin also bei diesem Deal auf die Grunderwerbsteuer verzichten müssen, wenn die Vonovia die Deutsche Wohnen schluckt – und erkaufen sich die Konzerne durch die Abgabe von Wohnungen an das Land das Wohlgefallen?

Die CDU begrüßte „den von Vonovia vorgeschlagene Zukunfts- und Sozialpakt als einen ersten Schritt“. Spitzenkandidat Kai Wegner forderte aber „eine Neubauoffensive in allen Preissegmenten, soziale Leitplanken und ein Berliner Mietergeld, welches zielgerichtet denjenigen hilft, die wirklich auf Unterstützung angewiesen sind“. Zugleich sagt die CDU an 100 Standorten in der Stadt mit Plakaten dem Volksentscheid gegen „Deutsche Wohnen &Co“ den Kampf an: „Nein zum Enteignen“ heißt es darauf.

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