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Am Sonnabend startet der Garten in die neue Saison. Interessierte können ab 12 Uhr kälteresistente Sorten pflanzen.

© Madlen Haarbach TSP

Gemeinschaftliches Gärtnern in Berlin: Stilles Grün für die Prinzessinnengärten

Mehr Ruhe, weniger Touristen: Die Prinzessinnengärten ziehen vom Kreuzberger Moritzplatz auf einen Neuköllner Friedhof.

Verwaiste Grabsteine und viele Freiflächen: Der St. Jacobi-Friedhof in Neukölln soll bald stillgelegt werden. Beerdigt wird hier schon lange niemand mehr, nur wenige Gräber werden noch regelmäßig besucht. Doch seit ein paar Monaten ist wieder was los auf dem Friedhof. Das Kollektiv der Prinzessinnengärten vom Kreuzberger Moritzplatz hat auf dem Gelände einen Gemeinschaftsgarten eingerichtet. In Hochbeeten wachsen bereits die ersten zarten Feldsalat- und Kohlpflänzchen.

Die Beete und ein Café hat das Kollektiv bereits im vergangenen Jahr aufgebaut. Diesen Sonnabend startet der Garten in die neue Saison: Ab 12 Uhr wird angegärtnert. Kälteresistente Sorten werden gemeinsam angepflanzt und Wildblumen gesät. Außerdem sind Workshops geplant, etwa zur Herstellung sogenannter Seedbombs, Samenbomben, und einer Komposttoilette.

Es wird Führungen über die Fläche geben, die sich auch mit der Geschichte des Friedhofes auseinandersetzen. Ab kommender Woche finden dann jeweils montags und mittwochs Gartenarbeitstage statt, bei denen Interessierte unter Anleitung mitgärtnern können.

Wie wird aus einem Friedhof ein Garten?

In den kommenden Monaten sollen dann Umweltbildungsflächen und auch ein Gemüseacker entstehen. Viele Kitagruppen aus der Nachbarschaft hätten schon Interesse angekündigt, um den Garten mitzugestalten, erzählt Svenja Nette vom Gartenkollektiv.

Doch wie kommt der Garten auf den Friedhof? „Die Ausgangsfrage war: Wie kann man ehemalige Friedhofsflächen weiter als Grünflächen nutzen?“, sagt Nette. Die Friedhofsverwaltung sehe sich mit sinkendem Platzbedarf und steigenden Kosten konfrontiert – denn immer weniger Menschen werden klassisch im Sarg in der Erde bestattet. Gleichzeitig soll der Erholungsfaktor ehemaliger Friedhofsflächen erhalten bleiben.

Daher habe die Verwaltung einen Partner gesucht, der den Friedhof auch finanziell entlastet. Die Prinzessinnengärten tragen sich durch ihre Gastronomieangebote selbst – und unterstützen die Friedhofsverwaltung künftig auch bei der Pflege der gesamten Fläche. Das Neuköllner Projekt ist daher gleichzeitig ein Experiment: Wie können diese nicht mehr benötigten Flächen zukünftig als gemeinschaftliche, naturnahe Orte genutzt werden? Als Modellprojekt wird der Garten aus Mitteln des Berliner Programms für Nachhaltige Entwicklung gefördert.

Die Gärtner wollen zurück zur Ursprungsidee des gemeinschaftlichen Gärtnerns

Doch nicht nur für den Friedhof ist das Projekt ein Neuanfang: Auch die Prinzessinengärtner wollen zurück zu ihrer Ursprungsidee des gemeinschaftlichen Gärtnerns. Die ehemaligen Friedhofsflächen sind historisch gewachsene Grünräume. Im Gegensatz zum Moritzplatz gibt es hier einen alten Baumbestand, vielfältige Tier- und Pflanzenarten und die Möglichkeit, direkt im Boden anzubauen.

„Am Moritzplatz hat das Mittelmaß zwischen Gärtnern und Besuchern irgendwann nicht mehr richtig gestimmt“, sagt Lisa Dobkowitz vom Kollektiv. Es kommen viele Touristen. In Neukölln kämen die Besucher bislang eher aus der Nachbarschaft. Zwar sei der Garten in Kreuzberg nicht akut von Verdrängung bedroht, aber der Druck sei dennoch spürbar.

„Wir arbeiten am Moritzplatz in den kommenden Monaten zwischen Baustellen“, ergänzt Svenja Nette. „Wenn nebenan den ganzen Tag die Rüttelplatte arbeitet, können wir kaum in Ruhe eine Führung durch den Garten machen.“

„Hierher kommen nur diejenigen, die wirklich gärtnern wollen“

Ruhe gibt es in Neukölln genug: Allein die Aufteilung der Fläche ermöglicht ganz anderes arbeiten. Im vorderen Teil an der Hermannstraße befinden sich das Café und die Flächen für die Umweltbildung. Dort können etwa Schulklassen und Kitagruppen künftig eigene Beete bepflanzen, pflegen und jäten. Der eigentliche Gemeinschaftsgarten mit Hochbeeten findet sich weiter hinten.

Auf einer drei Hektar großen Teilfläche wachsen verschiedene Obst- und Gemüsesorten. „Hierher kommen nur diejenigen, die wirklich gärtnern wollen“, sagt Dobkowitz. Daher müssen sich die Besucher der wenigen noch aktiven Gräber nicht um die Friedhofsruhe sorgen. „Wir wollen ja auch in Ruhe gärtnern“, sagt Lisa Dobkowitz.

Was aus der Fläche am Moritzplatz wird, ist noch ungewiss

Die meisten Besucher der Gräber würden sich über das Projekt freuen. Der Friedhof sei bereits etwas verwahrlost gewesen und oft auch recht einsam. Mit der Friedhofsverwaltung sei vereinbart, dass die Gärtner sich auch zunehmend um den übrigen Friedhof kümmern, sagt Dobkowitz. Da müssen etwa die Steine abgelaufener Gräber entfernt, Müll beseitigt und Rasen gemäht werden.

Bis Ende des Jahres will das gesamte Kollektiv nach Neukölln umziehen. Was aus der Fläche am Moritzplatz ab 2020 wird, ist noch ungewiss. Der Verein Common Grounds, der 2013 von einem Teil der Prinzessinnengärtner gegründet wurde, setzt sich weiter für den Erhalt des Gemeinschaftsgartens in Kreuzberg ein. Aktuell ist der Verein im Gespräch mit dem Bezirk, um eine dauerhafte Perspektive zu erwirken. Wenn alles gut geht, werden beide Standorte langfristig grüne Gemeinschaftsräume sein.

Prinzessinnengärten, auf dem St. Jacobi-Friedhof, Hermannstraße 99. Mehr Infos gibt es unter: prinzessinnengarten.net.

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