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Lastenräder sind praktisch – und können zur Verkehrswende beitragen.

© Gregor Fischer/dpa

Gemeinsame Sache in Kreuzberg: So kurbelt Europas größte Lastenrad-Initiative die Verkehrswende an

„fLotte“ hat in Berlin mehr als 140 Standorte – und damit eine Bewegung losgetreten. Auch Unternehmen unterstützen das Projekt mit Spenden.

Seit Anfang Juli gehören nun auch das Fernsehhaus Gaedke im Tegeler Ziekowkiez und der orientalische Basar Harb an der Potdamer Straße in Schöneberg zu den Standorten für die Flotten-Lastenräder der „fLotte“. Auch in Lichtenberg kann an der Jugendverkehrsschule in der Baikalstraße das Lastenrad „Sabrina“ ausgeliehen werden. Thomas Büermann freut sich darüber, dass es nun nahezu 140 feste Standorte im Berlin gibt, wo sich Nutzer*innen die praktischen Lastenräder ausleihen können.

Verkehrswende könnte so einfach sein. Wer benötigt noch ein Auto, wenn es im eigenen Wohnumfeld eine Alternative gibt, um für den Kinderausflug in den nächsten Park, den wöchentlichen Großeinkauf oder den kleinen Umzug gut gerüstet zu sein? Angefangen hat die Initiative 2017 mit drei Lastenrädern, die der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) vorfinanzierte, erzählt der schlaksige Thomas Büermann, der trotz seiner 65 Jahre sehr fit wirkt. Das Geld für die Einstandsinvestition hat das fLotte-Projektteam längst zurückgezahlt.

Gab es anfangs feste Ausleihstationen nur in den Ortsteilen Pankow, Treptow und Lichtenberg, ist heute die „fLotte“ in allen Bezirken vertreten. Rund 500 Menschen wirken bei Europas größter Lastenrad-Initiative mit, berichtet Büermann in der Werkstatt – zwischen Schraubenschlüsseln und an der Wand hängenden Reifen.

Um in den Kiezen verankert zu sein, müssen feste Standorte gefunden und betreut werden, Sponsoren für die Finanzierung neuer Räder angesprochen, die Lastenräder gewartet und repariert werden, Nutzeranfragen beantwortet, die Internet-Plattform gewartet – und Paten geworben werden, die jeweils ein Rad betreuen. „Wir sind wie ein Start-up“, sagt Thomas Büermann, „und müssen immer wieder alles neu durchdenken.“

Besonders stark vertreten ist die „fLotte“ – die anfänglich „Flotte Lotte“ hieß – in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick. Einige Räder sind von Privatleuten gespendet worden. Aber auch Cafés oder Ökoläden sammelten gemeinsam mit ihren Kunden, um ein Lastenrad zu spenden, das dann bei ihnen stationiert wird. Außerdem übernehmen sie jeweils die Betriebskosten für ihr Rad. Heute sind auch Quartiermanagement-Büros oder Einzelhändler Teile des Standort-Netzes.

Europas größte Lastenrad-Initiative will die Verkehrswende für alle leichter machen.
Europas größte Lastenrad-Initiative will die Verkehrswende für alle leichter machen.

© Gerd Nowakowski

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Online können Nutzer*innen die Lastenräder tageweise reservieren – bis zu 13 Tage im Voraus. Allerdings hatte die Initiative einige Standorte wegen der Corona-Pandemie zeitweise schließen müssen.

Berliner Nutzer haben fast acht Mal die Erde umrundet

Umfragen unter den Nutzern ergaben, dass bei einer Haushaltsgröße von durchschnittlich 3,2 Personen offenbar viele Familien mit Kindern das Angebot nutzen. Immerhin jeder Dritte davon besitzt auch ein Auto. Insgesamt haben die Berliner Nutzer über 305.000 Kilometer zurückgelegt – das sind fast acht Erdumrundungen. Noch wichtiger aber ist die Rechnung, dass ohne die Lastenräder-Flotte 40 Prozent der Fahrten mit dem Auto gemacht worden wären.

Die tageweise Nutzung der Räder ist kostenlos. Allerdings können die dankbare Nutzer*innen gerne eine Spende in die bereitstehenden Boxen stecken. Die Auslastung, so Büermann, liege inzwischen bei 80 Prozent. Durchschnittlich fährt jedes Rad rund 3000 Kilometer im Jahr – auch für die robusten und eigentlich unverwüstlichen Modelle ist das eine ganze Menge. Deswegen gibt es auch professionelle Mechaniker, die mit Lastenrad und Werkzeugkoffer herumfahren, um größere Reparaturen zu erledigen.

[Infos wie zum Beispiel eine Karte mit allen Stationen gibt es im Internet unter flotte-berlin.de/]

Lastenrad statt Autofahrt, diese Idee wird immer populärer und überzeugt auch mehr und mehr Sponsoren. So werden fLotte Lastenräder etwa finanziert von den Bio-Supermärkten Alnatura und Denns, aber auch von Ikea oder dem Stromversorger Vattenfall. Selbst Wohnungsbaugesellschaften haben erkannt, dass in ihren Wohnanlagen ein Lastenrad hilft, die Zahl der Autos zu reduzieren. Einen großen Teil der fLotte, nämlich über 70 Lastenräder, finanzierte aber die Senatsumweltverwaltung im Rahmen des Berliner Klimaschutzprogramms 2030.

Auch wenn die Ausgabe der Lastenräder von den Mitarbeiter*innen an den Standorten übernommen wird, bleiben genügend Aufgaben für die ehrenamtlichen Helfer*innen übrig. Die „fLotte-Ambulanz“ besteht aus technikbegeisterten Schraubern und Bastlern, die akute Reparaturen ausführen. Daneben gibt es für jedes Lastenrad einen „Paten“, der an den festen Standorten dafür sorgt, dass das Rad gepflegt und im betriebsbereiten Zustand ist. Für beide Bereiche freut man sich über weitere ehrenamtlich Engagierte.

Gelegenheit, die Initiative kennenzulernen, besteht am Sonntag, den 13. September, von 13 bis 17 Uhr. Im Velokiez in der Möckernstraße 47 in Kreuzberg können Sie sich in der Werkstatt umschauen oder auf der angrenzenden Wiese des Gleisdreieckparks mit dem Lastenrad eine Runde drehen.

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